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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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In dieser Se. Jakobus-Kirche giebt es einige gute Gemälde
vorzüglich dasjenige, das über dem Grabstein des Malers Van
Balen hängt. Das Bildniß dieses Künstlers und seiner Gemahlin,
in einem Medaillon, ist eins der schönsten und vollendetsten, die
man sehen kann.

Auch über die Se. Paulus-Kirche will ich einige Worte hier
sagen, obgleich sie durch ihre Architektur auch nicht den mindesten
Anspruch auf Auszeichnung machen kann. Denn kaum kann man
den Styl bestimmen, dem der kleine untersetzte Glockenthum ange¬
hört, der sich kaum über das Dach erhebt. Ein innerer Hof, den
diese Kirche besitzt und der in einen Calvarienberg umgewandelt
worden, ist wohl der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Man begreift
kaum, wie neben so vieler Kunst, die der Katholicismus hervorge¬
bracht, auch so viel Barbarisches Platz finden konnte. Wenn man
die abscheulichen Bildsäuleu aus Gyps sieht, welche diesen Calva¬
rienberg überfüllen, diese fast komischen Nachahmungen von Felsen,
diese namenlose Mischung von dicken Wolken, von Gyps-Strahlen
lind von illuminirten Engelsgesichtern, so möchte man doch sicherlich
nicht glaube", daß dies von demselben Cultus herrührt, der anders¬
wo zu den erhabensten Meisterwerken begeistert hat. Eine besondre
Eigenthümlichkeit dieser Kirche ist noch, daß das Schiff blos von einer
Seite her Licht erhält. Die Mauern sind alle mit Holzwerk verziert: das
auf der linken Seite mit Inbegriff der Chorstühle ist in dem eleganten
Styl, der dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts angehört;'das auf
der rechten Seite dagegen, schwerfällig und schlecht gearbeitet, rührt
offenbar aus einer späteren Zeit her. Das Bemerkenswertheste in
dieser Kirche ist ein sehr schönes Gemälde von Rubens, die Geiße¬
lung, von dem man auch eine Copie sieht, die ziemlich gut ist,
obgleich der Pinselstrich derselben ein wenig schlaff ist.

Von neueren Kirchen zieht nur eine einzige unsre Aufmerksam¬
keit an; es ist die Jesuitenkirche. Sie ward im Jahre 1614 begon¬
nen und im Jahre 1621 vollendet: zwei Daten, die beredter sind,
als jede Schilderung. Man erkennt an diesen Zahlen, daß der
Katholicismus der Zeit schon fern stand, wo der Glaube so stark
war, daß ein Werk, zu dessen Vollendung Jahrhunderte erforderlich
waren, von Generation zu Generation überliefert und fortgesetzt
ward. Die Jesuitenkirchcn aller Länder haben alle etwas Etnför-


In dieser Se. Jakobus-Kirche giebt es einige gute Gemälde
vorzüglich dasjenige, das über dem Grabstein des Malers Van
Balen hängt. Das Bildniß dieses Künstlers und seiner Gemahlin,
in einem Medaillon, ist eins der schönsten und vollendetsten, die
man sehen kann.

Auch über die Se. Paulus-Kirche will ich einige Worte hier
sagen, obgleich sie durch ihre Architektur auch nicht den mindesten
Anspruch auf Auszeichnung machen kann. Denn kaum kann man
den Styl bestimmen, dem der kleine untersetzte Glockenthum ange¬
hört, der sich kaum über das Dach erhebt. Ein innerer Hof, den
diese Kirche besitzt und der in einen Calvarienberg umgewandelt
worden, ist wohl der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Man begreift
kaum, wie neben so vieler Kunst, die der Katholicismus hervorge¬
bracht, auch so viel Barbarisches Platz finden konnte. Wenn man
die abscheulichen Bildsäuleu aus Gyps sieht, welche diesen Calva¬
rienberg überfüllen, diese fast komischen Nachahmungen von Felsen,
diese namenlose Mischung von dicken Wolken, von Gyps-Strahlen
lind von illuminirten Engelsgesichtern, so möchte man doch sicherlich
nicht glaube», daß dies von demselben Cultus herrührt, der anders¬
wo zu den erhabensten Meisterwerken begeistert hat. Eine besondre
Eigenthümlichkeit dieser Kirche ist noch, daß das Schiff blos von einer
Seite her Licht erhält. Die Mauern sind alle mit Holzwerk verziert: das
auf der linken Seite mit Inbegriff der Chorstühle ist in dem eleganten
Styl, der dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts angehört;'das auf
der rechten Seite dagegen, schwerfällig und schlecht gearbeitet, rührt
offenbar aus einer späteren Zeit her. Das Bemerkenswertheste in
dieser Kirche ist ein sehr schönes Gemälde von Rubens, die Geiße¬
lung, von dem man auch eine Copie sieht, die ziemlich gut ist,
obgleich der Pinselstrich derselben ein wenig schlaff ist.

Von neueren Kirchen zieht nur eine einzige unsre Aufmerksam¬
keit an; es ist die Jesuitenkirche. Sie ward im Jahre 1614 begon¬
nen und im Jahre 1621 vollendet: zwei Daten, die beredter sind,
als jede Schilderung. Man erkennt an diesen Zahlen, daß der
Katholicismus der Zeit schon fern stand, wo der Glaube so stark
war, daß ein Werk, zu dessen Vollendung Jahrhunderte erforderlich
waren, von Generation zu Generation überliefert und fortgesetzt
ward. Die Jesuitenkirchcn aller Länder haben alle etwas Etnför-


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[0416] In dieser Se. Jakobus-Kirche giebt es einige gute Gemälde vorzüglich dasjenige, das über dem Grabstein des Malers Van Balen hängt. Das Bildniß dieses Künstlers und seiner Gemahlin, in einem Medaillon, ist eins der schönsten und vollendetsten, die man sehen kann. Auch über die Se. Paulus-Kirche will ich einige Worte hier sagen, obgleich sie durch ihre Architektur auch nicht den mindesten Anspruch auf Auszeichnung machen kann. Denn kaum kann man den Styl bestimmen, dem der kleine untersetzte Glockenthum ange¬ hört, der sich kaum über das Dach erhebt. Ein innerer Hof, den diese Kirche besitzt und der in einen Calvarienberg umgewandelt worden, ist wohl der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Man begreift kaum, wie neben so vieler Kunst, die der Katholicismus hervorge¬ bracht, auch so viel Barbarisches Platz finden konnte. Wenn man die abscheulichen Bildsäuleu aus Gyps sieht, welche diesen Calva¬ rienberg überfüllen, diese fast komischen Nachahmungen von Felsen, diese namenlose Mischung von dicken Wolken, von Gyps-Strahlen lind von illuminirten Engelsgesichtern, so möchte man doch sicherlich nicht glaube», daß dies von demselben Cultus herrührt, der anders¬ wo zu den erhabensten Meisterwerken begeistert hat. Eine besondre Eigenthümlichkeit dieser Kirche ist noch, daß das Schiff blos von einer Seite her Licht erhält. Die Mauern sind alle mit Holzwerk verziert: das auf der linken Seite mit Inbegriff der Chorstühle ist in dem eleganten Styl, der dem Anfang des siebzehnten Jahrhunderts angehört;'das auf der rechten Seite dagegen, schwerfällig und schlecht gearbeitet, rührt offenbar aus einer späteren Zeit her. Das Bemerkenswertheste in dieser Kirche ist ein sehr schönes Gemälde von Rubens, die Geiße¬ lung, von dem man auch eine Copie sieht, die ziemlich gut ist, obgleich der Pinselstrich derselben ein wenig schlaff ist. Von neueren Kirchen zieht nur eine einzige unsre Aufmerksam¬ keit an; es ist die Jesuitenkirche. Sie ward im Jahre 1614 begon¬ nen und im Jahre 1621 vollendet: zwei Daten, die beredter sind, als jede Schilderung. Man erkennt an diesen Zahlen, daß der Katholicismus der Zeit schon fern stand, wo der Glaube so stark war, daß ein Werk, zu dessen Vollendung Jahrhunderte erforderlich waren, von Generation zu Generation überliefert und fortgesetzt ward. Die Jesuitenkirchcn aller Länder haben alle etwas Etnför-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/416>, abgerufen am 26.08.2024.