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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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eine staubige Bibliothek gebannt war, so lange sie das Eigenthum
einer Nation oder gar nur weniger über den Erdball hin Zerstreu¬
ter war, so lange sie nicht die Pulsader im Leben der gesammten
Menschheit war, so lange konnte man befürchten und war es auch
wirklich nicht schwer, daß eine hereinbrechende Barbarenhorde sie
überfiel und erstickte und in lange, dunkle Nacht warf. So ist die
erste große Hälfte des Mittelalters über uns gekommen und hat die
Civilisation sast begraben, bis der waltende Geist der Gottheit, wie
germanische Barbaren der antiken Welt Bildung zerstört hatten, so
durch asiatische Barbaren Constantinopel fallen ließ, auf daß die
griechischen Flüchtlinge Wecker und Lichtbringer, oder wenigstens
Schatzgräber würden, und daß gerade zu der Zeit, wo zum Heil
der Welt, zur Sühnung der Schuld ihrer Väter, von zweien Deut¬
schen die doppelte schwarze Kunst der Buchdruckerei und des Pul¬
vers erfunden worden, diese zauberischen Mittel, welche des Geistes
und des Leibes Faustrecht auf immer brachen.

So war eS einst, so aber kann es nicht mehr werden. Denn
wenn heute eine Horde von Barbaren in den fernen Steppen Asiens
oder Afrikas oder Indiens sich regte, zu einem Einfalle in das Be¬
reich der Cultur, gleich denen der Hunnen und Mongolen und Tar¬
taren, so wüßte man es in London und in Petersburg und in Pa¬
ris, noch ehe sie drei Tagereisen zurückgelegt hätten. Ja, wenn
selbst durch irgend eine unerwartete, unvorherzusehende Wendung der
Dinge ein solcher Einfall, eine zweite Völkerwanderung Statt fände
und die ganze Civilisation Europas mit Feuer und Schwert ver¬
nichtet würde, so hätte man vielleicht Nichts verloren, denn dann
fände man Alles in Amerika und in Australien wieder. So können
wir denn gesichert sein über das Loos der Menschenbildung, sie
wird nimmer wieder untergehen.




So wie während der ersten zwölf- bis vierzehnhundert Jahre
des Christenthums Künste und Wissenschaften durch den Krieg und
die allgemeine Anarchie, an der fast ganz Europa mehr oder minder
danicderkranktc, erstickt wurde und erst zu der oben berührten Epoche,
der sogenannten Zeit der Ueuaisauco, um mit einem französischen


eine staubige Bibliothek gebannt war, so lange sie das Eigenthum
einer Nation oder gar nur weniger über den Erdball hin Zerstreu¬
ter war, so lange sie nicht die Pulsader im Leben der gesammten
Menschheit war, so lange konnte man befürchten und war es auch
wirklich nicht schwer, daß eine hereinbrechende Barbarenhorde sie
überfiel und erstickte und in lange, dunkle Nacht warf. So ist die
erste große Hälfte des Mittelalters über uns gekommen und hat die
Civilisation sast begraben, bis der waltende Geist der Gottheit, wie
germanische Barbaren der antiken Welt Bildung zerstört hatten, so
durch asiatische Barbaren Constantinopel fallen ließ, auf daß die
griechischen Flüchtlinge Wecker und Lichtbringer, oder wenigstens
Schatzgräber würden, und daß gerade zu der Zeit, wo zum Heil
der Welt, zur Sühnung der Schuld ihrer Väter, von zweien Deut¬
schen die doppelte schwarze Kunst der Buchdruckerei und des Pul¬
vers erfunden worden, diese zauberischen Mittel, welche des Geistes
und des Leibes Faustrecht auf immer brachen.

So war eS einst, so aber kann es nicht mehr werden. Denn
wenn heute eine Horde von Barbaren in den fernen Steppen Asiens
oder Afrikas oder Indiens sich regte, zu einem Einfalle in das Be¬
reich der Cultur, gleich denen der Hunnen und Mongolen und Tar¬
taren, so wüßte man es in London und in Petersburg und in Pa¬
ris, noch ehe sie drei Tagereisen zurückgelegt hätten. Ja, wenn
selbst durch irgend eine unerwartete, unvorherzusehende Wendung der
Dinge ein solcher Einfall, eine zweite Völkerwanderung Statt fände
und die ganze Civilisation Europas mit Feuer und Schwert ver¬
nichtet würde, so hätte man vielleicht Nichts verloren, denn dann
fände man Alles in Amerika und in Australien wieder. So können
wir denn gesichert sein über das Loos der Menschenbildung, sie
wird nimmer wieder untergehen.




So wie während der ersten zwölf- bis vierzehnhundert Jahre
des Christenthums Künste und Wissenschaften durch den Krieg und
die allgemeine Anarchie, an der fast ganz Europa mehr oder minder
danicderkranktc, erstickt wurde und erst zu der oben berührten Epoche,
der sogenannten Zeit der Ueuaisauco, um mit einem französischen


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[0314] eine staubige Bibliothek gebannt war, so lange sie das Eigenthum einer Nation oder gar nur weniger über den Erdball hin Zerstreu¬ ter war, so lange sie nicht die Pulsader im Leben der gesammten Menschheit war, so lange konnte man befürchten und war es auch wirklich nicht schwer, daß eine hereinbrechende Barbarenhorde sie überfiel und erstickte und in lange, dunkle Nacht warf. So ist die erste große Hälfte des Mittelalters über uns gekommen und hat die Civilisation sast begraben, bis der waltende Geist der Gottheit, wie germanische Barbaren der antiken Welt Bildung zerstört hatten, so durch asiatische Barbaren Constantinopel fallen ließ, auf daß die griechischen Flüchtlinge Wecker und Lichtbringer, oder wenigstens Schatzgräber würden, und daß gerade zu der Zeit, wo zum Heil der Welt, zur Sühnung der Schuld ihrer Väter, von zweien Deut¬ schen die doppelte schwarze Kunst der Buchdruckerei und des Pul¬ vers erfunden worden, diese zauberischen Mittel, welche des Geistes und des Leibes Faustrecht auf immer brachen. So war eS einst, so aber kann es nicht mehr werden. Denn wenn heute eine Horde von Barbaren in den fernen Steppen Asiens oder Afrikas oder Indiens sich regte, zu einem Einfalle in das Be¬ reich der Cultur, gleich denen der Hunnen und Mongolen und Tar¬ taren, so wüßte man es in London und in Petersburg und in Pa¬ ris, noch ehe sie drei Tagereisen zurückgelegt hätten. Ja, wenn selbst durch irgend eine unerwartete, unvorherzusehende Wendung der Dinge ein solcher Einfall, eine zweite Völkerwanderung Statt fände und die ganze Civilisation Europas mit Feuer und Schwert ver¬ nichtet würde, so hätte man vielleicht Nichts verloren, denn dann fände man Alles in Amerika und in Australien wieder. So können wir denn gesichert sein über das Loos der Menschenbildung, sie wird nimmer wieder untergehen. So wie während der ersten zwölf- bis vierzehnhundert Jahre des Christenthums Künste und Wissenschaften durch den Krieg und die allgemeine Anarchie, an der fast ganz Europa mehr oder minder danicderkranktc, erstickt wurde und erst zu der oben berührten Epoche, der sogenannten Zeit der Ueuaisauco, um mit einem französischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/314>, abgerufen am 26.08.2024.