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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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den, so wäre man doch hieraus allein späterhin zu dem vollkommen
wahren Schlüsse berechtigt, daß der Baumeister dieses schönen Werkes
alle Phasen der christlichen Baukunst an sich hat vorbeigehen sehen.
Und es ,ist gut, daß man dieses zu erkennen vermag; denn, wenn es
irgend möglich wäre, die Nachwelt auf eine falsche Spur zu brin¬
gen, welche Verwirrung würden da nicht die eben so verschieden¬
artigen als zahlreichen Nachbildungen unserer Zeit in die Geschichte
hineinbringen.

Wie fast alle großen Kirchen Belgiens, ist auch die Unsrer
Lieben Frauen zu Antwerpen mit ausgezeichneten Gemälden geziert.
Außerdem hat sie noch den unschätzbaren Vortheil, daß sie die be¬
rühmte KreuzeSab nähme von Rubens besitzt. Ich war neu¬
gierig, mich durch eigene Anschauung zu überzeugen, was an den
Gerüchten Wahres sei, welche im Publikum über den Zustand des
Verfalles umliefen, in dem sich dies herrliche Bild befinden solle.
Es ist leider nur zu wahr, daß es durch die Feuchtigkeit der Kirche
sehr viel gelitten hat, obgleich, Gott sei Dank, dem Unglück noch
abgeholfen werden kann. Ueberdem erlaubt auch der Staub, der
sich langsam auf der Oberfläche angehäuft hat, kaum noch das ge¬
waltige Colorit deutlich zu unterscheiden, besonders bei den mehr in
Schatten gestellten Partien. Wir gehören nun zwar nicht zu den¬
jenigen, welche der Meinung sind, man solle den Kirchen ihre Ge¬
mälde rauben, um die Musen damit zu bereichern. Die religiösen
Gemälve sind, unsrer Ansicht nach, unter den Gewölben der katholi¬
schen Tempel ganz am rechten Platze, und sie tragen nicht wenig
zu dem Pomp eines Gottesdienstes bei, dessen Großartiges ja selbst
der Protestantismus der neuesten Zeiten wieder zu wünschen be¬
gonnen hat. Trotz dessen aber wünschen wir, es möge die Regie¬
rung, insofern es die Kunstgegenstände betrifft, ihre aufgeklärte
Oberaufsicht und Ueberwachung auf alle Orte ausdehnen können,
in denen die schönsten nationalen Kleinodien Belgiens aufbewahrt
sind. Wenn es wirklich Noth thut, die Kreuzesabnahme auf Leine¬
wand aufziehen zu lassen, d. h. Rubens' Meisterwerk von Holz auf
Leinewand zu übertragen, so ist es Zeit, daß die Regierung den
Unentschiedenheiten und Meinungsconflicten, welche diese überaus
zarte Arbeit noch verzögern, ein Ende mache. Wir glauben, daß sie
allein im Stande ist, diese Arbeit mit allem nöthigen und our-


den, so wäre man doch hieraus allein späterhin zu dem vollkommen
wahren Schlüsse berechtigt, daß der Baumeister dieses schönen Werkes
alle Phasen der christlichen Baukunst an sich hat vorbeigehen sehen.
Und es ,ist gut, daß man dieses zu erkennen vermag; denn, wenn es
irgend möglich wäre, die Nachwelt auf eine falsche Spur zu brin¬
gen, welche Verwirrung würden da nicht die eben so verschieden¬
artigen als zahlreichen Nachbildungen unserer Zeit in die Geschichte
hineinbringen.

Wie fast alle großen Kirchen Belgiens, ist auch die Unsrer
Lieben Frauen zu Antwerpen mit ausgezeichneten Gemälden geziert.
Außerdem hat sie noch den unschätzbaren Vortheil, daß sie die be¬
rühmte KreuzeSab nähme von Rubens besitzt. Ich war neu¬
gierig, mich durch eigene Anschauung zu überzeugen, was an den
Gerüchten Wahres sei, welche im Publikum über den Zustand des
Verfalles umliefen, in dem sich dies herrliche Bild befinden solle.
Es ist leider nur zu wahr, daß es durch die Feuchtigkeit der Kirche
sehr viel gelitten hat, obgleich, Gott sei Dank, dem Unglück noch
abgeholfen werden kann. Ueberdem erlaubt auch der Staub, der
sich langsam auf der Oberfläche angehäuft hat, kaum noch das ge¬
waltige Colorit deutlich zu unterscheiden, besonders bei den mehr in
Schatten gestellten Partien. Wir gehören nun zwar nicht zu den¬
jenigen, welche der Meinung sind, man solle den Kirchen ihre Ge¬
mälde rauben, um die Musen damit zu bereichern. Die religiösen
Gemälve sind, unsrer Ansicht nach, unter den Gewölben der katholi¬
schen Tempel ganz am rechten Platze, und sie tragen nicht wenig
zu dem Pomp eines Gottesdienstes bei, dessen Großartiges ja selbst
der Protestantismus der neuesten Zeiten wieder zu wünschen be¬
gonnen hat. Trotz dessen aber wünschen wir, es möge die Regie¬
rung, insofern es die Kunstgegenstände betrifft, ihre aufgeklärte
Oberaufsicht und Ueberwachung auf alle Orte ausdehnen können,
in denen die schönsten nationalen Kleinodien Belgiens aufbewahrt
sind. Wenn es wirklich Noth thut, die Kreuzesabnahme auf Leine¬
wand aufziehen zu lassen, d. h. Rubens' Meisterwerk von Holz auf
Leinewand zu übertragen, so ist es Zeit, daß die Regierung den
Unentschiedenheiten und Meinungsconflicten, welche diese überaus
zarte Arbeit noch verzögern, ein Ende mache. Wir glauben, daß sie
allein im Stande ist, diese Arbeit mit allem nöthigen und our-


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[0414] den, so wäre man doch hieraus allein späterhin zu dem vollkommen wahren Schlüsse berechtigt, daß der Baumeister dieses schönen Werkes alle Phasen der christlichen Baukunst an sich hat vorbeigehen sehen. Und es ,ist gut, daß man dieses zu erkennen vermag; denn, wenn es irgend möglich wäre, die Nachwelt auf eine falsche Spur zu brin¬ gen, welche Verwirrung würden da nicht die eben so verschieden¬ artigen als zahlreichen Nachbildungen unserer Zeit in die Geschichte hineinbringen. Wie fast alle großen Kirchen Belgiens, ist auch die Unsrer Lieben Frauen zu Antwerpen mit ausgezeichneten Gemälden geziert. Außerdem hat sie noch den unschätzbaren Vortheil, daß sie die be¬ rühmte KreuzeSab nähme von Rubens besitzt. Ich war neu¬ gierig, mich durch eigene Anschauung zu überzeugen, was an den Gerüchten Wahres sei, welche im Publikum über den Zustand des Verfalles umliefen, in dem sich dies herrliche Bild befinden solle. Es ist leider nur zu wahr, daß es durch die Feuchtigkeit der Kirche sehr viel gelitten hat, obgleich, Gott sei Dank, dem Unglück noch abgeholfen werden kann. Ueberdem erlaubt auch der Staub, der sich langsam auf der Oberfläche angehäuft hat, kaum noch das ge¬ waltige Colorit deutlich zu unterscheiden, besonders bei den mehr in Schatten gestellten Partien. Wir gehören nun zwar nicht zu den¬ jenigen, welche der Meinung sind, man solle den Kirchen ihre Ge¬ mälde rauben, um die Musen damit zu bereichern. Die religiösen Gemälve sind, unsrer Ansicht nach, unter den Gewölben der katholi¬ schen Tempel ganz am rechten Platze, und sie tragen nicht wenig zu dem Pomp eines Gottesdienstes bei, dessen Großartiges ja selbst der Protestantismus der neuesten Zeiten wieder zu wünschen be¬ gonnen hat. Trotz dessen aber wünschen wir, es möge die Regie¬ rung, insofern es die Kunstgegenstände betrifft, ihre aufgeklärte Oberaufsicht und Ueberwachung auf alle Orte ausdehnen können, in denen die schönsten nationalen Kleinodien Belgiens aufbewahrt sind. Wenn es wirklich Noth thut, die Kreuzesabnahme auf Leine¬ wand aufziehen zu lassen, d. h. Rubens' Meisterwerk von Holz auf Leinewand zu übertragen, so ist es Zeit, daß die Regierung den Unentschiedenheiten und Meinungsconflicten, welche diese überaus zarte Arbeit noch verzögern, ein Ende mache. Wir glauben, daß sie allein im Stande ist, diese Arbeit mit allem nöthigen und our-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/414>, abgerufen am 26.08.2024.