Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.moralische Bedeutung: es soll hiermit vielmehr angezeigt sein, wie Giebt es nun wohl viele neuere, frcmzöstsche oder deutsche 26
moralische Bedeutung: es soll hiermit vielmehr angezeigt sein, wie Giebt es nun wohl viele neuere, frcmzöstsche oder deutsche 26
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267010"/> <p xml:id="ID_1115" prev="#ID_1114"> moralische Bedeutung: es soll hiermit vielmehr angezeigt sein, wie<lb/> für den Verbrecher Alles zu Gift wird und wie das, was dem<lb/> Munde des Unschuldigen eine Kühlung ist, für den Gaumen des<lb/> Bösewtchts ein brennendes Feuer wird: zudem ist es eine vorbereitende<lb/> Anzeige des ewigen Höllenfeuerö, dem der Mörder unfehlbar an¬<lb/> heimfallen muß. Die Scene, wo Pierrot keck und verwegen der<lb/> Gegenwart des Gespenstes trotzt, und die Kleider, die er ihm ge¬<lb/> stohlen, an es selbst zurückverkaufen will, zeigt durch ihre beispiellose<lb/> Kühnheit, daß die Katastrophe nahe sein müsse und daß die Teufel<lb/> unten am Feuer schon schüren. Pierrot, eine Art Don Juan, for¬<lb/> dert des Himmels Zorn heraus: seine sündige Verhärtung hat ihren<lb/> höchsten Grad erreicht; daher erscheint auch das rächende Gespenst<lb/> wieder, wie er die Herzogin zu Heimchen im Begriffe steht und dies<lb/> Mal vermag er nicht mehr, es in den Abgrund zurückzudrängen,<lb/> aus dem es emporgestiegen. Es ist dies eine sehr sinnige Allegorie,<lb/> welche darthut, daß ein jedes Verbrechen trotz aller Kühnheit, trotz<lb/> aller Geistesgegenwart und Kaltblütigkeit des Missethäters doch früh<lb/> oder spät entdeckt wird. Dieser höllische Walzer und die Säbelspitze,<lb/> welche, nachdem sie den Körpers des Kleiderhändlers durchbohrt, auch<lb/> in Pierrot's Brust dringt und ihn gänzlich durchsticht, lehren uns,<lb/> daß die Menschen durch ihr eigenes Verbrechen bestraft werden,<lb/> und daß der Dolch, womit ein Mörder sein Schlachtopfer trifft,<lb/> noch tiefer in sein eigenes Herz sich einbohrt. Das Erstaunen der<lb/> Verwandten der Herzogin, als sie dieses Wunder erblicken, zeigt<lb/> deutlich, welchen Gefahren Herzoginnen sich aussetzen, wenn sie<lb/> Pierrot's heirathen, ohne vorher Erkundigungen einzuziehen und die<lb/> Zuschauer werden dadurch gemahnt, 'in ihren eigenen gesellschaftlichen<lb/> Beziehungen mit mehr Vorsicht zu verfahren. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1116"> Giebt es nun wohl viele neuere, frcmzöstsche oder deutsche<lb/> Trauerspiele, deren Analyse ein so reichhaltiges Resultat liefern<lb/> würde und die sich selbst unter dem Prüfstein der Kritik so probe-<lb/> haltig erweisen würden?</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 26</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
moralische Bedeutung: es soll hiermit vielmehr angezeigt sein, wie
für den Verbrecher Alles zu Gift wird und wie das, was dem
Munde des Unschuldigen eine Kühlung ist, für den Gaumen des
Bösewtchts ein brennendes Feuer wird: zudem ist es eine vorbereitende
Anzeige des ewigen Höllenfeuerö, dem der Mörder unfehlbar an¬
heimfallen muß. Die Scene, wo Pierrot keck und verwegen der
Gegenwart des Gespenstes trotzt, und die Kleider, die er ihm ge¬
stohlen, an es selbst zurückverkaufen will, zeigt durch ihre beispiellose
Kühnheit, daß die Katastrophe nahe sein müsse und daß die Teufel
unten am Feuer schon schüren. Pierrot, eine Art Don Juan, for¬
dert des Himmels Zorn heraus: seine sündige Verhärtung hat ihren
höchsten Grad erreicht; daher erscheint auch das rächende Gespenst
wieder, wie er die Herzogin zu Heimchen im Begriffe steht und dies
Mal vermag er nicht mehr, es in den Abgrund zurückzudrängen,
aus dem es emporgestiegen. Es ist dies eine sehr sinnige Allegorie,
welche darthut, daß ein jedes Verbrechen trotz aller Kühnheit, trotz
aller Geistesgegenwart und Kaltblütigkeit des Missethäters doch früh
oder spät entdeckt wird. Dieser höllische Walzer und die Säbelspitze,
welche, nachdem sie den Körpers des Kleiderhändlers durchbohrt, auch
in Pierrot's Brust dringt und ihn gänzlich durchsticht, lehren uns,
daß die Menschen durch ihr eigenes Verbrechen bestraft werden,
und daß der Dolch, womit ein Mörder sein Schlachtopfer trifft,
noch tiefer in sein eigenes Herz sich einbohrt. Das Erstaunen der
Verwandten der Herzogin, als sie dieses Wunder erblicken, zeigt
deutlich, welchen Gefahren Herzoginnen sich aussetzen, wenn sie
Pierrot's heirathen, ohne vorher Erkundigungen einzuziehen und die
Zuschauer werden dadurch gemahnt, 'in ihren eigenen gesellschaftlichen
Beziehungen mit mehr Vorsicht zu verfahren. —
Giebt es nun wohl viele neuere, frcmzöstsche oder deutsche
Trauerspiele, deren Analyse ein so reichhaltiges Resultat liefern
würde und die sich selbst unter dem Prüfstein der Kritik so probe-
haltig erweisen würden?
26
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |