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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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wahre" Perle ihres Geschlechts, versunken waren, und von der ich selbst
gern eine Erinnerung in meinem Album hätte aufbewahren mögen.

Da wir nun gerade einmal von Umrissen sprechen, so will ich
die Gelegenheit benutzen, um meinen Lesern einige besondere Bemer¬
kungen hierüber mitzutheilen. Ich habe einen Maler gekannt, der,
obgleich sehr geübt im Zeichnen nach nacktem und drappirtem Modell
und obgleich die Verhältnisse des menschlichen Körpers, die Verkür¬
zungen u. s. w. vollkommen gut kennend, dennoch unaufhörlich ein
Skizzenbuch bei sich führte, in das er, wo er sich auch immer befand,
leichte Umrisse von Menschen- und Thiergruppen in allen denkbaren
Stellungen und Lagen einzeichnete, indem er dabei sorgfältig und
mit gewissenhafter Genauigkeit die Farbe eines jeden Gegenstandes
bemerkte. Zufällig besuchte ich eines Tages diesen Maler, gerade
da er beschäftigt war, irgend eine Landschaft durch Hülfe von Stu¬
dien zusammenzustellen. Da bemerkte ich nun, mit welcher Leichtig¬
keit er seine Thiere und Menschen gruppirte, indem er seinem, offen
auf der Staffelei vor ihm liegenden Skizzenbuche die Originale ent¬
lehnte. Ich war um so mehr darüber erstaunt, da ich viele andere
Maler gesehen hatte, welche, trotz eines Dmchblätterns mehrerer
Sammlungen von Zeichnungen, es doch nie so weit brachten, daß
sie ihren Figuren auf der Leinwand Leben und Bewegung verleihen
konnten, sondern diese stets ohne Wirkung und armselig heraus¬
brachten.

Nachdem der in Rede stehende Künstler seine Gruppen in den
Situationen, wo er sie anbringen wollte, oberflächlich geordnet hatte,
zog er seine akademischen Zeichnungen zu Rathe, um sodann den
Umrissen die letzte abschließende Verbesserung angedeihen zu lassen.
Für naturwahre Farbe und Costüme seiner Figuren gerieth er selten
in Verlegenheit, weil sein Album ihm hierüber die zuverlässigsten
und abwechselndsten Angaben darbot. Ich hatte früher oft die Frage
an mich gerichtet, ob dieser Maler mit seinen ewigen Umrissen nicht
unnütz das Papier verschmiere, da er so gut zeichne und so gute
akademische Studien besitze: jetzt aber erkannte ich den Nutzen dieses
Skizzirens.

> Die Dampfschiffe bieten die beste Gelegenheit dar, von allerhand
Dingen und Gestalten flüchtige Zeichnungen aufzunehmen, da man
in einer oder der andern Ecke stets ganz ungestört beobachten kann.


wahre» Perle ihres Geschlechts, versunken waren, und von der ich selbst
gern eine Erinnerung in meinem Album hätte aufbewahren mögen.

Da wir nun gerade einmal von Umrissen sprechen, so will ich
die Gelegenheit benutzen, um meinen Lesern einige besondere Bemer¬
kungen hierüber mitzutheilen. Ich habe einen Maler gekannt, der,
obgleich sehr geübt im Zeichnen nach nacktem und drappirtem Modell
und obgleich die Verhältnisse des menschlichen Körpers, die Verkür¬
zungen u. s. w. vollkommen gut kennend, dennoch unaufhörlich ein
Skizzenbuch bei sich führte, in das er, wo er sich auch immer befand,
leichte Umrisse von Menschen- und Thiergruppen in allen denkbaren
Stellungen und Lagen einzeichnete, indem er dabei sorgfältig und
mit gewissenhafter Genauigkeit die Farbe eines jeden Gegenstandes
bemerkte. Zufällig besuchte ich eines Tages diesen Maler, gerade
da er beschäftigt war, irgend eine Landschaft durch Hülfe von Stu¬
dien zusammenzustellen. Da bemerkte ich nun, mit welcher Leichtig¬
keit er seine Thiere und Menschen gruppirte, indem er seinem, offen
auf der Staffelei vor ihm liegenden Skizzenbuche die Originale ent¬
lehnte. Ich war um so mehr darüber erstaunt, da ich viele andere
Maler gesehen hatte, welche, trotz eines Dmchblätterns mehrerer
Sammlungen von Zeichnungen, es doch nie so weit brachten, daß
sie ihren Figuren auf der Leinwand Leben und Bewegung verleihen
konnten, sondern diese stets ohne Wirkung und armselig heraus¬
brachten.

Nachdem der in Rede stehende Künstler seine Gruppen in den
Situationen, wo er sie anbringen wollte, oberflächlich geordnet hatte,
zog er seine akademischen Zeichnungen zu Rathe, um sodann den
Umrissen die letzte abschließende Verbesserung angedeihen zu lassen.
Für naturwahre Farbe und Costüme seiner Figuren gerieth er selten
in Verlegenheit, weil sein Album ihm hierüber die zuverlässigsten
und abwechselndsten Angaben darbot. Ich hatte früher oft die Frage
an mich gerichtet, ob dieser Maler mit seinen ewigen Umrissen nicht
unnütz das Papier verschmiere, da er so gut zeichne und so gute
akademische Studien besitze: jetzt aber erkannte ich den Nutzen dieses
Skizzirens.

> Die Dampfschiffe bieten die beste Gelegenheit dar, von allerhand
Dingen und Gestalten flüchtige Zeichnungen aufzunehmen, da man
in einer oder der andern Ecke stets ganz ungestört beobachten kann.


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[0362] wahre» Perle ihres Geschlechts, versunken waren, und von der ich selbst gern eine Erinnerung in meinem Album hätte aufbewahren mögen. Da wir nun gerade einmal von Umrissen sprechen, so will ich die Gelegenheit benutzen, um meinen Lesern einige besondere Bemer¬ kungen hierüber mitzutheilen. Ich habe einen Maler gekannt, der, obgleich sehr geübt im Zeichnen nach nacktem und drappirtem Modell und obgleich die Verhältnisse des menschlichen Körpers, die Verkür¬ zungen u. s. w. vollkommen gut kennend, dennoch unaufhörlich ein Skizzenbuch bei sich führte, in das er, wo er sich auch immer befand, leichte Umrisse von Menschen- und Thiergruppen in allen denkbaren Stellungen und Lagen einzeichnete, indem er dabei sorgfältig und mit gewissenhafter Genauigkeit die Farbe eines jeden Gegenstandes bemerkte. Zufällig besuchte ich eines Tages diesen Maler, gerade da er beschäftigt war, irgend eine Landschaft durch Hülfe von Stu¬ dien zusammenzustellen. Da bemerkte ich nun, mit welcher Leichtig¬ keit er seine Thiere und Menschen gruppirte, indem er seinem, offen auf der Staffelei vor ihm liegenden Skizzenbuche die Originale ent¬ lehnte. Ich war um so mehr darüber erstaunt, da ich viele andere Maler gesehen hatte, welche, trotz eines Dmchblätterns mehrerer Sammlungen von Zeichnungen, es doch nie so weit brachten, daß sie ihren Figuren auf der Leinwand Leben und Bewegung verleihen konnten, sondern diese stets ohne Wirkung und armselig heraus¬ brachten. Nachdem der in Rede stehende Künstler seine Gruppen in den Situationen, wo er sie anbringen wollte, oberflächlich geordnet hatte, zog er seine akademischen Zeichnungen zu Rathe, um sodann den Umrissen die letzte abschließende Verbesserung angedeihen zu lassen. Für naturwahre Farbe und Costüme seiner Figuren gerieth er selten in Verlegenheit, weil sein Album ihm hierüber die zuverlässigsten und abwechselndsten Angaben darbot. Ich hatte früher oft die Frage an mich gerichtet, ob dieser Maler mit seinen ewigen Umrissen nicht unnütz das Papier verschmiere, da er so gut zeichne und so gute akademische Studien besitze: jetzt aber erkannte ich den Nutzen dieses Skizzirens. > Die Dampfschiffe bieten die beste Gelegenheit dar, von allerhand Dingen und Gestalten flüchtige Zeichnungen aufzunehmen, da man in einer oder der andern Ecke stets ganz ungestört beobachten kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/362>, abgerufen am 23.07.2024.