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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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gerückt worden. Diese Straße war damals häßlich und ist es heute
"och mehr. Wir machen diese Bemerkung absichtlich, damit man
uns nicht für einen jener Liebhaber der alten Architektur in Panhas
und Bogen halte, welche in den Gegenständen ihrer Bewunderung
keine Auswahl treffen und sich vor Allem in fanatischer Ehrerbietung
beugen, was eben alt ist. Im Gegentheil hat in unsren Augen
die Kunst nur durch das, was sie ausdrückt, einen Werth. Wenn
sie uns Nichts sagt, so gehen wir vorüber und bedauern es durch¬
aus nicht, wenn der alte Gyps und Kalk fällt, um neuem, wenig¬
stens eleganterem und bewohnbarerem Gyps und Kalk Platz zu machen.
Die einzige Ausnahme von dem Tadel, der die ganze alte bürger¬
liche Architektur Antwerpens trifft, macht vielleicht das Gebäude
des im Jahre I5l)3 ausgebauten Schlachthauses, das mit seinen
Thürmchen an den Seiten einer Festung gleicht und doch wenigstens
die Arbeit nicht deS ersten, besten Maurermeisters, sondern eines noch
auf seine Freiheiten eifersüchtigen Gewerkes scheint.

Mehr Recht auf unsre Achtung in Bezug auf Baukunst Hai
der Antwerpener Handel. Da Antwerpen im sechzehnten Jahrhun¬
dert die höchste Stufe seines Glanzes als Seestadt erreicht hat,
so hat auch diese Epoche ein charakteristisches Zeugniß von sich hin¬
terlassen, daS länger gedauert hat, als dieser vorübergehende Wohl¬
stand. Wir sprechen nämlich von der Börse, die man als daS erste
Gebäude der Art betrachtet, das zur Bequemlichkeit der Handels¬
geschäfte erbaut worden. Der erste Stein dazu ward im Jahre
1531 gelegt, also gerade in demselben Jahre, in dem Gent das
malerische Schifföhcrrnhäus sich erheben sah. Dieses Gebäude nun,
das von Außen an beiden Seiten von Häusern eingeschlossen ist,
besteht eigentlich nur aus einem viereckigen Hof, um dessen vier Seiten
sich eine breite Säulenhalle zieht, die von sehr dünnen, sonderbar
aussehenden Säulen getragen wird. Vier Thüren dienen als
gedeckte Nebenausgänge. Der Styl dieser Säulenreihe erin¬
nert nur in sehr großem Abstand an den Spitzbogenstyl; sie
nähern sich mehr den maurischen Formen und der Baumeister,
dem die unvermeidliche Einfachheit deS Ganzen die Flügel d>r
Einbildungskraft gar sehr beschnitten hatte, hat sich dafür durch me
mannigfache Abwechselung in Zeichnung der Capitäler entschädigt,
in welcher Beziehung er übrigens den Beweis einer ausgezeichnet


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gerückt worden. Diese Straße war damals häßlich und ist es heute
«och mehr. Wir machen diese Bemerkung absichtlich, damit man
uns nicht für einen jener Liebhaber der alten Architektur in Panhas
und Bogen halte, welche in den Gegenständen ihrer Bewunderung
keine Auswahl treffen und sich vor Allem in fanatischer Ehrerbietung
beugen, was eben alt ist. Im Gegentheil hat in unsren Augen
die Kunst nur durch das, was sie ausdrückt, einen Werth. Wenn
sie uns Nichts sagt, so gehen wir vorüber und bedauern es durch¬
aus nicht, wenn der alte Gyps und Kalk fällt, um neuem, wenig¬
stens eleganterem und bewohnbarerem Gyps und Kalk Platz zu machen.
Die einzige Ausnahme von dem Tadel, der die ganze alte bürger¬
liche Architektur Antwerpens trifft, macht vielleicht das Gebäude
des im Jahre I5l)3 ausgebauten Schlachthauses, das mit seinen
Thürmchen an den Seiten einer Festung gleicht und doch wenigstens
die Arbeit nicht deS ersten, besten Maurermeisters, sondern eines noch
auf seine Freiheiten eifersüchtigen Gewerkes scheint.

Mehr Recht auf unsre Achtung in Bezug auf Baukunst Hai
der Antwerpener Handel. Da Antwerpen im sechzehnten Jahrhun¬
dert die höchste Stufe seines Glanzes als Seestadt erreicht hat,
so hat auch diese Epoche ein charakteristisches Zeugniß von sich hin¬
terlassen, daS länger gedauert hat, als dieser vorübergehende Wohl¬
stand. Wir sprechen nämlich von der Börse, die man als daS erste
Gebäude der Art betrachtet, das zur Bequemlichkeit der Handels¬
geschäfte erbaut worden. Der erste Stein dazu ward im Jahre
1531 gelegt, also gerade in demselben Jahre, in dem Gent das
malerische Schifföhcrrnhäus sich erheben sah. Dieses Gebäude nun,
das von Außen an beiden Seiten von Häusern eingeschlossen ist,
besteht eigentlich nur aus einem viereckigen Hof, um dessen vier Seiten
sich eine breite Säulenhalle zieht, die von sehr dünnen, sonderbar
aussehenden Säulen getragen wird. Vier Thüren dienen als
gedeckte Nebenausgänge. Der Styl dieser Säulenreihe erin¬
nert nur in sehr großem Abstand an den Spitzbogenstyl; sie
nähern sich mehr den maurischen Formen und der Baumeister,
dem die unvermeidliche Einfachheit deS Ganzen die Flügel d>r
Einbildungskraft gar sehr beschnitten hatte, hat sich dafür durch me
mannigfache Abwechselung in Zeichnung der Capitäler entschädigt,
in welcher Beziehung er übrigens den Beweis einer ausgezeichnet


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[0419] gerückt worden. Diese Straße war damals häßlich und ist es heute «och mehr. Wir machen diese Bemerkung absichtlich, damit man uns nicht für einen jener Liebhaber der alten Architektur in Panhas und Bogen halte, welche in den Gegenständen ihrer Bewunderung keine Auswahl treffen und sich vor Allem in fanatischer Ehrerbietung beugen, was eben alt ist. Im Gegentheil hat in unsren Augen die Kunst nur durch das, was sie ausdrückt, einen Werth. Wenn sie uns Nichts sagt, so gehen wir vorüber und bedauern es durch¬ aus nicht, wenn der alte Gyps und Kalk fällt, um neuem, wenig¬ stens eleganterem und bewohnbarerem Gyps und Kalk Platz zu machen. Die einzige Ausnahme von dem Tadel, der die ganze alte bürger¬ liche Architektur Antwerpens trifft, macht vielleicht das Gebäude des im Jahre I5l)3 ausgebauten Schlachthauses, das mit seinen Thürmchen an den Seiten einer Festung gleicht und doch wenigstens die Arbeit nicht deS ersten, besten Maurermeisters, sondern eines noch auf seine Freiheiten eifersüchtigen Gewerkes scheint. Mehr Recht auf unsre Achtung in Bezug auf Baukunst Hai der Antwerpener Handel. Da Antwerpen im sechzehnten Jahrhun¬ dert die höchste Stufe seines Glanzes als Seestadt erreicht hat, so hat auch diese Epoche ein charakteristisches Zeugniß von sich hin¬ terlassen, daS länger gedauert hat, als dieser vorübergehende Wohl¬ stand. Wir sprechen nämlich von der Börse, die man als daS erste Gebäude der Art betrachtet, das zur Bequemlichkeit der Handels¬ geschäfte erbaut worden. Der erste Stein dazu ward im Jahre 1531 gelegt, also gerade in demselben Jahre, in dem Gent das malerische Schifföhcrrnhäus sich erheben sah. Dieses Gebäude nun, das von Außen an beiden Seiten von Häusern eingeschlossen ist, besteht eigentlich nur aus einem viereckigen Hof, um dessen vier Seiten sich eine breite Säulenhalle zieht, die von sehr dünnen, sonderbar aussehenden Säulen getragen wird. Vier Thüren dienen als gedeckte Nebenausgänge. Der Styl dieser Säulenreihe erin¬ nert nur in sehr großem Abstand an den Spitzbogenstyl; sie nähern sich mehr den maurischen Formen und der Baumeister, dem die unvermeidliche Einfachheit deS Ganzen die Flügel d>r Einbildungskraft gar sehr beschnitten hatte, hat sich dafür durch me mannigfache Abwechselung in Zeichnung der Capitäler entschädigt, in welcher Beziehung er übrigens den Beweis einer ausgezeichnet 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/419>, abgerufen am 26.08.2024.