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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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man denn weidlich über ihn, und kauft seine Schrift nicht, weil er
ja, wie "uni sagt, Renegat an seinen früher ausgesprochenen Althias--
den über diese Sache geworden sei. Dieser Lüders'schen Schrift
kommt nun der Buchhändler Duncker in Berlin durch eine ähnliche,
aber sehr unzureichende zu Hilfe, und ich zweifle, daß der Herr
Hof-Buchhändler Aker. Duncker damit reussiren wird, indem hier
im Lande selbst schon mehrere Biochuren und Aufsätze erschienen sind,
die alle dasselbe Thema behandeln, freilich verschiedenen Erfolg prog-
"osticircn, alle aber sehr schwierige "Gedanken" über diese Frage
aussprechen. Ach, und dabei wird der Mecklenburger so gedanken¬
voll, daß er mit seinem Phlegma sich gar nicht mehr aus seiner ihm
eimerweise herzuströmenden Gedankenfülle herauszureißen vermag.
Man sorge doch dafür, dem Mecklenburger nicht unnützerweise so
viel Kopfzerbrechens aufzulegen, da er ja von Natur schon genug
zur Bedenklichkeit geneigt ist. --

Schwerins Lokalität hat nichts Neues mehr für mich; ich überlasse
mich jetzt seinen geistigen Interessen; und da lese ich denn so eben Herrn
F. v. Maltzahn's "Mecklenburg in allgemeinen deutschen
Beziehungen." Es ist ein närrisches kleines Buch, durch und
durch verfehlt; und wenn dieser hochwohlgebvrene Herr v. Maltzahn
über seine höchst schlecht geborne Brochure hätte setzen lassen: Deutsch¬
land in allgemeinen europäischen Beziehungen, so hätte sie wenig¬
stens an scheinbarer Wichtigkeit gewonnen, man hätte sie mit euro¬
päischen Augen angesehen; dabei kommt der Verfasser in seinen
Beziehungen überall hin, wo mau ihn nicht zu finden hofft; er be¬
schwört den Reformationsgeist herauf, viel biblischen Schnickschnack,
kramt einen ganzen Sack voll pieiiftischer Schnurrpfeifereien aus --
und kommt endlich um die Mitte seiner Schrift zum ersten Mal
auf Mecklenburg. Er,irrt von Gott zu Staat und Kirche, zur
Bibel und zum Wesen der deutschen Sprache, wird von dem Gedan¬
ken erhoben, sie sprechen zu können; kurz : ein Deutscher zu sein.
Vorher will er die Geschichte "im Zusammenhang" sehen "in einer
Zeit vor und nach Christus;" -- "sie muß die Thaten messen nach
dem Worte Gottes," von dem eS im Ebräerbriefe heißt: "es ist le¬
bendig und kräftig, und schärfer denn kein zweischneidig Schwert ze.ze."
Tas ist ein ziemlich langer Bibelvers. Dann spricht der Verfasser
in seiner mißmthmen Religionsphilosophie vom Kommen des Hin-


man denn weidlich über ihn, und kauft seine Schrift nicht, weil er
ja, wie »uni sagt, Renegat an seinen früher ausgesprochenen Althias--
den über diese Sache geworden sei. Dieser Lüders'schen Schrift
kommt nun der Buchhändler Duncker in Berlin durch eine ähnliche,
aber sehr unzureichende zu Hilfe, und ich zweifle, daß der Herr
Hof-Buchhändler Aker. Duncker damit reussiren wird, indem hier
im Lande selbst schon mehrere Biochuren und Aufsätze erschienen sind,
die alle dasselbe Thema behandeln, freilich verschiedenen Erfolg prog-
„osticircn, alle aber sehr schwierige „Gedanken" über diese Frage
aussprechen. Ach, und dabei wird der Mecklenburger so gedanken¬
voll, daß er mit seinem Phlegma sich gar nicht mehr aus seiner ihm
eimerweise herzuströmenden Gedankenfülle herauszureißen vermag.
Man sorge doch dafür, dem Mecklenburger nicht unnützerweise so
viel Kopfzerbrechens aufzulegen, da er ja von Natur schon genug
zur Bedenklichkeit geneigt ist. —

Schwerins Lokalität hat nichts Neues mehr für mich; ich überlasse
mich jetzt seinen geistigen Interessen; und da lese ich denn so eben Herrn
F. v. Maltzahn's „Mecklenburg in allgemeinen deutschen
Beziehungen." Es ist ein närrisches kleines Buch, durch und
durch verfehlt; und wenn dieser hochwohlgebvrene Herr v. Maltzahn
über seine höchst schlecht geborne Brochure hätte setzen lassen: Deutsch¬
land in allgemeinen europäischen Beziehungen, so hätte sie wenig¬
stens an scheinbarer Wichtigkeit gewonnen, man hätte sie mit euro¬
päischen Augen angesehen; dabei kommt der Verfasser in seinen
Beziehungen überall hin, wo mau ihn nicht zu finden hofft; er be¬
schwört den Reformationsgeist herauf, viel biblischen Schnickschnack,
kramt einen ganzen Sack voll pieiiftischer Schnurrpfeifereien aus —
und kommt endlich um die Mitte seiner Schrift zum ersten Mal
auf Mecklenburg. Er,irrt von Gott zu Staat und Kirche, zur
Bibel und zum Wesen der deutschen Sprache, wird von dem Gedan¬
ken erhoben, sie sprechen zu können; kurz : ein Deutscher zu sein.
Vorher will er die Geschichte „im Zusammenhang" sehen „in einer
Zeit vor und nach Christus;" — „sie muß die Thaten messen nach
dem Worte Gottes," von dem eS im Ebräerbriefe heißt: „es ist le¬
bendig und kräftig, und schärfer denn kein zweischneidig Schwert ze.ze."
Tas ist ein ziemlich langer Bibelvers. Dann spricht der Verfasser
in seiner mißmthmen Religionsphilosophie vom Kommen des Hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/514>, abgerufen am 26.08.2024.