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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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verwüstete das Land bis an die Mauern von Ciney, worauf der
Amtmann einen ähnlichen Einfall in die Grafschaft Namur unter-
nahm und das Städtchen Jallet zerstörte. Bald nahmen der Bi¬
schof von Lüttich auf der einen und der Graf von Hennegau, so
wie später der Herzog von Brabant, der schon längst mit dem Bi¬
schöfe schlecht stand, auf der andern Seite Antheil an dem Kriege. Von bei¬
den Seiten wurde hartnäckig gekämpft, I5M0 Menschen verloren dabei
ihr Leben, mehrere Schlosser, viele Flecken und Dörfer und eine
große Anzahl Pachthöfe wurden zerstört und der Krieg erreichte erst
sein Ende, als Philipp von Frankreich als Vermittler auftrat.

So wie hier zeigten sich die Wallonen bei jeder Gelegenheit
tapfer und hartnäckig an ihrem vermeintlichen oder wirklichen Rechte
hangend, und so gelang es ihnen, nicht nur stets die alten Rechte
und Freiheiten aufrecht zu erhalten, sondern sie erkämpften sich auch
nach und nach neue, im Verhältniß als Aufklärung und Bildung
fortschritten. -- Der Charakter des selbstbewußten Kraftgefühls hat
den Wallonen bis auf die heutige Zeit nicht verlassei, und noch bei
der Revolution haben die Lütticher durch ihre rasche Entschlossen¬
heit, durch ihr schnelles Vertreten und den muthigen Zug nach
Brüssel, so wie durch die Schlacht bei Se. Walburgis nicht wenig
zum günstigen Ausgangs der Revolution beigetragen.

Die Kleidung deS Wallonen, und ich spreche hier nicht blos
von den Bauern und der untersten Volksklasse, besteht hauptsächlich
in einem blauen leinenen Kittel (blousv), der um so eleganter er¬
scheint, von je feinerem Stoffe und je kürzer und neuer er ist.

Hierzu gesellt sich wo möglich ein glänzender Seidenhut und
modische Beinkleider. Auf solche Weise sieht man in allen kleinen
Städten und selbst noch in Namur die Bürgerklasse gekleidet, welche
in diese Ausstaffirung einen gewissen Stolz setzt, und dadurch jeden¬
falls eine Art kräftige Nationalität beurkundet. So wenig graciös
die eben genannte Kleidung ist, so wenig macht der Wallone auch
in seinem Umgange auf französische Feinheit und Leichtigkeit Anspruch,
in seiaen Sitten wird man eher eine gewisse Roheit und Zurück¬
haltung als die Glätte unb Zuvorkommenheit seiner südlichen Nach¬
barn bemerken. Tadel ist er jedoch gutmüthig und nur höchst sel¬
ten artet ein Streit in der Schenke in eine ernstliche Rauferei aus.
DaS Hauptgetränk war bis auf die neuere Zeit Bier und für die


verwüstete das Land bis an die Mauern von Ciney, worauf der
Amtmann einen ähnlichen Einfall in die Grafschaft Namur unter-
nahm und das Städtchen Jallet zerstörte. Bald nahmen der Bi¬
schof von Lüttich auf der einen und der Graf von Hennegau, so
wie später der Herzog von Brabant, der schon längst mit dem Bi¬
schöfe schlecht stand, auf der andern Seite Antheil an dem Kriege. Von bei¬
den Seiten wurde hartnäckig gekämpft, I5M0 Menschen verloren dabei
ihr Leben, mehrere Schlosser, viele Flecken und Dörfer und eine
große Anzahl Pachthöfe wurden zerstört und der Krieg erreichte erst
sein Ende, als Philipp von Frankreich als Vermittler auftrat.

So wie hier zeigten sich die Wallonen bei jeder Gelegenheit
tapfer und hartnäckig an ihrem vermeintlichen oder wirklichen Rechte
hangend, und so gelang es ihnen, nicht nur stets die alten Rechte
und Freiheiten aufrecht zu erhalten, sondern sie erkämpften sich auch
nach und nach neue, im Verhältniß als Aufklärung und Bildung
fortschritten. — Der Charakter des selbstbewußten Kraftgefühls hat
den Wallonen bis auf die heutige Zeit nicht verlassei, und noch bei
der Revolution haben die Lütticher durch ihre rasche Entschlossen¬
heit, durch ihr schnelles Vertreten und den muthigen Zug nach
Brüssel, so wie durch die Schlacht bei Se. Walburgis nicht wenig
zum günstigen Ausgangs der Revolution beigetragen.

Die Kleidung deS Wallonen, und ich spreche hier nicht blos
von den Bauern und der untersten Volksklasse, besteht hauptsächlich
in einem blauen leinenen Kittel (blousv), der um so eleganter er¬
scheint, von je feinerem Stoffe und je kürzer und neuer er ist.

Hierzu gesellt sich wo möglich ein glänzender Seidenhut und
modische Beinkleider. Auf solche Weise sieht man in allen kleinen
Städten und selbst noch in Namur die Bürgerklasse gekleidet, welche
in diese Ausstaffirung einen gewissen Stolz setzt, und dadurch jeden¬
falls eine Art kräftige Nationalität beurkundet. So wenig graciös
die eben genannte Kleidung ist, so wenig macht der Wallone auch
in seinem Umgange auf französische Feinheit und Leichtigkeit Anspruch,
in seiaen Sitten wird man eher eine gewisse Roheit und Zurück¬
haltung als die Glätte unb Zuvorkommenheit seiner südlichen Nach¬
barn bemerken. Tadel ist er jedoch gutmüthig und nur höchst sel¬
ten artet ein Streit in der Schenke in eine ernstliche Rauferei aus.
DaS Hauptgetränk war bis auf die neuere Zeit Bier und für die


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[0474] verwüstete das Land bis an die Mauern von Ciney, worauf der Amtmann einen ähnlichen Einfall in die Grafschaft Namur unter- nahm und das Städtchen Jallet zerstörte. Bald nahmen der Bi¬ schof von Lüttich auf der einen und der Graf von Hennegau, so wie später der Herzog von Brabant, der schon längst mit dem Bi¬ schöfe schlecht stand, auf der andern Seite Antheil an dem Kriege. Von bei¬ den Seiten wurde hartnäckig gekämpft, I5M0 Menschen verloren dabei ihr Leben, mehrere Schlosser, viele Flecken und Dörfer und eine große Anzahl Pachthöfe wurden zerstört und der Krieg erreichte erst sein Ende, als Philipp von Frankreich als Vermittler auftrat. So wie hier zeigten sich die Wallonen bei jeder Gelegenheit tapfer und hartnäckig an ihrem vermeintlichen oder wirklichen Rechte hangend, und so gelang es ihnen, nicht nur stets die alten Rechte und Freiheiten aufrecht zu erhalten, sondern sie erkämpften sich auch nach und nach neue, im Verhältniß als Aufklärung und Bildung fortschritten. — Der Charakter des selbstbewußten Kraftgefühls hat den Wallonen bis auf die heutige Zeit nicht verlassei, und noch bei der Revolution haben die Lütticher durch ihre rasche Entschlossen¬ heit, durch ihr schnelles Vertreten und den muthigen Zug nach Brüssel, so wie durch die Schlacht bei Se. Walburgis nicht wenig zum günstigen Ausgangs der Revolution beigetragen. Die Kleidung deS Wallonen, und ich spreche hier nicht blos von den Bauern und der untersten Volksklasse, besteht hauptsächlich in einem blauen leinenen Kittel (blousv), der um so eleganter er¬ scheint, von je feinerem Stoffe und je kürzer und neuer er ist. Hierzu gesellt sich wo möglich ein glänzender Seidenhut und modische Beinkleider. Auf solche Weise sieht man in allen kleinen Städten und selbst noch in Namur die Bürgerklasse gekleidet, welche in diese Ausstaffirung einen gewissen Stolz setzt, und dadurch jeden¬ falls eine Art kräftige Nationalität beurkundet. So wenig graciös die eben genannte Kleidung ist, so wenig macht der Wallone auch in seinem Umgange auf französische Feinheit und Leichtigkeit Anspruch, in seiaen Sitten wird man eher eine gewisse Roheit und Zurück¬ haltung als die Glätte unb Zuvorkommenheit seiner südlichen Nach¬ barn bemerken. Tadel ist er jedoch gutmüthig und nur höchst sel¬ ten artet ein Streit in der Schenke in eine ernstliche Rauferei aus. DaS Hauptgetränk war bis auf die neuere Zeit Bier und für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/474>, abgerufen am 26.08.2024.