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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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jedes mechanische Verfahren, jede Fabrikation, die nicht die fortwäh¬
rend ununterbrochene Thätigkeit besitzt, noch im Zustande deS em¬
bryonischen Werdens ist. Die Spinnerei, die Buchdruckerei, die El.
senfabrikativn, die Gvldarbeiterkunst, die Hydraulik, die Papicrmüb
im, die Tuchweberei, die Sägemühlen und tausend andere Gewerbe
sind schon dahin gelangt, die Walze anzuwenden und die Anstren¬
gungen aller erfinderischen Kopfe gehen stets dahin, auch andere
gewerbliche Thätigkeiten durch Einführung der Walze zu vervollkommn
nen und auf die Höhe unserer Zeit zu erheben.

Die Griechen waren in Allem, was Formenschönheit betraf, zu
einer außerordentlichen Höhe gelangt, die seitdem vielleicht nie über¬
troffen, ja kaum erreicht worden ist: ihre Töpferscheibe dient der
unsrigen noch heute zum Muster, und Wedgwvod, der berühmte eng¬
lische Porzellanfabrikant, hat die schönsten etruskischen und korinthi--
schen Vasen, behufs der Nachbildung, zu hohen Preisen angekauft,
man kann im wörtlichen Sinne sagen, sie mit Gold aufgewogen.

Megara, eine kleine Stadt ohne Landgebiet, blühte durch seine
Stoffe, die jedoch den ägyptischen Erzeugnissen nachstanden. Letztere
waren so fein, daß man auf den Wänden der Tempel und Cryptcn
Aegyptens -- wenigstens nach den Zeichnungen, die Champollion
und Belzoni davon entworfen haben -- Priester und Fürsten mit
leinenen Gewändern bekleidet sieht, durch welche das Fleisch hindurch
schimmert. Wahrscheinlich war dies der ventus dentitis, jener luftige
Stoff, von dem Juvenal spricht.

Die Bijouterie war ebenfalls bei den Griechen zu hoher Voll¬
kommenheit gediehen, und man vermag kaum zu begreifen, wie ihre
Goldarbeiter mit ihren erwiesener Maßen so unvollkommenen und
rohen Werkzeugen so schöne Hals- und Armbänder in vollkommen
biegsamer Schuppenarbeit liefern und so herrliche Siegel und Steine
schneiden konnten.

Wir haben absichtlich hier einige jener Dinge angeführt, in
denen die Griechen uns fast gleich standen, um nicht von eingefleischter
Alterthumsfreunden den Vorwurf zu hören, wir sprächen so verächt¬
lich von antiker Industrie nur aus Unkenntniß. Aber wir bleiben
darum nichts desto weniger bet unserer obigen Behauptung, daß
diese Arbeiten nur einer individuellen Ausdauer und Geschicklichkeit
verdankt wurden, wie heutzutage noch Schweizer Hirten und andere


jedes mechanische Verfahren, jede Fabrikation, die nicht die fortwäh¬
rend ununterbrochene Thätigkeit besitzt, noch im Zustande deS em¬
bryonischen Werdens ist. Die Spinnerei, die Buchdruckerei, die El.
senfabrikativn, die Gvldarbeiterkunst, die Hydraulik, die Papicrmüb
im, die Tuchweberei, die Sägemühlen und tausend andere Gewerbe
sind schon dahin gelangt, die Walze anzuwenden und die Anstren¬
gungen aller erfinderischen Kopfe gehen stets dahin, auch andere
gewerbliche Thätigkeiten durch Einführung der Walze zu vervollkommn
nen und auf die Höhe unserer Zeit zu erheben.

Die Griechen waren in Allem, was Formenschönheit betraf, zu
einer außerordentlichen Höhe gelangt, die seitdem vielleicht nie über¬
troffen, ja kaum erreicht worden ist: ihre Töpferscheibe dient der
unsrigen noch heute zum Muster, und Wedgwvod, der berühmte eng¬
lische Porzellanfabrikant, hat die schönsten etruskischen und korinthi--
schen Vasen, behufs der Nachbildung, zu hohen Preisen angekauft,
man kann im wörtlichen Sinne sagen, sie mit Gold aufgewogen.

Megara, eine kleine Stadt ohne Landgebiet, blühte durch seine
Stoffe, die jedoch den ägyptischen Erzeugnissen nachstanden. Letztere
waren so fein, daß man auf den Wänden der Tempel und Cryptcn
Aegyptens — wenigstens nach den Zeichnungen, die Champollion
und Belzoni davon entworfen haben — Priester und Fürsten mit
leinenen Gewändern bekleidet sieht, durch welche das Fleisch hindurch
schimmert. Wahrscheinlich war dies der ventus dentitis, jener luftige
Stoff, von dem Juvenal spricht.

Die Bijouterie war ebenfalls bei den Griechen zu hoher Voll¬
kommenheit gediehen, und man vermag kaum zu begreifen, wie ihre
Goldarbeiter mit ihren erwiesener Maßen so unvollkommenen und
rohen Werkzeugen so schöne Hals- und Armbänder in vollkommen
biegsamer Schuppenarbeit liefern und so herrliche Siegel und Steine
schneiden konnten.

Wir haben absichtlich hier einige jener Dinge angeführt, in
denen die Griechen uns fast gleich standen, um nicht von eingefleischter
Alterthumsfreunden den Vorwurf zu hören, wir sprächen so verächt¬
lich von antiker Industrie nur aus Unkenntniß. Aber wir bleiben
darum nichts desto weniger bet unserer obigen Behauptung, daß
diese Arbeiten nur einer individuellen Ausdauer und Geschicklichkeit
verdankt wurden, wie heutzutage noch Schweizer Hirten und andere


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[0309] jedes mechanische Verfahren, jede Fabrikation, die nicht die fortwäh¬ rend ununterbrochene Thätigkeit besitzt, noch im Zustande deS em¬ bryonischen Werdens ist. Die Spinnerei, die Buchdruckerei, die El. senfabrikativn, die Gvldarbeiterkunst, die Hydraulik, die Papicrmüb im, die Tuchweberei, die Sägemühlen und tausend andere Gewerbe sind schon dahin gelangt, die Walze anzuwenden und die Anstren¬ gungen aller erfinderischen Kopfe gehen stets dahin, auch andere gewerbliche Thätigkeiten durch Einführung der Walze zu vervollkommn nen und auf die Höhe unserer Zeit zu erheben. Die Griechen waren in Allem, was Formenschönheit betraf, zu einer außerordentlichen Höhe gelangt, die seitdem vielleicht nie über¬ troffen, ja kaum erreicht worden ist: ihre Töpferscheibe dient der unsrigen noch heute zum Muster, und Wedgwvod, der berühmte eng¬ lische Porzellanfabrikant, hat die schönsten etruskischen und korinthi-- schen Vasen, behufs der Nachbildung, zu hohen Preisen angekauft, man kann im wörtlichen Sinne sagen, sie mit Gold aufgewogen. Megara, eine kleine Stadt ohne Landgebiet, blühte durch seine Stoffe, die jedoch den ägyptischen Erzeugnissen nachstanden. Letztere waren so fein, daß man auf den Wänden der Tempel und Cryptcn Aegyptens — wenigstens nach den Zeichnungen, die Champollion und Belzoni davon entworfen haben — Priester und Fürsten mit leinenen Gewändern bekleidet sieht, durch welche das Fleisch hindurch schimmert. Wahrscheinlich war dies der ventus dentitis, jener luftige Stoff, von dem Juvenal spricht. Die Bijouterie war ebenfalls bei den Griechen zu hoher Voll¬ kommenheit gediehen, und man vermag kaum zu begreifen, wie ihre Goldarbeiter mit ihren erwiesener Maßen so unvollkommenen und rohen Werkzeugen so schöne Hals- und Armbänder in vollkommen biegsamer Schuppenarbeit liefern und so herrliche Siegel und Steine schneiden konnten. Wir haben absichtlich hier einige jener Dinge angeführt, in denen die Griechen uns fast gleich standen, um nicht von eingefleischter Alterthumsfreunden den Vorwurf zu hören, wir sprächen so verächt¬ lich von antiker Industrie nur aus Unkenntniß. Aber wir bleiben darum nichts desto weniger bet unserer obigen Behauptung, daß diese Arbeiten nur einer individuellen Ausdauer und Geschicklichkeit verdankt wurden, wie heutzutage noch Schweizer Hirten und andere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/309>, abgerufen am 26.08.2024.