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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Sicher und ausgemacht ist, daß die Gegenwart deö Kaisers
mitten im mittelländischen Meere, die Unabhängigkeit, selbst der
Schatten von Macht, den man ihm gelassen hatte, auf dem Wiener
Congreß mehr als Ein Mal Gegenstand der Besorgniß geworden.
Man wußte recht gut, daß in Paris ein weiter Herd der Intri¬
guen, ein Mittelpunkt der Korrespondenz bestand und daß man da¬
selbst mit Vorarbeiten zu einer Rückkehr der Kaiserherrschaft sich
emsig beschäftigte. Die Königin Hortensia war die Seele dieses Com-
ploteS, das von aller Welt gesehen ward, außer von der verblende¬
ten Regierung der Bourbons. Während des Aufenthalts der Kö¬
nigin von Holland in Baden im Augustmonatc des Jahres 1814
hatte die, seitdem durch ihre mystische Verbindung mit dem Kaiser
Alerander berühmt gewordene Frau von Krüdener die Rückkehr
vorausgesagt. Es war daher auch gleich vom Anfang der Corse"
rcnzen an, aber im größten Geheimniß, die Rede davon gewesen,
für ihn einen andern Verbannungs- oder Deportations-Ort auszu¬
suchen. Die Insel Se. Helena ward erst gegen Ende des Januar
von Pozzo ti Borgo in Vorschlag gebracht. Er behauptete, Briefe
erhalten zu haben, welche anzeigten, daß man in Genua, in Florenz
und an der ganzen Küste hin Emisfaire Napoleons festgenommen
habe.

"Europa," hatte er gesagt, "wird nicht eher ruhig sein, als
bis eS den Ocean zwischen sich und diesen Mann gebracht haben
wird."

Man versichert, daß dem Prinzen Eugen in Folge seiner vertrauten
Freundschaft mit dem Kaiser von Rußland dieses wichtige Geheimniß
offenbart worden und daß er sich beeilt, Napoleon davon in Kennt¬
niß zu setzen. Nun schwankte dieser nicht mehr, sein Entschluß, nach
Frankreich zurückzukehren, stand fest. Von diesem Augenblick an
ward auch in Kaiser Alerander's Benehmen gegen den Prinzen
Eugen eine merkliche Kälte und Zurückhaltung sichtbar.

Wien blieb beinahe fünf Tage ohne Nachrichten. Die Hof¬
feierlichkeiten und Feste kamen wieder in ihren alten Gang. Die
allgemeine Besorgniß schien sich nach und nach zu zerstreuen. Aber
endlich war kein längerer Zweifel mehr erlaubt; der Donner brach
los, Napoleon war in Frankreich. Dieser Abenteurer, wie ihn
Pozzo ti Borgo zu nennen sich erfrecht hatte, ward von den Be-


Sicher und ausgemacht ist, daß die Gegenwart deö Kaisers
mitten im mittelländischen Meere, die Unabhängigkeit, selbst der
Schatten von Macht, den man ihm gelassen hatte, auf dem Wiener
Congreß mehr als Ein Mal Gegenstand der Besorgniß geworden.
Man wußte recht gut, daß in Paris ein weiter Herd der Intri¬
guen, ein Mittelpunkt der Korrespondenz bestand und daß man da¬
selbst mit Vorarbeiten zu einer Rückkehr der Kaiserherrschaft sich
emsig beschäftigte. Die Königin Hortensia war die Seele dieses Com-
ploteS, das von aller Welt gesehen ward, außer von der verblende¬
ten Regierung der Bourbons. Während des Aufenthalts der Kö¬
nigin von Holland in Baden im Augustmonatc des Jahres 1814
hatte die, seitdem durch ihre mystische Verbindung mit dem Kaiser
Alerander berühmt gewordene Frau von Krüdener die Rückkehr
vorausgesagt. Es war daher auch gleich vom Anfang der Corse»
rcnzen an, aber im größten Geheimniß, die Rede davon gewesen,
für ihn einen andern Verbannungs- oder Deportations-Ort auszu¬
suchen. Die Insel Se. Helena ward erst gegen Ende des Januar
von Pozzo ti Borgo in Vorschlag gebracht. Er behauptete, Briefe
erhalten zu haben, welche anzeigten, daß man in Genua, in Florenz
und an der ganzen Küste hin Emisfaire Napoleons festgenommen
habe.

„Europa," hatte er gesagt, „wird nicht eher ruhig sein, als
bis eS den Ocean zwischen sich und diesen Mann gebracht haben
wird."

Man versichert, daß dem Prinzen Eugen in Folge seiner vertrauten
Freundschaft mit dem Kaiser von Rußland dieses wichtige Geheimniß
offenbart worden und daß er sich beeilt, Napoleon davon in Kennt¬
niß zu setzen. Nun schwankte dieser nicht mehr, sein Entschluß, nach
Frankreich zurückzukehren, stand fest. Von diesem Augenblick an
ward auch in Kaiser Alerander's Benehmen gegen den Prinzen
Eugen eine merkliche Kälte und Zurückhaltung sichtbar.

Wien blieb beinahe fünf Tage ohne Nachrichten. Die Hof¬
feierlichkeiten und Feste kamen wieder in ihren alten Gang. Die
allgemeine Besorgniß schien sich nach und nach zu zerstreuen. Aber
endlich war kein längerer Zweifel mehr erlaubt; der Donner brach
los, Napoleon war in Frankreich. Dieser Abenteurer, wie ihn
Pozzo ti Borgo zu nennen sich erfrecht hatte, ward von den Be-


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[0522] Sicher und ausgemacht ist, daß die Gegenwart deö Kaisers mitten im mittelländischen Meere, die Unabhängigkeit, selbst der Schatten von Macht, den man ihm gelassen hatte, auf dem Wiener Congreß mehr als Ein Mal Gegenstand der Besorgniß geworden. Man wußte recht gut, daß in Paris ein weiter Herd der Intri¬ guen, ein Mittelpunkt der Korrespondenz bestand und daß man da¬ selbst mit Vorarbeiten zu einer Rückkehr der Kaiserherrschaft sich emsig beschäftigte. Die Königin Hortensia war die Seele dieses Com- ploteS, das von aller Welt gesehen ward, außer von der verblende¬ ten Regierung der Bourbons. Während des Aufenthalts der Kö¬ nigin von Holland in Baden im Augustmonatc des Jahres 1814 hatte die, seitdem durch ihre mystische Verbindung mit dem Kaiser Alerander berühmt gewordene Frau von Krüdener die Rückkehr vorausgesagt. Es war daher auch gleich vom Anfang der Corse» rcnzen an, aber im größten Geheimniß, die Rede davon gewesen, für ihn einen andern Verbannungs- oder Deportations-Ort auszu¬ suchen. Die Insel Se. Helena ward erst gegen Ende des Januar von Pozzo ti Borgo in Vorschlag gebracht. Er behauptete, Briefe erhalten zu haben, welche anzeigten, daß man in Genua, in Florenz und an der ganzen Küste hin Emisfaire Napoleons festgenommen habe. „Europa," hatte er gesagt, „wird nicht eher ruhig sein, als bis eS den Ocean zwischen sich und diesen Mann gebracht haben wird." Man versichert, daß dem Prinzen Eugen in Folge seiner vertrauten Freundschaft mit dem Kaiser von Rußland dieses wichtige Geheimniß offenbart worden und daß er sich beeilt, Napoleon davon in Kennt¬ niß zu setzen. Nun schwankte dieser nicht mehr, sein Entschluß, nach Frankreich zurückzukehren, stand fest. Von diesem Augenblick an ward auch in Kaiser Alerander's Benehmen gegen den Prinzen Eugen eine merkliche Kälte und Zurückhaltung sichtbar. Wien blieb beinahe fünf Tage ohne Nachrichten. Die Hof¬ feierlichkeiten und Feste kamen wieder in ihren alten Gang. Die allgemeine Besorgniß schien sich nach und nach zu zerstreuen. Aber endlich war kein längerer Zweifel mehr erlaubt; der Donner brach los, Napoleon war in Frankreich. Dieser Abenteurer, wie ihn Pozzo ti Borgo zu nennen sich erfrecht hatte, ward von den Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/522>, abgerufen am 26.08.2024.