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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Bald auch lagen wir an den Fenstern des Gasthauses "zum alten
Keller," zu unsern Füßen rollte der Rhein, in der Ferne das wun¬
derherrliche Panorama des Siebengebira.es. Vergebens suchten uns
einige andre im Saale befindliche Fremde in ihr Gespräch zu
ziehen, das sich um die Tagespolitik drehte: was gingen uns in
diesem Augenblicke die ephemeren, politischen Sorgen der Menschen
an? Unsre Seele war ganz von dem herrlichen Schauspiele in
Anspruch genommen, das sich vor unseren Augen hindehnte.

Schöne Natur! Welcher Sterbliche kann es wagen, die eben
so zahlreichen als mannigfachen Gemälde zu reproduciren, die Du
seiner Beschauung darbietest! -- Nachdem Du uns schon durch
einen schonen Tag erfreutest, verdoppelst Du unsre Genüsse noch durch
einen noch herrlicheren Abend.

Kein Lüftchen regte sich in den Höhen, ausgenommen jener
schwache Hauch, der ein steter Begleiter des Abends zu sein scheint.
Der breite Spiegel des Rheins strahlte getreulich Alles wieder ab,
was über ihm am gestirnten Himmel und an seinen Ufern auf der
blühenden Erde stand. Ein graulicher, silberflockig übersäeter Strei¬
fen stellte nach fernhin den majestätischen Lauf des Stromes dar.
Links befanden sich einige Nachen, die in malerischer Unordnung all's
Ufer festgeankert waren. Ihre schwarze, kräftige Masse stach sowohl
gegen den helleren Vordergrund, als gegen die unbestimmten Tinten
der Fernsicht ab. Hinter und bei diesen Nachen erhoben sich die
gebirgigen Ufer der rechten Rheinseite, die in leichte Nebelschleier
gehüllt waren.

Nach und nach klärt sich rechts der Himmel auf) die Gebäude
dagegen, welche die Landschaft einrahmen, werden noch düsterer....
Der Mond erscheint und übergießt mit seinem Silberlichte dieses
Schauspiel! Maler sein, diese Herrlichkeiten bewundern und doch
seine Ohnmacht fühlen, sie jemals wiederzugeben! Denn welcher
Pinsel vermöchte diese schwankenden, zarten Tinten hervorzubringen,
die über der durch das Siebengebirge abgegrenzten Fernsicht aus¬
gegossen waren! Diese beweglichen Demantlichter, die auf den
blauen Strom fallen, diese Wiederspiegelungen der Schatten, diese
erglänzenden Strahlen, diese dunkeln Tiefen! Wer endlich vermag
die Empfindungen wiederzugeben, mit welchen ein solches Schauspiel
die Seele erfüllt, und wer ist je im Stande, es würdig auf


Bald auch lagen wir an den Fenstern des Gasthauses „zum alten
Keller," zu unsern Füßen rollte der Rhein, in der Ferne das wun¬
derherrliche Panorama des Siebengebira.es. Vergebens suchten uns
einige andre im Saale befindliche Fremde in ihr Gespräch zu
ziehen, das sich um die Tagespolitik drehte: was gingen uns in
diesem Augenblicke die ephemeren, politischen Sorgen der Menschen
an? Unsre Seele war ganz von dem herrlichen Schauspiele in
Anspruch genommen, das sich vor unseren Augen hindehnte.

Schöne Natur! Welcher Sterbliche kann es wagen, die eben
so zahlreichen als mannigfachen Gemälde zu reproduciren, die Du
seiner Beschauung darbietest! — Nachdem Du uns schon durch
einen schonen Tag erfreutest, verdoppelst Du unsre Genüsse noch durch
einen noch herrlicheren Abend.

Kein Lüftchen regte sich in den Höhen, ausgenommen jener
schwache Hauch, der ein steter Begleiter des Abends zu sein scheint.
Der breite Spiegel des Rheins strahlte getreulich Alles wieder ab,
was über ihm am gestirnten Himmel und an seinen Ufern auf der
blühenden Erde stand. Ein graulicher, silberflockig übersäeter Strei¬
fen stellte nach fernhin den majestätischen Lauf des Stromes dar.
Links befanden sich einige Nachen, die in malerischer Unordnung all's
Ufer festgeankert waren. Ihre schwarze, kräftige Masse stach sowohl
gegen den helleren Vordergrund, als gegen die unbestimmten Tinten
der Fernsicht ab. Hinter und bei diesen Nachen erhoben sich die
gebirgigen Ufer der rechten Rheinseite, die in leichte Nebelschleier
gehüllt waren.

Nach und nach klärt sich rechts der Himmel auf) die Gebäude
dagegen, welche die Landschaft einrahmen, werden noch düsterer....
Der Mond erscheint und übergießt mit seinem Silberlichte dieses
Schauspiel! Maler sein, diese Herrlichkeiten bewundern und doch
seine Ohnmacht fühlen, sie jemals wiederzugeben! Denn welcher
Pinsel vermöchte diese schwankenden, zarten Tinten hervorzubringen,
die über der durch das Siebengebirge abgegrenzten Fernsicht aus¬
gegossen waren! Diese beweglichen Demantlichter, die auf den
blauen Strom fallen, diese Wiederspiegelungen der Schatten, diese
erglänzenden Strahlen, diese dunkeln Tiefen! Wer endlich vermag
die Empfindungen wiederzugeben, mit welchen ein solches Schauspiel
die Seele erfüllt, und wer ist je im Stande, es würdig auf


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[0373] Bald auch lagen wir an den Fenstern des Gasthauses „zum alten Keller," zu unsern Füßen rollte der Rhein, in der Ferne das wun¬ derherrliche Panorama des Siebengebira.es. Vergebens suchten uns einige andre im Saale befindliche Fremde in ihr Gespräch zu ziehen, das sich um die Tagespolitik drehte: was gingen uns in diesem Augenblicke die ephemeren, politischen Sorgen der Menschen an? Unsre Seele war ganz von dem herrlichen Schauspiele in Anspruch genommen, das sich vor unseren Augen hindehnte. Schöne Natur! Welcher Sterbliche kann es wagen, die eben so zahlreichen als mannigfachen Gemälde zu reproduciren, die Du seiner Beschauung darbietest! — Nachdem Du uns schon durch einen schonen Tag erfreutest, verdoppelst Du unsre Genüsse noch durch einen noch herrlicheren Abend. Kein Lüftchen regte sich in den Höhen, ausgenommen jener schwache Hauch, der ein steter Begleiter des Abends zu sein scheint. Der breite Spiegel des Rheins strahlte getreulich Alles wieder ab, was über ihm am gestirnten Himmel und an seinen Ufern auf der blühenden Erde stand. Ein graulicher, silberflockig übersäeter Strei¬ fen stellte nach fernhin den majestätischen Lauf des Stromes dar. Links befanden sich einige Nachen, die in malerischer Unordnung all's Ufer festgeankert waren. Ihre schwarze, kräftige Masse stach sowohl gegen den helleren Vordergrund, als gegen die unbestimmten Tinten der Fernsicht ab. Hinter und bei diesen Nachen erhoben sich die gebirgigen Ufer der rechten Rheinseite, die in leichte Nebelschleier gehüllt waren. Nach und nach klärt sich rechts der Himmel auf) die Gebäude dagegen, welche die Landschaft einrahmen, werden noch düsterer.... Der Mond erscheint und übergießt mit seinem Silberlichte dieses Schauspiel! Maler sein, diese Herrlichkeiten bewundern und doch seine Ohnmacht fühlen, sie jemals wiederzugeben! Denn welcher Pinsel vermöchte diese schwankenden, zarten Tinten hervorzubringen, die über der durch das Siebengebirge abgegrenzten Fernsicht aus¬ gegossen waren! Diese beweglichen Demantlichter, die auf den blauen Strom fallen, diese Wiederspiegelungen der Schatten, diese erglänzenden Strahlen, diese dunkeln Tiefen! Wer endlich vermag die Empfindungen wiederzugeben, mit welchen ein solches Schauspiel die Seele erfüllt, und wer ist je im Stande, es würdig auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/373>, abgerufen am 23.07.2024.