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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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verbot ihnen aber den Oliarivari und ti>! v-"iieatnrs zu lesen, weil sie schäd¬
lich sind. Die Meklenburger aber bekümmern sich so wenig um ausländische,
zumal fremd sprechende Literatur, wie Mehemed Ali um die Hannöversche
Bcrfassungsfrage. In Meklenburg werden fast ausschließlich nur Hamburger
Zeitungen gelesen, vorzugsweise der Korrespondent und die Reue Zeitung, welche
letztere die Postämter Meklenburgs Befehl haben, nur unter einer Preiserhö¬
hung von 1 Thaler 16 Schillinge ihren inländischen Abonnenten zugehen zu
lassen. Man will sie gerade nicht verbieten, jedoch soll dem Meklenburger das
mit liberalen Tendenzen zubereitete Ragout theurer zu schmecken kommen.
Der Korrespondent kann ungehindert die Grenze passiren; man hat auch gar
kein Arg daraus, daß er unpartheii sah heißt.

Nach dem erwähnten Befehl vom 29ten April dieses Jahres würde jeder in
Meklenburg wohnende Schriftsteller, d. h. natürlich ein solcher, der in ihm das
Heimathsrecht genießt, wenn er sein Werk in Leipzig oder Berlin drucken las¬
sen wollte, es vor allen Dingen der meklcnburgischen Censur unterwerfen,
dann mit ihrem Imprimatur zur preußischen oder sächsischen schreiten; er hätte
also eine doppelte Censur zu befahren, und was die Scylla verschont, läßt es
die Charybdis passiren?>

Wäre nicht gerade jetzt in Preußen ein geringerer Ccnsurzwang verheißen,
so ließe sich jener strenge Schritt Meklenvurgs vielleicht sür ein zu voreiliges
Hervortreten eines Actuars in den großen deutschen Censurgerichtssaal auslegen.
Wofür ist er aber unter diesen Umstanden zu halten"! Meklenvurgs geographische
Lage ist zu abgeschlossen von allen außerbundesstaatlichen Ländern, als daß es
einem seiner wenigen Schriftsteller einfallen sollte, sich mit seinen geistigen Er¬
zeugnissen nach einem von diesen zu versteigen und sie dort zum Druck zu
bringen; auch sind bisher fast gar keine Fälle im Lande vorgekommen, welche
die meklenburgische Censurpolizei zu strengerer Wache veranlassen könnten.
Warum erläßt sie also so strenge Maßregeln gegen eine Sache, die bisher hier
nur eine geahnte, deren Erscheinensbcfürchtung stets noch so fern war? Will
sich Meklenburg seinen Nachbarstaat Hannover zum Borbild nehmen, wo al¬
lerdings noch schärfere Preßgesetze obwalten?

Die einzigen, neueren Erscheinungen, die auf Staatswesen, und zwar aus
das eigene Bezug haben, sind einige Brochüren über den in Frage stehenden preu-
snsch-meklenburgischcn Zollverein, und F. v. Maltzahn's Meklenburg in
allgemeinen deutschen Beziehungen, eine unbedeutende Schrift, aber
desto bedeutender mit pietistischer Abschweifungen und nicht hineingchörendcm
Gesäure vollgepfropft) daß man den Wald vor faulen Bäumen nicht sieht, daß
wenig vom Staat überhaupt und noch weniger von einem allgemeinen staat¬
lichen Bestehen darin zu lesen ist, was vielleicht das Auge der Censur genöthigt
hätte, sich eine Brille aufzusetzen.




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verbot ihnen aber den Oliarivari und ti>! v-»iieatnrs zu lesen, weil sie schäd¬
lich sind. Die Meklenburger aber bekümmern sich so wenig um ausländische,
zumal fremd sprechende Literatur, wie Mehemed Ali um die Hannöversche
Bcrfassungsfrage. In Meklenburg werden fast ausschließlich nur Hamburger
Zeitungen gelesen, vorzugsweise der Korrespondent und die Reue Zeitung, welche
letztere die Postämter Meklenburgs Befehl haben, nur unter einer Preiserhö¬
hung von 1 Thaler 16 Schillinge ihren inländischen Abonnenten zugehen zu
lassen. Man will sie gerade nicht verbieten, jedoch soll dem Meklenburger das
mit liberalen Tendenzen zubereitete Ragout theurer zu schmecken kommen.
Der Korrespondent kann ungehindert die Grenze passiren; man hat auch gar
kein Arg daraus, daß er unpartheii sah heißt.

Nach dem erwähnten Befehl vom 29ten April dieses Jahres würde jeder in
Meklenburg wohnende Schriftsteller, d. h. natürlich ein solcher, der in ihm das
Heimathsrecht genießt, wenn er sein Werk in Leipzig oder Berlin drucken las¬
sen wollte, es vor allen Dingen der meklcnburgischen Censur unterwerfen,
dann mit ihrem Imprimatur zur preußischen oder sächsischen schreiten; er hätte
also eine doppelte Censur zu befahren, und was die Scylla verschont, läßt es
die Charybdis passiren?>

Wäre nicht gerade jetzt in Preußen ein geringerer Ccnsurzwang verheißen,
so ließe sich jener strenge Schritt Meklenvurgs vielleicht sür ein zu voreiliges
Hervortreten eines Actuars in den großen deutschen Censurgerichtssaal auslegen.
Wofür ist er aber unter diesen Umstanden zu halten"! Meklenvurgs geographische
Lage ist zu abgeschlossen von allen außerbundesstaatlichen Ländern, als daß es
einem seiner wenigen Schriftsteller einfallen sollte, sich mit seinen geistigen Er¬
zeugnissen nach einem von diesen zu versteigen und sie dort zum Druck zu
bringen; auch sind bisher fast gar keine Fälle im Lande vorgekommen, welche
die meklenburgische Censurpolizei zu strengerer Wache veranlassen könnten.
Warum erläßt sie also so strenge Maßregeln gegen eine Sache, die bisher hier
nur eine geahnte, deren Erscheinensbcfürchtung stets noch so fern war? Will
sich Meklenburg seinen Nachbarstaat Hannover zum Borbild nehmen, wo al¬
lerdings noch schärfere Preßgesetze obwalten?

Die einzigen, neueren Erscheinungen, die auf Staatswesen, und zwar aus
das eigene Bezug haben, sind einige Brochüren über den in Frage stehenden preu-
snsch-meklenburgischcn Zollverein, und F. v. Maltzahn's Meklenburg in
allgemeinen deutschen Beziehungen, eine unbedeutende Schrift, aber
desto bedeutender mit pietistischer Abschweifungen und nicht hineingchörendcm
Gesäure vollgepfropft) daß man den Wald vor faulen Bäumen nicht sieht, daß
wenig vom Staat überhaupt und noch weniger von einem allgemeinen staat¬
lichen Bestehen darin zu lesen ist, was vielleicht das Auge der Censur genöthigt
hätte, sich eine Brille aufzusetzen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/360>, abgerufen am 23.07.2024.