Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Butter- und Wollmärkten gesprochen, und viel Gelo im Spiel
verloren.^)

Ein Gegenstand hartnäckigen Kampfes zwischen Adel und Bür¬
gerschaft sind die drei Landesklöster, deren Verwaltung sich der erstere
als ein Vorrecht anmaßt, deren Raum er für seine Tochter be¬
stimmt glaubt. Das ist wiederum eine sehr noble Idee der mecklen¬
burgischen Noblesse. Die böse Welt behauptet, wenn die Verwaltung
dieser Klöster ihren Verwaltern nicht so viele Schnitzeln neben dem
ihnen jährlich zufallenden großen Lappen abwürfe, möchte sich der
Adel vielleicht nicht so sehr um dies Recht bemühen, daS ihm, mei¬
nes Erachtens, doch bald entrissen werden dürfte. Seine Anmaßung
strafend, steht aber in den Klvsterordnungen mit deutlichen Lettern:
daß sowohl adeligen als bürgerlichen Jungfrauen die
Aufnahme in die Klöster gestattet sei. Gesetz und dasselbe
vergegenwärtigender Buchstabe werden also hier ohne Weiteres über
den Haufen gestoßen; wer beide wiederfinden will, der arbeite sich
erst durch Jahrhunderte alten Schmutz und Staub der Arroganz
und Unbill. -- Der summarische mecklenburgische Adel ist zum gro¬
ßen Theil eine personificirte Anmaßung, die alle bürgerlichen und
Konvenienzverhältnisse unter die Füße treten zu können, ja mitunter
sogar den Gesetzen trotzen zu dürfen glaubt, wie folgendes Erempel
deutlich zeigt, das ein Gemisch von Feudalismus und mecklenburgi¬
schem Adelöstolz bildet. Lache der Leser über jenen mecklenburgischen
Gutsbesitzer, der jüngst das Städtchen Mirow mit bewaffneter Dorf¬
macht belagerte und mit beschwerteter Faust einen seiner Knechte,
der als gesetzwidrig durch die Straßen der Stadt jagender Cham¬
pagnerabgesandter von der Polizei verhaftet wurde, zu befreien kam,
was ihm auch gelungen. --

Morgen werde ich in Gesellschaft gehen. Man hat mir schon
viel von dem in ihr herrschenden Ton erzählt, mich auch über-



Man lacht selbst hier über jenen alten mecklenburgischen bürgerlichen
Gutsbesitzer, der vor einigcnJahrcn es plötzlich für nöthig fand, cinmalausden
Landtag zu steigen, dort im Borsaal die reichgallonirten Diener der Grafen
Hahn :c. vorfand, und nicht anders glaubte, als mitten in der famosen Stan¬
desversammlung zu sein. Dies war indes" Einer vom anvien i'ueiiii-z, unsre,
neuere Generation hier soll entschieden bessere Begriffe über Landtagsversamm¬
lungen und ihre c^-ita haben.

Butter- und Wollmärkten gesprochen, und viel Gelo im Spiel
verloren.^)

Ein Gegenstand hartnäckigen Kampfes zwischen Adel und Bür¬
gerschaft sind die drei Landesklöster, deren Verwaltung sich der erstere
als ein Vorrecht anmaßt, deren Raum er für seine Tochter be¬
stimmt glaubt. Das ist wiederum eine sehr noble Idee der mecklen¬
burgischen Noblesse. Die böse Welt behauptet, wenn die Verwaltung
dieser Klöster ihren Verwaltern nicht so viele Schnitzeln neben dem
ihnen jährlich zufallenden großen Lappen abwürfe, möchte sich der
Adel vielleicht nicht so sehr um dies Recht bemühen, daS ihm, mei¬
nes Erachtens, doch bald entrissen werden dürfte. Seine Anmaßung
strafend, steht aber in den Klvsterordnungen mit deutlichen Lettern:
daß sowohl adeligen als bürgerlichen Jungfrauen die
Aufnahme in die Klöster gestattet sei. Gesetz und dasselbe
vergegenwärtigender Buchstabe werden also hier ohne Weiteres über
den Haufen gestoßen; wer beide wiederfinden will, der arbeite sich
erst durch Jahrhunderte alten Schmutz und Staub der Arroganz
und Unbill. — Der summarische mecklenburgische Adel ist zum gro¬
ßen Theil eine personificirte Anmaßung, die alle bürgerlichen und
Konvenienzverhältnisse unter die Füße treten zu können, ja mitunter
sogar den Gesetzen trotzen zu dürfen glaubt, wie folgendes Erempel
deutlich zeigt, das ein Gemisch von Feudalismus und mecklenburgi¬
schem Adelöstolz bildet. Lache der Leser über jenen mecklenburgischen
Gutsbesitzer, der jüngst das Städtchen Mirow mit bewaffneter Dorf¬
macht belagerte und mit beschwerteter Faust einen seiner Knechte,
der als gesetzwidrig durch die Straßen der Stadt jagender Cham¬
pagnerabgesandter von der Polizei verhaftet wurde, zu befreien kam,
was ihm auch gelungen. —

Morgen werde ich in Gesellschaft gehen. Man hat mir schon
viel von dem in ihr herrschenden Ton erzählt, mich auch über-



Man lacht selbst hier über jenen alten mecklenburgischen bürgerlichen
Gutsbesitzer, der vor einigcnJahrcn es plötzlich für nöthig fand, cinmalausden
Landtag zu steigen, dort im Borsaal die reichgallonirten Diener der Grafen
Hahn :c. vorfand, und nicht anders glaubte, als mitten in der famosen Stan¬
desversammlung zu sein. Dies war indes» Einer vom anvien i'ueiiii-z, unsre,
neuere Generation hier soll entschieden bessere Begriffe über Landtagsversamm¬
lungen und ihre c^-ita haben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267127"/>
          <p xml:id="ID_1392" prev="#ID_1391"> Butter- und Wollmärkten gesprochen, und viel Gelo im Spiel<lb/>
verloren.^)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1393"> Ein Gegenstand hartnäckigen Kampfes zwischen Adel und Bür¬<lb/>
gerschaft sind die drei Landesklöster, deren Verwaltung sich der erstere<lb/>
als ein Vorrecht anmaßt, deren Raum er für seine Tochter be¬<lb/>
stimmt glaubt. Das ist wiederum eine sehr noble Idee der mecklen¬<lb/>
burgischen Noblesse. Die böse Welt behauptet, wenn die Verwaltung<lb/>
dieser Klöster ihren Verwaltern nicht so viele Schnitzeln neben dem<lb/>
ihnen jährlich zufallenden großen Lappen abwürfe, möchte sich der<lb/>
Adel vielleicht nicht so sehr um dies Recht bemühen, daS ihm, mei¬<lb/>
nes Erachtens, doch bald entrissen werden dürfte. Seine Anmaßung<lb/>
strafend, steht aber in den Klvsterordnungen mit deutlichen Lettern:<lb/>
daß sowohl adeligen als bürgerlichen Jungfrauen die<lb/>
Aufnahme in die Klöster gestattet sei. Gesetz und dasselbe<lb/>
vergegenwärtigender Buchstabe werden also hier ohne Weiteres über<lb/>
den Haufen gestoßen; wer beide wiederfinden will, der arbeite sich<lb/>
erst durch Jahrhunderte alten Schmutz und Staub der Arroganz<lb/>
und Unbill. &#x2014; Der summarische mecklenburgische Adel ist zum gro¬<lb/>
ßen Theil eine personificirte Anmaßung, die alle bürgerlichen und<lb/>
Konvenienzverhältnisse unter die Füße treten zu können, ja mitunter<lb/>
sogar den Gesetzen trotzen zu dürfen glaubt, wie folgendes Erempel<lb/>
deutlich zeigt, das ein Gemisch von Feudalismus und mecklenburgi¬<lb/>
schem Adelöstolz bildet. Lache der Leser über jenen mecklenburgischen<lb/>
Gutsbesitzer, der jüngst das Städtchen Mirow mit bewaffneter Dorf¬<lb/>
macht belagerte und mit beschwerteter Faust einen seiner Knechte,<lb/>
der als gesetzwidrig durch die Straßen der Stadt jagender Cham¬<lb/>
pagnerabgesandter von der Polizei verhaftet wurde, zu befreien kam,<lb/>
was ihm auch gelungen. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1394" next="#ID_1395"> Morgen werde ich in Gesellschaft gehen. Man hat mir schon<lb/>
viel von dem in ihr herrschenden Ton erzählt, mich auch über-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_37" place="foot"> Man lacht selbst hier über jenen alten mecklenburgischen bürgerlichen<lb/>
Gutsbesitzer, der vor einigcnJahrcn es plötzlich für nöthig fand, cinmalausden<lb/>
Landtag zu steigen, dort im Borsaal die reichgallonirten Diener der Grafen<lb/>
Hahn :c. vorfand, und nicht anders glaubte, als mitten in der famosen Stan¬<lb/>
desversammlung zu sein. Dies war indes» Einer vom anvien i'ueiiii-z, unsre,<lb/>
neuere Generation hier soll entschieden bessere Begriffe über Landtagsversamm¬<lb/>
lungen und ihre c^-ita haben.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0510] Butter- und Wollmärkten gesprochen, und viel Gelo im Spiel verloren.^) Ein Gegenstand hartnäckigen Kampfes zwischen Adel und Bür¬ gerschaft sind die drei Landesklöster, deren Verwaltung sich der erstere als ein Vorrecht anmaßt, deren Raum er für seine Tochter be¬ stimmt glaubt. Das ist wiederum eine sehr noble Idee der mecklen¬ burgischen Noblesse. Die böse Welt behauptet, wenn die Verwaltung dieser Klöster ihren Verwaltern nicht so viele Schnitzeln neben dem ihnen jährlich zufallenden großen Lappen abwürfe, möchte sich der Adel vielleicht nicht so sehr um dies Recht bemühen, daS ihm, mei¬ nes Erachtens, doch bald entrissen werden dürfte. Seine Anmaßung strafend, steht aber in den Klvsterordnungen mit deutlichen Lettern: daß sowohl adeligen als bürgerlichen Jungfrauen die Aufnahme in die Klöster gestattet sei. Gesetz und dasselbe vergegenwärtigender Buchstabe werden also hier ohne Weiteres über den Haufen gestoßen; wer beide wiederfinden will, der arbeite sich erst durch Jahrhunderte alten Schmutz und Staub der Arroganz und Unbill. — Der summarische mecklenburgische Adel ist zum gro¬ ßen Theil eine personificirte Anmaßung, die alle bürgerlichen und Konvenienzverhältnisse unter die Füße treten zu können, ja mitunter sogar den Gesetzen trotzen zu dürfen glaubt, wie folgendes Erempel deutlich zeigt, das ein Gemisch von Feudalismus und mecklenburgi¬ schem Adelöstolz bildet. Lache der Leser über jenen mecklenburgischen Gutsbesitzer, der jüngst das Städtchen Mirow mit bewaffneter Dorf¬ macht belagerte und mit beschwerteter Faust einen seiner Knechte, der als gesetzwidrig durch die Straßen der Stadt jagender Cham¬ pagnerabgesandter von der Polizei verhaftet wurde, zu befreien kam, was ihm auch gelungen. — Morgen werde ich in Gesellschaft gehen. Man hat mir schon viel von dem in ihr herrschenden Ton erzählt, mich auch über- Man lacht selbst hier über jenen alten mecklenburgischen bürgerlichen Gutsbesitzer, der vor einigcnJahrcn es plötzlich für nöthig fand, cinmalausden Landtag zu steigen, dort im Borsaal die reichgallonirten Diener der Grafen Hahn :c. vorfand, und nicht anders glaubte, als mitten in der famosen Stan¬ desversammlung zu sein. Dies war indes» Einer vom anvien i'ueiiii-z, unsre, neuere Generation hier soll entschieden bessere Begriffe über Landtagsversamm¬ lungen und ihre c^-ita haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/510
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/510>, abgerufen am 26.08.2024.