Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.nicht versteht, und den Narren für einen Poeten hält; sie sang eine Zeit Wie müssen sich aber zwei Extreme in nachbarlichen Staaten ncvenein- Es publicirte unterm 29. April d. I. die mcklcnburg-schwcrinische Negie¬ Wir Friedrich Franz :c. de. Finden Uns bewogen, in Grundlage der über die Handhabung der Censur be¬ daß kein der Censur unterworfenes Buch von einem inländischen Buch¬ nicht versteht, und den Narren für einen Poeten hält; sie sang eine Zeit Wie müssen sich aber zwei Extreme in nachbarlichen Staaten ncvenein- Es publicirte unterm 29. April d. I. die mcklcnburg-schwcrinische Negie¬ Wir Friedrich Franz :c. de. Finden Uns bewogen, in Grundlage der über die Handhabung der Censur be¬ daß kein der Censur unterworfenes Buch von einem inländischen Buch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0357" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266974"/> <p xml:id="ID_964" prev="#ID_963"> nicht versteht, und den Narren für einen Poeten hält; sie sang eine Zeit<lb/> lang ihre Ketten verherrlichenden Lieder, aber sie sah, daß diese dadurch nicht<lb/> weicher wurden. Jetzt merkt sie, man müsse den Ring zu dehnen suchen, und<lb/> wie's scheint, soll es ihr gelingen, sie hat sich aufgerafft, sie sängt an, ihre intel-<lb/> lectuellen Muskeln schwellen zu machen, und diese Muskeln sind — die Poesie.<lb/> Diese sonst so milde, so süße Pflcglingin der schreitenden Zeit, fängt an, ein<lb/> witziges Weib zu werden, operirt mit ihrer glitzernden Busennadel in der Frei¬<lb/> heit fordernden Ader des Geistes das hemmende Geschwür des ihr feindlichen<lb/> Staatshaushalts und fragt dabei naiv thuend, was Staaten und Könige seien.<lb/> Ich glaube sogar, die Poesie hat es unternommen, ihrem Körper Literatur<lb/> einige Fesseln zu sprengen, oder loszubitten. Gott gebe, daß es ihr gelinge.</p><lb/> <p xml:id="ID_965"> Wie müssen sich aber zwei Extreme in nachbarlichen Staaten ncvenein-<lb/> anderfügen, welche in ihrem Fortschreiten und gegenseitigen Bestehen fast einen<lb/> Schritt zu behaupten pflegen, oder vielmehr: deren kleinerer, nämlich Meklen-<lb/> burg, sich meist in allen seinen Organisationen nach dem Vorbilde des größe¬<lb/> ren, Preußens, richtet ! Während man in dem Letzteren für die Emancipation<lb/> der Presse handelt, — denn dafür darf man seine Schritte halten — bindet<lb/> Meklenburg seinem Bischen Literatur einen Stein um den Hals und ersäuft es<lb/> schon in seiner Kindheit. Ist gleich in Meklenburg Literatur ein Unding, oder<lb/> ein unbekanntes Subjekt, so ist es doch nur Literatur allein, die von ihm zu<lb/> erzählen weiß, während die Diplomatie dies Land fast nur wie einen tief unten<lb/> am Ostseestrande hausenden Pygmäen betrachtet. Und dieser Erzählerin hängt<lb/> man einen Stein um den Hals ! vielleicht, wett sie erzählt hat oder gar erst<lb/> erzählen will.</p><lb/> <p xml:id="ID_966"> Es publicirte unterm 29. April d. I. die mcklcnburg-schwcrinische Negie¬<lb/> rung folgende Censurverordnung.</p><lb/> <note type="salute"> Wir Friedrich Franz :c. de.</note><lb/> <p xml:id="ID_967"> Finden Uns bewogen, in Grundlage der über die Handhabung der Censur be¬<lb/> stehenden bundesgesetzlichcn Bestimmungen und im weiteren Verfolg der Patent-<lb/> Verordnung vom 27. October 1819, hiermit festzustellen:</p><lb/> <p xml:id="ID_968"> daß kein der Censur unterworfenes Buch von einem inländischen Buch¬<lb/> händler, als Verleger oder als Commissionär des Autors, oder von dem<lb/> Autor selbst, ohne moorige Genehmigung Unsrer Regierung, im hiesigen<lb/> Großherzogthum dcbitirt oder vertheilt werden darf, daß es mithin in-<lb/> ländischen Buchhändlern oder Autoren nicht gestattet sein soll, Scrip-<lb/> turen in einem andern Bundesstaat censiren und drucken, sodann aber<lb/> im Inlande debitiren zu lassen, ohne zuvor zu diesem Debit die Con¬<lb/> cession der Llegi«rung «rhalten zu haben.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0357]
nicht versteht, und den Narren für einen Poeten hält; sie sang eine Zeit
lang ihre Ketten verherrlichenden Lieder, aber sie sah, daß diese dadurch nicht
weicher wurden. Jetzt merkt sie, man müsse den Ring zu dehnen suchen, und
wie's scheint, soll es ihr gelingen, sie hat sich aufgerafft, sie sängt an, ihre intel-
lectuellen Muskeln schwellen zu machen, und diese Muskeln sind — die Poesie.
Diese sonst so milde, so süße Pflcglingin der schreitenden Zeit, fängt an, ein
witziges Weib zu werden, operirt mit ihrer glitzernden Busennadel in der Frei¬
heit fordernden Ader des Geistes das hemmende Geschwür des ihr feindlichen
Staatshaushalts und fragt dabei naiv thuend, was Staaten und Könige seien.
Ich glaube sogar, die Poesie hat es unternommen, ihrem Körper Literatur
einige Fesseln zu sprengen, oder loszubitten. Gott gebe, daß es ihr gelinge.
Wie müssen sich aber zwei Extreme in nachbarlichen Staaten ncvenein-
anderfügen, welche in ihrem Fortschreiten und gegenseitigen Bestehen fast einen
Schritt zu behaupten pflegen, oder vielmehr: deren kleinerer, nämlich Meklen-
burg, sich meist in allen seinen Organisationen nach dem Vorbilde des größe¬
ren, Preußens, richtet ! Während man in dem Letzteren für die Emancipation
der Presse handelt, — denn dafür darf man seine Schritte halten — bindet
Meklenburg seinem Bischen Literatur einen Stein um den Hals und ersäuft es
schon in seiner Kindheit. Ist gleich in Meklenburg Literatur ein Unding, oder
ein unbekanntes Subjekt, so ist es doch nur Literatur allein, die von ihm zu
erzählen weiß, während die Diplomatie dies Land fast nur wie einen tief unten
am Ostseestrande hausenden Pygmäen betrachtet. Und dieser Erzählerin hängt
man einen Stein um den Hals ! vielleicht, wett sie erzählt hat oder gar erst
erzählen will.
Es publicirte unterm 29. April d. I. die mcklcnburg-schwcrinische Negie¬
rung folgende Censurverordnung.
Wir Friedrich Franz :c. de.
Finden Uns bewogen, in Grundlage der über die Handhabung der Censur be¬
stehenden bundesgesetzlichcn Bestimmungen und im weiteren Verfolg der Patent-
Verordnung vom 27. October 1819, hiermit festzustellen:
daß kein der Censur unterworfenes Buch von einem inländischen Buch¬
händler, als Verleger oder als Commissionär des Autors, oder von dem
Autor selbst, ohne moorige Genehmigung Unsrer Regierung, im hiesigen
Großherzogthum dcbitirt oder vertheilt werden darf, daß es mithin in-
ländischen Buchhändlern oder Autoren nicht gestattet sein soll, Scrip-
turen in einem andern Bundesstaat censiren und drucken, sodann aber
im Inlande debitiren zu lassen, ohne zuvor zu diesem Debit die Con¬
cession der Llegi«rung «rhalten zu haben.
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