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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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einem regen Unternehmungsgeiste und einer Lebhaftigkeit des Cha¬
rakters, die überall an Frankreich erinnert.

Viel Wahres enthält jener bekannte Ausspruch: "Das Land
der Wallonen ist das Fegfeuer der Männer und die Hölle der
Frauen." Es versteht sich, daß man mit diesen christlich-mytholo¬
gischen Bezeichnungen den Grad der Arbeit ausdrücken will, zu
dem die beiden Hälften der Bewohner hier gezwungen sind. In
der That, man muß staunen, sieht man an den feuersprühenden.
Hochofen, in den Plattmühlen und Eisenhämmern diese kaum be¬
kleideten, rußigen Gestalten, von dem eigenthümlichen, unheimlichen
Lichte des geschmolzenen oder hellweiß-glühenden Eisens beleuchter,
sich zwischen den sprühenden Funken und vor der lodernden Feuer¬
esse in rühriger Thätigkeit hin und her bewegen, manchmal im
Dunkel verschwinden und dann plötzlich wieder erscheinen, mit einem
strahlenden Eisenblocke, der unter dem gewichtigen Hammer leicht
wie ein nasser Schwamm ausgedrückt und von den glühend abflie¬
ßenden Schlacken gereinigt wird. Bietet sich hier die Vergleichung
mit dem Fegefeuer von selbst dar, so liegt die Steigerung sür das
Loos der Frauen nicht mehr ferne, wenn man das von der Natur
zarter gebildete Geschlecht an Bergwerken und Kohlenschiffen, Klei¬
dung, Gesicht und Hände von dem schmutzigen Staube geschwärzt,
unter den schwersten Lasten gebeugt, einhergehen sieht, wenn man
diese rohen und schmutzigen Ausdrücke hört, dieses gemeine Lachen
vernimmt, was Alles die durch zu schwere Arbeit niedergedrückte
Menschenklasse bezeichnet.

Und wie die" Frauen der untern Stände am Meisten geplagt
scheinen, so ist es auch in der mittlern Klasse wieder das weibliche
Geschlecht, welches sich durch seine Thätigkeit vorzüglich auszeichnet.
Ist eS doch etwas ganz Gewöhnliches, daß erwachsene Töchter selbst
wohlhabender Familien irgend ein Geschäft beginnen und es selbst
nach ihrer Verheirathung nicht aufgeben, so daß hier die Frau ei¬
nes geringer besoldeten Professors Putzmacherin ist, dort eine No¬
tarsfrau einen Handel mit langen Waaren und Seidenzeugen
treibt.

Wo giebt es noch ein Thalbecken, in welchem ein solcher Stru¬
del industrieller Thätigkeit sich drängt, als in dem Maasthale und
seinen Verzweigungen? Diese Masse von Hochöfen, Eisenhämmern


einem regen Unternehmungsgeiste und einer Lebhaftigkeit des Cha¬
rakters, die überall an Frankreich erinnert.

Viel Wahres enthält jener bekannte Ausspruch: „Das Land
der Wallonen ist das Fegfeuer der Männer und die Hölle der
Frauen." Es versteht sich, daß man mit diesen christlich-mytholo¬
gischen Bezeichnungen den Grad der Arbeit ausdrücken will, zu
dem die beiden Hälften der Bewohner hier gezwungen sind. In
der That, man muß staunen, sieht man an den feuersprühenden.
Hochofen, in den Plattmühlen und Eisenhämmern diese kaum be¬
kleideten, rußigen Gestalten, von dem eigenthümlichen, unheimlichen
Lichte des geschmolzenen oder hellweiß-glühenden Eisens beleuchter,
sich zwischen den sprühenden Funken und vor der lodernden Feuer¬
esse in rühriger Thätigkeit hin und her bewegen, manchmal im
Dunkel verschwinden und dann plötzlich wieder erscheinen, mit einem
strahlenden Eisenblocke, der unter dem gewichtigen Hammer leicht
wie ein nasser Schwamm ausgedrückt und von den glühend abflie¬
ßenden Schlacken gereinigt wird. Bietet sich hier die Vergleichung
mit dem Fegefeuer von selbst dar, so liegt die Steigerung sür das
Loos der Frauen nicht mehr ferne, wenn man das von der Natur
zarter gebildete Geschlecht an Bergwerken und Kohlenschiffen, Klei¬
dung, Gesicht und Hände von dem schmutzigen Staube geschwärzt,
unter den schwersten Lasten gebeugt, einhergehen sieht, wenn man
diese rohen und schmutzigen Ausdrücke hört, dieses gemeine Lachen
vernimmt, was Alles die durch zu schwere Arbeit niedergedrückte
Menschenklasse bezeichnet.

Und wie die" Frauen der untern Stände am Meisten geplagt
scheinen, so ist es auch in der mittlern Klasse wieder das weibliche
Geschlecht, welches sich durch seine Thätigkeit vorzüglich auszeichnet.
Ist eS doch etwas ganz Gewöhnliches, daß erwachsene Töchter selbst
wohlhabender Familien irgend ein Geschäft beginnen und es selbst
nach ihrer Verheirathung nicht aufgeben, so daß hier die Frau ei¬
nes geringer besoldeten Professors Putzmacherin ist, dort eine No¬
tarsfrau einen Handel mit langen Waaren und Seidenzeugen
treibt.

Wo giebt es noch ein Thalbecken, in welchem ein solcher Stru¬
del industrieller Thätigkeit sich drängt, als in dem Maasthale und
seinen Verzweigungen? Diese Masse von Hochöfen, Eisenhämmern


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[0471] einem regen Unternehmungsgeiste und einer Lebhaftigkeit des Cha¬ rakters, die überall an Frankreich erinnert. Viel Wahres enthält jener bekannte Ausspruch: „Das Land der Wallonen ist das Fegfeuer der Männer und die Hölle der Frauen." Es versteht sich, daß man mit diesen christlich-mytholo¬ gischen Bezeichnungen den Grad der Arbeit ausdrücken will, zu dem die beiden Hälften der Bewohner hier gezwungen sind. In der That, man muß staunen, sieht man an den feuersprühenden. Hochofen, in den Plattmühlen und Eisenhämmern diese kaum be¬ kleideten, rußigen Gestalten, von dem eigenthümlichen, unheimlichen Lichte des geschmolzenen oder hellweiß-glühenden Eisens beleuchter, sich zwischen den sprühenden Funken und vor der lodernden Feuer¬ esse in rühriger Thätigkeit hin und her bewegen, manchmal im Dunkel verschwinden und dann plötzlich wieder erscheinen, mit einem strahlenden Eisenblocke, der unter dem gewichtigen Hammer leicht wie ein nasser Schwamm ausgedrückt und von den glühend abflie¬ ßenden Schlacken gereinigt wird. Bietet sich hier die Vergleichung mit dem Fegefeuer von selbst dar, so liegt die Steigerung sür das Loos der Frauen nicht mehr ferne, wenn man das von der Natur zarter gebildete Geschlecht an Bergwerken und Kohlenschiffen, Klei¬ dung, Gesicht und Hände von dem schmutzigen Staube geschwärzt, unter den schwersten Lasten gebeugt, einhergehen sieht, wenn man diese rohen und schmutzigen Ausdrücke hört, dieses gemeine Lachen vernimmt, was Alles die durch zu schwere Arbeit niedergedrückte Menschenklasse bezeichnet. Und wie die" Frauen der untern Stände am Meisten geplagt scheinen, so ist es auch in der mittlern Klasse wieder das weibliche Geschlecht, welches sich durch seine Thätigkeit vorzüglich auszeichnet. Ist eS doch etwas ganz Gewöhnliches, daß erwachsene Töchter selbst wohlhabender Familien irgend ein Geschäft beginnen und es selbst nach ihrer Verheirathung nicht aufgeben, so daß hier die Frau ei¬ nes geringer besoldeten Professors Putzmacherin ist, dort eine No¬ tarsfrau einen Handel mit langen Waaren und Seidenzeugen treibt. Wo giebt es noch ein Thalbecken, in welchem ein solcher Stru¬ del industrieller Thätigkeit sich drängt, als in dem Maasthale und seinen Verzweigungen? Diese Masse von Hochöfen, Eisenhämmern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/471>, abgerufen am 26.08.2024.