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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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sein Herr, antwortet ihm auf seine Geldforderungen mit einem un-
widerleglicher Argument, nämlich mit einem jener Fußstöße, wodurch
der Dialog dieser Pantomimenstücke oft so sehr belebt wird. Armer
Pierrot, wie traurig ist Deine Lage! Gleich Leporello bekommst Du:


Schläge nur bei Tag' und Nacht,
Schmale Kost und nimmer Geld!

Nein, da ist es kein Wunder, daß der arme Teufel so bleich
ist: es gehört nicht so viel dazu, um seine rothe Farbe zu verlieren.
Und obendrein ist der unglückliche Pierrot noch verliebt, aber nicht
etwa in ColumbtnenS niedliches Schnäutzchen und in ihren viereckigen
Rock, sondern er ist hinaufgestiegen zu den Töchtern der Elohim, wie
einst die Söhne der Elohim hinabgestiegen sind zu den schönen
Töchtern der schwachen Menschen. Er hat eine vornehme, sehr
vornehme Dame, eine Herzogin einmal aus ihrem Wagen steigen
sehen, um in eine Kirche oder in's Opernhaus, ich weiß nicht genau
wohin, zu treten: und da hat er denn seines Herzens Leere ge¬
fühlt. In Folge seines Liebesgrames und seiner gezwungenen Fasten,
fürchtet Pierrot, möge sein reizender Körper zu Schaden kommen;
er betastet seine Nase, die sehr mager geworden, und seine Beine,
die so dürre sind, wie die Arme einer Tänzerin. Dies Alles aber
stößt ihm noch keine ernstliche Besorgniß ein; denn ein bleicher und
magerer Liebhaber ist nur um so interessanter. Aber er möchte gern
unter Leute kommen, in Gesellschaften gehen, um seine angebetete
Herzogin zu sehen. Nun besitzt Pierrot aber keine andern Kleidungs¬
stücke, als seine geflickten Hosen und seinen Kittel von roher, grauer
Leinwand. Geh' einmal Einer in einem solchen Aufzuge in die
Abendgesellschaften einer Herzogin! Keine Kleider, kein Geld ; was
ist da anzufangen? Wie soll er in jene geheimnißvollen Paradies¬
gärten dringen, in denen Alles von blitzenden Krystall-Lustr<'ö, von
rosenfarbenen Kerzen, von Frauen und Blumen strahlt und flammt
und deren Glanz er durch die hell erleuchteten Fenster des Hütelö
hindurch schimmern sieht? Armer, verliebter Pierrot!

Während er nun diesen traurigen Gedanken nachhängt, die
Götter, das Geschick und sein Loos anklagt, geht ein Kleiderhändler
vorbet, der allerhand mehr oder minder stattliche Kleidungsstücke
trägt. "Ach! wenn ich doch diesen apfelgrünen Frack und dieses
schöne, bauschige Beinkleid hätte," sagt Pierrot zu sich selbst, und


sein Herr, antwortet ihm auf seine Geldforderungen mit einem un-
widerleglicher Argument, nämlich mit einem jener Fußstöße, wodurch
der Dialog dieser Pantomimenstücke oft so sehr belebt wird. Armer
Pierrot, wie traurig ist Deine Lage! Gleich Leporello bekommst Du:


Schläge nur bei Tag' und Nacht,
Schmale Kost und nimmer Geld!

Nein, da ist es kein Wunder, daß der arme Teufel so bleich
ist: es gehört nicht so viel dazu, um seine rothe Farbe zu verlieren.
Und obendrein ist der unglückliche Pierrot noch verliebt, aber nicht
etwa in ColumbtnenS niedliches Schnäutzchen und in ihren viereckigen
Rock, sondern er ist hinaufgestiegen zu den Töchtern der Elohim, wie
einst die Söhne der Elohim hinabgestiegen sind zu den schönen
Töchtern der schwachen Menschen. Er hat eine vornehme, sehr
vornehme Dame, eine Herzogin einmal aus ihrem Wagen steigen
sehen, um in eine Kirche oder in's Opernhaus, ich weiß nicht genau
wohin, zu treten: und da hat er denn seines Herzens Leere ge¬
fühlt. In Folge seines Liebesgrames und seiner gezwungenen Fasten,
fürchtet Pierrot, möge sein reizender Körper zu Schaden kommen;
er betastet seine Nase, die sehr mager geworden, und seine Beine,
die so dürre sind, wie die Arme einer Tänzerin. Dies Alles aber
stößt ihm noch keine ernstliche Besorgniß ein; denn ein bleicher und
magerer Liebhaber ist nur um so interessanter. Aber er möchte gern
unter Leute kommen, in Gesellschaften gehen, um seine angebetete
Herzogin zu sehen. Nun besitzt Pierrot aber keine andern Kleidungs¬
stücke, als seine geflickten Hosen und seinen Kittel von roher, grauer
Leinwand. Geh' einmal Einer in einem solchen Aufzuge in die
Abendgesellschaften einer Herzogin! Keine Kleider, kein Geld ; was
ist da anzufangen? Wie soll er in jene geheimnißvollen Paradies¬
gärten dringen, in denen Alles von blitzenden Krystall-Lustr<'ö, von
rosenfarbenen Kerzen, von Frauen und Blumen strahlt und flammt
und deren Glanz er durch die hell erleuchteten Fenster des Hütelö
hindurch schimmern sieht? Armer, verliebter Pierrot!

Während er nun diesen traurigen Gedanken nachhängt, die
Götter, das Geschick und sein Loos anklagt, geht ein Kleiderhändler
vorbet, der allerhand mehr oder minder stattliche Kleidungsstücke
trägt. „Ach! wenn ich doch diesen apfelgrünen Frack und dieses
schöne, bauschige Beinkleid hätte," sagt Pierrot zu sich selbst, und


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[0384] sein Herr, antwortet ihm auf seine Geldforderungen mit einem un- widerleglicher Argument, nämlich mit einem jener Fußstöße, wodurch der Dialog dieser Pantomimenstücke oft so sehr belebt wird. Armer Pierrot, wie traurig ist Deine Lage! Gleich Leporello bekommst Du: Schläge nur bei Tag' und Nacht, Schmale Kost und nimmer Geld! Nein, da ist es kein Wunder, daß der arme Teufel so bleich ist: es gehört nicht so viel dazu, um seine rothe Farbe zu verlieren. Und obendrein ist der unglückliche Pierrot noch verliebt, aber nicht etwa in ColumbtnenS niedliches Schnäutzchen und in ihren viereckigen Rock, sondern er ist hinaufgestiegen zu den Töchtern der Elohim, wie einst die Söhne der Elohim hinabgestiegen sind zu den schönen Töchtern der schwachen Menschen. Er hat eine vornehme, sehr vornehme Dame, eine Herzogin einmal aus ihrem Wagen steigen sehen, um in eine Kirche oder in's Opernhaus, ich weiß nicht genau wohin, zu treten: und da hat er denn seines Herzens Leere ge¬ fühlt. In Folge seines Liebesgrames und seiner gezwungenen Fasten, fürchtet Pierrot, möge sein reizender Körper zu Schaden kommen; er betastet seine Nase, die sehr mager geworden, und seine Beine, die so dürre sind, wie die Arme einer Tänzerin. Dies Alles aber stößt ihm noch keine ernstliche Besorgniß ein; denn ein bleicher und magerer Liebhaber ist nur um so interessanter. Aber er möchte gern unter Leute kommen, in Gesellschaften gehen, um seine angebetete Herzogin zu sehen. Nun besitzt Pierrot aber keine andern Kleidungs¬ stücke, als seine geflickten Hosen und seinen Kittel von roher, grauer Leinwand. Geh' einmal Einer in einem solchen Aufzuge in die Abendgesellschaften einer Herzogin! Keine Kleider, kein Geld ; was ist da anzufangen? Wie soll er in jene geheimnißvollen Paradies¬ gärten dringen, in denen Alles von blitzenden Krystall-Lustr<'ö, von rosenfarbenen Kerzen, von Frauen und Blumen strahlt und flammt und deren Glanz er durch die hell erleuchteten Fenster des Hütelö hindurch schimmern sieht? Armer, verliebter Pierrot! Während er nun diesen traurigen Gedanken nachhängt, die Götter, das Geschick und sein Loos anklagt, geht ein Kleiderhändler vorbet, der allerhand mehr oder minder stattliche Kleidungsstücke trägt. „Ach! wenn ich doch diesen apfelgrünen Frack und dieses schöne, bauschige Beinkleid hätte," sagt Pierrot zu sich selbst, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/384>, abgerufen am 23.07.2024.