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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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hallt das dumpfe Grollen eines noch fernen Donners in den tiefen
Wäldern wieder, von denen der Gesichtskreis der Lagernden rings
umgeben ist. Die Soldaten, welche die Begleitung des Zuges bil¬
den, springen bei diesem Zeichen auf, um ihre Reitpferde zu satteln
und zu zäumen; sie laden auf alle Fälle ihre Pistolen und befestigen
das Gehege noch mehr, in welchem die Pferde des Convoi einge¬
schlossen sind. Diese letztern haben schon aufgehört, sich mit ihrem
Futter zu beschäftigen. Mit unruhig forschenden Auge sehen sie
nach allen Punkten des Horizonts herum, als wollten sie sich Ge¬
wißheit darüber verschaffen, von welcher Seite die Gefahr kommen
müsse; sie strecken die Hälse, sie schütteln ihre Köpfe; ein geheimer
innerer Schrecken hat sich ihrer bemächtigt. Indeß kommen die
Wolkenmassen immer näher, werden immer dichter und lassen am
Ende kaum noch einzelne Strahlen des Tageslichts durchschimmern.
Das elektrische Fluidum entladet sich, der Blitz zischt und des Don¬
ners Krachen erschüttert das Himmelsgewölbe. Mitten unter diesem
Tumult der entfesselten Elemente nun rennen die wilden Pferde im
Galopp im Gehege umher; jener neue Blitz, der die Wolken durch¬
furcht, jeder neue Donnerschlag, der erschallt, treibt sie von Neuem
von ih^er Stelle und eins dicht an's andere gedrängt, laufen sie
fortwährend im Umkreis ihres verschlossenen Geheges herum, indem
sie den schwächsten, am leichtesten zu durchbrechenden oder zu über¬
springenden Punkt desselben suchen. Endlich haben sie einen solchen
gefunden; dann stürzen sie sich in dicht gedrängter Masse wie zum
Angriffe auf diesen einen Punkt hin und mit unwiderstehlicher Kraft
zerbrechen und zertrümmern sie den Zaun, der sie einschließt, und
rennen in die Ebene. Beim düsterrothen Schein der Blitze sieht
man sie nach allen Richtungen hin ihre Flucht einschlagen und gleich
nebelhaften Schatten eilen sie an den Menschen vorbei.

Nun kommt für den Offizier die unendlich schwierige, dornen¬
volle Aufgabe, diese zerstreute Truppe wieder zu sammeln. Wie soll
er bei der geringen Anzahl Leute, die ihm zu Gebote stehen, damit
zu Stande kommen? Hier muß er alle seine Geschicklichkeit anwen¬
den. Wenn nun die Pferde sich in zwei Gruppen zertheilt haben,
so richtet er seine Anstrengungen zunächst dahin, sie durch Geschrei
und durch wiederholte Schüsse zu erschrecken und zu einer einzigen
Truppe zu vereinigen. Fahren sie in ihrer Flucht fort, so folgt er


hallt das dumpfe Grollen eines noch fernen Donners in den tiefen
Wäldern wieder, von denen der Gesichtskreis der Lagernden rings
umgeben ist. Die Soldaten, welche die Begleitung des Zuges bil¬
den, springen bei diesem Zeichen auf, um ihre Reitpferde zu satteln
und zu zäumen; sie laden auf alle Fälle ihre Pistolen und befestigen
das Gehege noch mehr, in welchem die Pferde des Convoi einge¬
schlossen sind. Diese letztern haben schon aufgehört, sich mit ihrem
Futter zu beschäftigen. Mit unruhig forschenden Auge sehen sie
nach allen Punkten des Horizonts herum, als wollten sie sich Ge¬
wißheit darüber verschaffen, von welcher Seite die Gefahr kommen
müsse; sie strecken die Hälse, sie schütteln ihre Köpfe; ein geheimer
innerer Schrecken hat sich ihrer bemächtigt. Indeß kommen die
Wolkenmassen immer näher, werden immer dichter und lassen am
Ende kaum noch einzelne Strahlen des Tageslichts durchschimmern.
Das elektrische Fluidum entladet sich, der Blitz zischt und des Don¬
ners Krachen erschüttert das Himmelsgewölbe. Mitten unter diesem
Tumult der entfesselten Elemente nun rennen die wilden Pferde im
Galopp im Gehege umher; jener neue Blitz, der die Wolken durch¬
furcht, jeder neue Donnerschlag, der erschallt, treibt sie von Neuem
von ih^er Stelle und eins dicht an's andere gedrängt, laufen sie
fortwährend im Umkreis ihres verschlossenen Geheges herum, indem
sie den schwächsten, am leichtesten zu durchbrechenden oder zu über¬
springenden Punkt desselben suchen. Endlich haben sie einen solchen
gefunden; dann stürzen sie sich in dicht gedrängter Masse wie zum
Angriffe auf diesen einen Punkt hin und mit unwiderstehlicher Kraft
zerbrechen und zertrümmern sie den Zaun, der sie einschließt, und
rennen in die Ebene. Beim düsterrothen Schein der Blitze sieht
man sie nach allen Richtungen hin ihre Flucht einschlagen und gleich
nebelhaften Schatten eilen sie an den Menschen vorbei.

Nun kommt für den Offizier die unendlich schwierige, dornen¬
volle Aufgabe, diese zerstreute Truppe wieder zu sammeln. Wie soll
er bei der geringen Anzahl Leute, die ihm zu Gebote stehen, damit
zu Stande kommen? Hier muß er alle seine Geschicklichkeit anwen¬
den. Wenn nun die Pferde sich in zwei Gruppen zertheilt haben,
so richtet er seine Anstrengungen zunächst dahin, sie durch Geschrei
und durch wiederholte Schüsse zu erschrecken und zu einer einzigen
Truppe zu vereinigen. Fahren sie in ihrer Flucht fort, so folgt er


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[0288] hallt das dumpfe Grollen eines noch fernen Donners in den tiefen Wäldern wieder, von denen der Gesichtskreis der Lagernden rings umgeben ist. Die Soldaten, welche die Begleitung des Zuges bil¬ den, springen bei diesem Zeichen auf, um ihre Reitpferde zu satteln und zu zäumen; sie laden auf alle Fälle ihre Pistolen und befestigen das Gehege noch mehr, in welchem die Pferde des Convoi einge¬ schlossen sind. Diese letztern haben schon aufgehört, sich mit ihrem Futter zu beschäftigen. Mit unruhig forschenden Auge sehen sie nach allen Punkten des Horizonts herum, als wollten sie sich Ge¬ wißheit darüber verschaffen, von welcher Seite die Gefahr kommen müsse; sie strecken die Hälse, sie schütteln ihre Köpfe; ein geheimer innerer Schrecken hat sich ihrer bemächtigt. Indeß kommen die Wolkenmassen immer näher, werden immer dichter und lassen am Ende kaum noch einzelne Strahlen des Tageslichts durchschimmern. Das elektrische Fluidum entladet sich, der Blitz zischt und des Don¬ ners Krachen erschüttert das Himmelsgewölbe. Mitten unter diesem Tumult der entfesselten Elemente nun rennen die wilden Pferde im Galopp im Gehege umher; jener neue Blitz, der die Wolken durch¬ furcht, jeder neue Donnerschlag, der erschallt, treibt sie von Neuem von ih^er Stelle und eins dicht an's andere gedrängt, laufen sie fortwährend im Umkreis ihres verschlossenen Geheges herum, indem sie den schwächsten, am leichtesten zu durchbrechenden oder zu über¬ springenden Punkt desselben suchen. Endlich haben sie einen solchen gefunden; dann stürzen sie sich in dicht gedrängter Masse wie zum Angriffe auf diesen einen Punkt hin und mit unwiderstehlicher Kraft zerbrechen und zertrümmern sie den Zaun, der sie einschließt, und rennen in die Ebene. Beim düsterrothen Schein der Blitze sieht man sie nach allen Richtungen hin ihre Flucht einschlagen und gleich nebelhaften Schatten eilen sie an den Menschen vorbei. Nun kommt für den Offizier die unendlich schwierige, dornen¬ volle Aufgabe, diese zerstreute Truppe wieder zu sammeln. Wie soll er bei der geringen Anzahl Leute, die ihm zu Gebote stehen, damit zu Stande kommen? Hier muß er alle seine Geschicklichkeit anwen¬ den. Wenn nun die Pferde sich in zwei Gruppen zertheilt haben, so richtet er seine Anstrengungen zunächst dahin, sie durch Geschrei und durch wiederholte Schüsse zu erschrecken und zu einer einzigen Truppe zu vereinigen. Fahren sie in ihrer Flucht fort, so folgt er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/288>, abgerufen am 26.08.2024.