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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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bereitenden Zeichnung die Gegenstände, Schatten und Lichter wohl
angeordnet sind, so kann sie doch immer bei der Ausführung des
Gemäldes nur als Leiter dienen. Wozu nun so viele Sorgfalt
darauf verwenden? Reicht dann die Skizze nicht hin, um die erste
Idee deö Malers darzustellen? Ich meiner Seits bin der Meinung,
daß sie vollkommen auslangt, und daß man nach der Skizze eine
gute Ebauche machen kann, die eine zufriedenstellende Anordnung
von Licht, Schatten und Farben enthält. Ist man übrigens stets sicher,
daß alle Partien einer Zeichnung gleich geschmackvoll gewählt sind?
Kann eS nicht sehr leicht der Fall sein, daß der Maler, wenn er
sich an die Staffelei setzt, von einer schöneren Idee inspirirt wird?
Wenn dieser nicht so sehr seltene Fall eintritt, so giebt der Maler
sicherlich seiner neuen Idee Gehör; sein Gemälde wird unter der
Hand ein anderes und die detaillirte Zeichnung hat dann zu gar
nichts genützt. Denn der wahre Künstler muß im Stande sein,
sich von einer ersten Auffassung eines Gegenstandes loszusagen, da
man sehr oft die Erfahrung macht, daß diese falsch, fehlerhaft ist.

Drei Mal einen und denselben Gegenstand behandeln, ist
etwas Geschmackloses. Geht ja doch leider das erste Feuer der
künstlerischen Auffassung schon dadurch zum Theil verloren, daß man den
Gegenstand der Prüfung der Vernunft und ihrer Regeln unterwirft.

Nun kann man mir freilich von diesem Standpunkte aus den
Einwurf machen: Wozu ist es alsdann gut, ein Gemälde zu c>bau-
chiren? Darauf aber entgegne ich Folgendes:

Jene Feinheit des Tones, jenes Durchschimmernde im Himmel,
im Baumschlag, im Wasser, was gerade die Punkte sind, in denen
das eigentliche Verdienst eines guten Landschaftsgemäldes liegt, kann
man unmöglich erhalten, wenn man nicht zuvor eine gute Ebauche
des Bildes gemacht hat. Denn man muß auf alle diese Gegenstände
mehrere Male zurückkommen, wenn man ihnen jene Schönheit, jene
Wahrscheinlichkeit verleihen will, wodurch sie ihren natürlichen Vor¬
bildern nahe treten. Umgekehrt kann man übrigens auch durch geschickte
Pinselstriche, durch glänzende Lichtgebungen alle jene matten Stellen,
die ein Gemälde etwa durch die Operation des Ebauchirens erhalten
haben könnte, leicht beseitigen.

Die schönen beweglichen Tinten, welche man durch die Ebauche
hervorzubringen in den Stand gesetzt wird, und die einem Gemälde


bereitenden Zeichnung die Gegenstände, Schatten und Lichter wohl
angeordnet sind, so kann sie doch immer bei der Ausführung des
Gemäldes nur als Leiter dienen. Wozu nun so viele Sorgfalt
darauf verwenden? Reicht dann die Skizze nicht hin, um die erste
Idee deö Malers darzustellen? Ich meiner Seits bin der Meinung,
daß sie vollkommen auslangt, und daß man nach der Skizze eine
gute Ebauche machen kann, die eine zufriedenstellende Anordnung
von Licht, Schatten und Farben enthält. Ist man übrigens stets sicher,
daß alle Partien einer Zeichnung gleich geschmackvoll gewählt sind?
Kann eS nicht sehr leicht der Fall sein, daß der Maler, wenn er
sich an die Staffelei setzt, von einer schöneren Idee inspirirt wird?
Wenn dieser nicht so sehr seltene Fall eintritt, so giebt der Maler
sicherlich seiner neuen Idee Gehör; sein Gemälde wird unter der
Hand ein anderes und die detaillirte Zeichnung hat dann zu gar
nichts genützt. Denn der wahre Künstler muß im Stande sein,
sich von einer ersten Auffassung eines Gegenstandes loszusagen, da
man sehr oft die Erfahrung macht, daß diese falsch, fehlerhaft ist.

Drei Mal einen und denselben Gegenstand behandeln, ist
etwas Geschmackloses. Geht ja doch leider das erste Feuer der
künstlerischen Auffassung schon dadurch zum Theil verloren, daß man den
Gegenstand der Prüfung der Vernunft und ihrer Regeln unterwirft.

Nun kann man mir freilich von diesem Standpunkte aus den
Einwurf machen: Wozu ist es alsdann gut, ein Gemälde zu c>bau-
chiren? Darauf aber entgegne ich Folgendes:

Jene Feinheit des Tones, jenes Durchschimmernde im Himmel,
im Baumschlag, im Wasser, was gerade die Punkte sind, in denen
das eigentliche Verdienst eines guten Landschaftsgemäldes liegt, kann
man unmöglich erhalten, wenn man nicht zuvor eine gute Ebauche
des Bildes gemacht hat. Denn man muß auf alle diese Gegenstände
mehrere Male zurückkommen, wenn man ihnen jene Schönheit, jene
Wahrscheinlichkeit verleihen will, wodurch sie ihren natürlichen Vor¬
bildern nahe treten. Umgekehrt kann man übrigens auch durch geschickte
Pinselstriche, durch glänzende Lichtgebungen alle jene matten Stellen,
die ein Gemälde etwa durch die Operation des Ebauchirens erhalten
haben könnte, leicht beseitigen.

Die schönen beweglichen Tinten, welche man durch die Ebauche
hervorzubringen in den Stand gesetzt wird, und die einem Gemälde


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[0371] bereitenden Zeichnung die Gegenstände, Schatten und Lichter wohl angeordnet sind, so kann sie doch immer bei der Ausführung des Gemäldes nur als Leiter dienen. Wozu nun so viele Sorgfalt darauf verwenden? Reicht dann die Skizze nicht hin, um die erste Idee deö Malers darzustellen? Ich meiner Seits bin der Meinung, daß sie vollkommen auslangt, und daß man nach der Skizze eine gute Ebauche machen kann, die eine zufriedenstellende Anordnung von Licht, Schatten und Farben enthält. Ist man übrigens stets sicher, daß alle Partien einer Zeichnung gleich geschmackvoll gewählt sind? Kann eS nicht sehr leicht der Fall sein, daß der Maler, wenn er sich an die Staffelei setzt, von einer schöneren Idee inspirirt wird? Wenn dieser nicht so sehr seltene Fall eintritt, so giebt der Maler sicherlich seiner neuen Idee Gehör; sein Gemälde wird unter der Hand ein anderes und die detaillirte Zeichnung hat dann zu gar nichts genützt. Denn der wahre Künstler muß im Stande sein, sich von einer ersten Auffassung eines Gegenstandes loszusagen, da man sehr oft die Erfahrung macht, daß diese falsch, fehlerhaft ist. Drei Mal einen und denselben Gegenstand behandeln, ist etwas Geschmackloses. Geht ja doch leider das erste Feuer der künstlerischen Auffassung schon dadurch zum Theil verloren, daß man den Gegenstand der Prüfung der Vernunft und ihrer Regeln unterwirft. Nun kann man mir freilich von diesem Standpunkte aus den Einwurf machen: Wozu ist es alsdann gut, ein Gemälde zu c>bau- chiren? Darauf aber entgegne ich Folgendes: Jene Feinheit des Tones, jenes Durchschimmernde im Himmel, im Baumschlag, im Wasser, was gerade die Punkte sind, in denen das eigentliche Verdienst eines guten Landschaftsgemäldes liegt, kann man unmöglich erhalten, wenn man nicht zuvor eine gute Ebauche des Bildes gemacht hat. Denn man muß auf alle diese Gegenstände mehrere Male zurückkommen, wenn man ihnen jene Schönheit, jene Wahrscheinlichkeit verleihen will, wodurch sie ihren natürlichen Vor¬ bildern nahe treten. Umgekehrt kann man übrigens auch durch geschickte Pinselstriche, durch glänzende Lichtgebungen alle jene matten Stellen, die ein Gemälde etwa durch die Operation des Ebauchirens erhalten haben könnte, leicht beseitigen. Die schönen beweglichen Tinten, welche man durch die Ebauche hervorzubringen in den Stand gesetzt wird, und die einem Gemälde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/371>, abgerufen am 23.07.2024.