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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Schönes, ja zuweilen Bedeutendes geleistet wurde, so machte sich doch stets
eine gewisse Einseitigkeit fühlbar. Geschah das Eine, so unterblieb das Andere,
und el" Streben nach allseitiger Vervollkommnung, nach einer Einsetzung aller
Theile in die ihnen gebührende Würde war durchaus nicht vorhanden. Baron
von Taubcnheim führt ein mildes und zugleich streng gerechtes Scepter;
er glüht für die Kunst und achtet den Künstler; er sucht die ihm Untergebenen
nicht durch militärisches Kommando, was früher oft gerade eine entgegenge¬
setzte Wirkung hervorgebracht hat, sondern durch Liebe zum Festhalten an der
Pflicht zu bringen. Er mischt sich nicht in die technischen Details, welche den
freien Ueberblick über das Gesammtwcsen der Kunstanstalt hemmen, und be¬
hauptet so den eigentlichen und wahren Standpunkt des Intendanten.
Desgleichen hat Herr Moritz seinen Beruf als Oberrcgisseur des Theaters in
vollem Umfang erfaßt und benützt die ihm gegebene Stellung nach allen
Richtungen. Ungehemmt in seinem Streben, nicht beengt in seiner Thätigkeit
durch eine Gewalt von Oben, die ihr Vorhandensein aus Eitelkeit, aus Herrsch¬
sucht immer wieder vorschiebt, wenn sie in minder edle Hände gelegt ist, --
unbeschränkt in seinem umfassenden Wirkungskreise regt er mächtig die Flügel
seines Talentes, entwickelt er kräftigst seine Kenntnisse, die Resultate seiner
Studien. Mit dem lobenswcrthestcn Ehrgeize ausgerüstet, setzt er Alles ein,
um zu einem Ziele zu gelangen, das man freilich nur, eisernen Willens bewußt,
mit der größten Strenge gegen vermeintlich wohlerworbene Rechte, gegen
persönliche Anmaßung, dünkelhafte Opposition, Intrigue und Trägheit, aber
auch nur mit der größten Strenge gegen sich selbst erreichen kann. Allen
Rcformationsplänen stellt sich bekanntlich zuerst die Unlust und die vis inurtia"
der Kleingcister und der Herkömmlichen entgegen, aber der Reformator muß
und kann immer nur nach des Volkes Stimme trachten, welche von den Vor-
urtheilöfreien geleitet, nach der Mehrzahl der Erfolge richtet, und den Ein¬
flüssen persönlicher Anfeindung unzugänglich bleibt. Und diese gewichtige Stimme,
-Als die man durch allerlei entfernte und nahe Angrisse, durch Ausstreuungen
in Journalen und in den Eotcrien unserer Stadt zu influiren bemüht war,
spricht sich jetzt unumwunden und entschieden -- an den Früchten erkennend --
für die Bestrebungen und die Handlungsweise des Herrn Moritz aus. Wie
dieser länger schon beim Schauspiel zu neuer Thätigkeit aufzustacheln, den
alten Schlendrian auszumerzen, eine gewisse Totalität in den Productionen
zu bewerkstelligen, alle einzelnen Theile zu einem Gesammtcharakter zu verbin¬
den, und eine gegenseitige Annäherung zwischen Publikum und Bühne durch
Wahl und Einrichtung der Stücke hervorzurufen und zu beseitigen bemüht


Schönes, ja zuweilen Bedeutendes geleistet wurde, so machte sich doch stets
eine gewisse Einseitigkeit fühlbar. Geschah das Eine, so unterblieb das Andere,
und el» Streben nach allseitiger Vervollkommnung, nach einer Einsetzung aller
Theile in die ihnen gebührende Würde war durchaus nicht vorhanden. Baron
von Taubcnheim führt ein mildes und zugleich streng gerechtes Scepter;
er glüht für die Kunst und achtet den Künstler; er sucht die ihm Untergebenen
nicht durch militärisches Kommando, was früher oft gerade eine entgegenge¬
setzte Wirkung hervorgebracht hat, sondern durch Liebe zum Festhalten an der
Pflicht zu bringen. Er mischt sich nicht in die technischen Details, welche den
freien Ueberblick über das Gesammtwcsen der Kunstanstalt hemmen, und be¬
hauptet so den eigentlichen und wahren Standpunkt des Intendanten.
Desgleichen hat Herr Moritz seinen Beruf als Oberrcgisseur des Theaters in
vollem Umfang erfaßt und benützt die ihm gegebene Stellung nach allen
Richtungen. Ungehemmt in seinem Streben, nicht beengt in seiner Thätigkeit
durch eine Gewalt von Oben, die ihr Vorhandensein aus Eitelkeit, aus Herrsch¬
sucht immer wieder vorschiebt, wenn sie in minder edle Hände gelegt ist, —
unbeschränkt in seinem umfassenden Wirkungskreise regt er mächtig die Flügel
seines Talentes, entwickelt er kräftigst seine Kenntnisse, die Resultate seiner
Studien. Mit dem lobenswcrthestcn Ehrgeize ausgerüstet, setzt er Alles ein,
um zu einem Ziele zu gelangen, das man freilich nur, eisernen Willens bewußt,
mit der größten Strenge gegen vermeintlich wohlerworbene Rechte, gegen
persönliche Anmaßung, dünkelhafte Opposition, Intrigue und Trägheit, aber
auch nur mit der größten Strenge gegen sich selbst erreichen kann. Allen
Rcformationsplänen stellt sich bekanntlich zuerst die Unlust und die vis inurtia«
der Kleingcister und der Herkömmlichen entgegen, aber der Reformator muß
und kann immer nur nach des Volkes Stimme trachten, welche von den Vor-
urtheilöfreien geleitet, nach der Mehrzahl der Erfolge richtet, und den Ein¬
flüssen persönlicher Anfeindung unzugänglich bleibt. Und diese gewichtige Stimme,
-Als die man durch allerlei entfernte und nahe Angrisse, durch Ausstreuungen
in Journalen und in den Eotcrien unserer Stadt zu influiren bemüht war,
spricht sich jetzt unumwunden und entschieden — an den Früchten erkennend —
für die Bestrebungen und die Handlungsweise des Herrn Moritz aus. Wie
dieser länger schon beim Schauspiel zu neuer Thätigkeit aufzustacheln, den
alten Schlendrian auszumerzen, eine gewisse Totalität in den Productionen
zu bewerkstelligen, alle einzelnen Theile zu einem Gesammtcharakter zu verbin¬
den, und eine gegenseitige Annäherung zwischen Publikum und Bühne durch
Wahl und Einrichtung der Stücke hervorzurufen und zu beseitigen bemüht


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[0442] Schönes, ja zuweilen Bedeutendes geleistet wurde, so machte sich doch stets eine gewisse Einseitigkeit fühlbar. Geschah das Eine, so unterblieb das Andere, und el» Streben nach allseitiger Vervollkommnung, nach einer Einsetzung aller Theile in die ihnen gebührende Würde war durchaus nicht vorhanden. Baron von Taubcnheim führt ein mildes und zugleich streng gerechtes Scepter; er glüht für die Kunst und achtet den Künstler; er sucht die ihm Untergebenen nicht durch militärisches Kommando, was früher oft gerade eine entgegenge¬ setzte Wirkung hervorgebracht hat, sondern durch Liebe zum Festhalten an der Pflicht zu bringen. Er mischt sich nicht in die technischen Details, welche den freien Ueberblick über das Gesammtwcsen der Kunstanstalt hemmen, und be¬ hauptet so den eigentlichen und wahren Standpunkt des Intendanten. Desgleichen hat Herr Moritz seinen Beruf als Oberrcgisseur des Theaters in vollem Umfang erfaßt und benützt die ihm gegebene Stellung nach allen Richtungen. Ungehemmt in seinem Streben, nicht beengt in seiner Thätigkeit durch eine Gewalt von Oben, die ihr Vorhandensein aus Eitelkeit, aus Herrsch¬ sucht immer wieder vorschiebt, wenn sie in minder edle Hände gelegt ist, — unbeschränkt in seinem umfassenden Wirkungskreise regt er mächtig die Flügel seines Talentes, entwickelt er kräftigst seine Kenntnisse, die Resultate seiner Studien. Mit dem lobenswcrthestcn Ehrgeize ausgerüstet, setzt er Alles ein, um zu einem Ziele zu gelangen, das man freilich nur, eisernen Willens bewußt, mit der größten Strenge gegen vermeintlich wohlerworbene Rechte, gegen persönliche Anmaßung, dünkelhafte Opposition, Intrigue und Trägheit, aber auch nur mit der größten Strenge gegen sich selbst erreichen kann. Allen Rcformationsplänen stellt sich bekanntlich zuerst die Unlust und die vis inurtia« der Kleingcister und der Herkömmlichen entgegen, aber der Reformator muß und kann immer nur nach des Volkes Stimme trachten, welche von den Vor- urtheilöfreien geleitet, nach der Mehrzahl der Erfolge richtet, und den Ein¬ flüssen persönlicher Anfeindung unzugänglich bleibt. Und diese gewichtige Stimme, -Als die man durch allerlei entfernte und nahe Angrisse, durch Ausstreuungen in Journalen und in den Eotcrien unserer Stadt zu influiren bemüht war, spricht sich jetzt unumwunden und entschieden — an den Früchten erkennend — für die Bestrebungen und die Handlungsweise des Herrn Moritz aus. Wie dieser länger schon beim Schauspiel zu neuer Thätigkeit aufzustacheln, den alten Schlendrian auszumerzen, eine gewisse Totalität in den Productionen zu bewerkstelligen, alle einzelnen Theile zu einem Gesammtcharakter zu verbin¬ den, und eine gegenseitige Annäherung zwischen Publikum und Bühne durch Wahl und Einrichtung der Stücke hervorzurufen und zu beseitigen bemüht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/442>, abgerufen am 23.07.2024.