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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Byron's, Guttenberg's; Helden und Götter, alles in bunter Versammlung
eine Welt, in der man Tage lang sich bewegen muß, bis man ihrer zur Erin;
narung Herr geworden ist; es ist aber eine Erinnerung, die sich für's Leben
einprägt. Noch war es mir gegönnt, die Schillerstatue in der Werkstätte zu
sehen, einige Tage vor der Absenkung nach Deutschland. Hier aber formt
und meißelt Thorwaldsen nicht; jeden Sonntag Bormittag öffnet er freund¬
lich auf dem nördlich vom Quirinal gelegenen North z>ineio seine Galerie
jedem Fremden. In fünf mäßigen Zimmern hängen Bilder, welche nur von
modernen, jetzt in Rom lebenden Malern herrühren. Wenn man nicht lauter
Kunstwerke sieht, so entspringt das aus dem edlen Beweggrunde, daß der
große Meister, gewöhnlich um einen Künstler zu unterstützen, oder aus ihn
die Aufmerksamkeit zu lenken, ihm ein Bild sür seine Galerie abkauft. Doch
sind auch Werke darunter, wie die des charakteristischen Dänen Meyer, des
ein halbes Jahrhundert schon in Rom wirkenden geiht- und liebreichen Rein"
hart, des farbenlieblichen Pollack, Ritt, Kirner u. s. w. die nicht aus
jenem Grunde allein angekauft scheinen. Thorwaldsen stand an einer
Statue des letzten Hohenstaufen modellirend, welche der Kronprinz von Bai-
ern bestellte, um sie in der Kirche 8. Nari-" <Is1 esrmine zu Neapel, (welche
aus dem Platze steht, wo Conradin enthauptet wurde), im Kreuzgange
aufstellen zu lassen. Zuweilen mischte sich der Meister unter seine Gäste, und
war der freundlichste Cicerone, dann trat er wieder vor seine Statue und
unterhielt sich mit den Freunden, so daß er spielend sein Kunstwerk zu vollen¬
den schien. In den Zimmern herrschte die liebenswürdigste Unordnung und
stach wenig zu ihrem Herrn ab, der im grauen Schlafrocke, ohne Halsbinde,
vepantoffelt, seine Gäste, unter denen auch ausgezeichnete Damen, empfing
und unterhielt, und Niemand verläßt ihn, ohne von seiner einfachen freund¬
lichen Weise ganz entzückt zu sein. Ich sah ihn am selben Abend noch im
Salon der Prinzessinn Caroline von Dänemark, wo ich durch den liebens¬
würdigen Künstler Pollack eingeführt wurde, und wenn die von vielen Or¬
den blitzende Erscheinung gegen die des Morgens gewaltig abstach, so war
Thorwaldsen derselbe einfache liebenswürdige Künstler, wie der bei den
Künstlerfesten, wie der in seinem Studio. Wie sehr die Künstler an ihm
hängen, konnte man aus ihrer Stimmung erkennen, die durch den Wunsch
seines Königs, nach Dänemark zu kommen und Rom vielleicht für immerLcbe-
wohl zu sagen, schmerzlich veranlaßt wurde. Wäre dieser Verlust für die
Künstler in Rom groß, so wäre es kein minderer für die Fremden, deren
wohl keiner ohne die dankbarste Erinnerung von diesem großen Manne schei-


Byron's, Guttenberg's; Helden und Götter, alles in bunter Versammlung
eine Welt, in der man Tage lang sich bewegen muß, bis man ihrer zur Erin;
narung Herr geworden ist; es ist aber eine Erinnerung, die sich für's Leben
einprägt. Noch war es mir gegönnt, die Schillerstatue in der Werkstätte zu
sehen, einige Tage vor der Absenkung nach Deutschland. Hier aber formt
und meißelt Thorwaldsen nicht; jeden Sonntag Bormittag öffnet er freund¬
lich auf dem nördlich vom Quirinal gelegenen North z>ineio seine Galerie
jedem Fremden. In fünf mäßigen Zimmern hängen Bilder, welche nur von
modernen, jetzt in Rom lebenden Malern herrühren. Wenn man nicht lauter
Kunstwerke sieht, so entspringt das aus dem edlen Beweggrunde, daß der
große Meister, gewöhnlich um einen Künstler zu unterstützen, oder aus ihn
die Aufmerksamkeit zu lenken, ihm ein Bild sür seine Galerie abkauft. Doch
sind auch Werke darunter, wie die des charakteristischen Dänen Meyer, des
ein halbes Jahrhundert schon in Rom wirkenden geiht- und liebreichen Rein»
hart, des farbenlieblichen Pollack, Ritt, Kirner u. s. w. die nicht aus
jenem Grunde allein angekauft scheinen. Thorwaldsen stand an einer
Statue des letzten Hohenstaufen modellirend, welche der Kronprinz von Bai-
ern bestellte, um sie in der Kirche 8. Nari-» <Is1 esrmine zu Neapel, (welche
aus dem Platze steht, wo Conradin enthauptet wurde), im Kreuzgange
aufstellen zu lassen. Zuweilen mischte sich der Meister unter seine Gäste, und
war der freundlichste Cicerone, dann trat er wieder vor seine Statue und
unterhielt sich mit den Freunden, so daß er spielend sein Kunstwerk zu vollen¬
den schien. In den Zimmern herrschte die liebenswürdigste Unordnung und
stach wenig zu ihrem Herrn ab, der im grauen Schlafrocke, ohne Halsbinde,
vepantoffelt, seine Gäste, unter denen auch ausgezeichnete Damen, empfing
und unterhielt, und Niemand verläßt ihn, ohne von seiner einfachen freund¬
lichen Weise ganz entzückt zu sein. Ich sah ihn am selben Abend noch im
Salon der Prinzessinn Caroline von Dänemark, wo ich durch den liebens¬
würdigen Künstler Pollack eingeführt wurde, und wenn die von vielen Or¬
den blitzende Erscheinung gegen die des Morgens gewaltig abstach, so war
Thorwaldsen derselbe einfache liebenswürdige Künstler, wie der bei den
Künstlerfesten, wie der in seinem Studio. Wie sehr die Künstler an ihm
hängen, konnte man aus ihrer Stimmung erkennen, die durch den Wunsch
seines Königs, nach Dänemark zu kommen und Rom vielleicht für immerLcbe-
wohl zu sagen, schmerzlich veranlaßt wurde. Wäre dieser Verlust für die
Künstler in Rom groß, so wäre es kein minderer für die Fremden, deren
wohl keiner ohne die dankbarste Erinnerung von diesem großen Manne schei-


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[0538] Byron's, Guttenberg's; Helden und Götter, alles in bunter Versammlung eine Welt, in der man Tage lang sich bewegen muß, bis man ihrer zur Erin; narung Herr geworden ist; es ist aber eine Erinnerung, die sich für's Leben einprägt. Noch war es mir gegönnt, die Schillerstatue in der Werkstätte zu sehen, einige Tage vor der Absenkung nach Deutschland. Hier aber formt und meißelt Thorwaldsen nicht; jeden Sonntag Bormittag öffnet er freund¬ lich auf dem nördlich vom Quirinal gelegenen North z>ineio seine Galerie jedem Fremden. In fünf mäßigen Zimmern hängen Bilder, welche nur von modernen, jetzt in Rom lebenden Malern herrühren. Wenn man nicht lauter Kunstwerke sieht, so entspringt das aus dem edlen Beweggrunde, daß der große Meister, gewöhnlich um einen Künstler zu unterstützen, oder aus ihn die Aufmerksamkeit zu lenken, ihm ein Bild sür seine Galerie abkauft. Doch sind auch Werke darunter, wie die des charakteristischen Dänen Meyer, des ein halbes Jahrhundert schon in Rom wirkenden geiht- und liebreichen Rein» hart, des farbenlieblichen Pollack, Ritt, Kirner u. s. w. die nicht aus jenem Grunde allein angekauft scheinen. Thorwaldsen stand an einer Statue des letzten Hohenstaufen modellirend, welche der Kronprinz von Bai- ern bestellte, um sie in der Kirche 8. Nari-» <Is1 esrmine zu Neapel, (welche aus dem Platze steht, wo Conradin enthauptet wurde), im Kreuzgange aufstellen zu lassen. Zuweilen mischte sich der Meister unter seine Gäste, und war der freundlichste Cicerone, dann trat er wieder vor seine Statue und unterhielt sich mit den Freunden, so daß er spielend sein Kunstwerk zu vollen¬ den schien. In den Zimmern herrschte die liebenswürdigste Unordnung und stach wenig zu ihrem Herrn ab, der im grauen Schlafrocke, ohne Halsbinde, vepantoffelt, seine Gäste, unter denen auch ausgezeichnete Damen, empfing und unterhielt, und Niemand verläßt ihn, ohne von seiner einfachen freund¬ lichen Weise ganz entzückt zu sein. Ich sah ihn am selben Abend noch im Salon der Prinzessinn Caroline von Dänemark, wo ich durch den liebens¬ würdigen Künstler Pollack eingeführt wurde, und wenn die von vielen Or¬ den blitzende Erscheinung gegen die des Morgens gewaltig abstach, so war Thorwaldsen derselbe einfache liebenswürdige Künstler, wie der bei den Künstlerfesten, wie der in seinem Studio. Wie sehr die Künstler an ihm hängen, konnte man aus ihrer Stimmung erkennen, die durch den Wunsch seines Königs, nach Dänemark zu kommen und Rom vielleicht für immerLcbe- wohl zu sagen, schmerzlich veranlaßt wurde. Wäre dieser Verlust für die Künstler in Rom groß, so wäre es kein minderer für die Fremden, deren wohl keiner ohne die dankbarste Erinnerung von diesem großen Manne schei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/538>, abgerufen am 23.07.2024.