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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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laste nicht die Besinnung, die Geistesgegenwart verliert, viel¬
mehr mitten im Außer Sinsheim der Sinnlichkeit unmit¬
telbar bei sich selbst ist und so, aber ganz incognito, ge¬
gen die Lehre polemisirt, welche in der Natur oder Sinnlichkeit nur
das Anders - und Außersichsein deö Geistes erblickt. Das Mittel,
glied, der l'vrminus modius zwischen dem Hohen und Niedrigen, dem
Abstracten und Concreten, dem Allgemeinen und Besondern ist nach
ihm praktisch die Liebe, theoretisch der Humor; die Liebe
verknüpft den Geist mit dem Menschen, der Humor die Wissen¬
schaft mit dem Leben, die Liebe ist selbst Humor und der Humor
Liebe. Den Humor eben, der übrigens keineswegs nur in gemüth¬
lichen Späßen oder in willkürlichen Verknüpfungen und Un¬
terbrechungen besteht, überhaupt aber auch dem Gebiete der Wis¬
senschaft nur nach seinen w esentlt es e n Eigenschaften geltend
gemacht werden kann -- diesen Humor in die Wissenschaft einzu¬
führen, war sein Bestreben, wie er sagt. "Das Bild hat bei mir
nicht die Bedeutung des Auswuchses üppiger Phantasie, die sich
gedankenlos zwischen den Verstand und die Sache einschickt, die den
Gedanken nur verschönern oder gar ersetzen soll, sondern das
Bild ist bei mir die Sache selbst, aber im concreten Fall, der Ge¬
danke selbst, aber zugleich als ein Gegenstand der Anschauung. Die
humoristische Bilderthätigkeit ist bei mir Methode des seiner
selbst vollkommen mächtigen und bewußten Gedankens.
Sehr häufig sind freilich Witz und Fantasie da, wo sie nicht in ihrem
eigenen Elemente, dem der Poesie, sivd, nur Viti-l snleii"litt.l, nur
Lückenbüßer des Gedankens. Etwas anderes ist eS dagegen, 'wo sie
die Früchte der Erkenntniß sind, denen nur die innere Reife
den reizenden Farbenschmuck der Schönheit aufgedrückt hat, wo es nicht
das Feuer der Sinnlichkeit und die Glut der Begierde ist, die den e r-
sehnten Gedanken in täuschenden Bildern zu erfassen strebt,
sondern die Glut des vollendeten Genusses, wo die Fantaste die
Geliebte des Gedankens ist, die die selige Gewißheit, daß sie
sein, daß Er ihr Wesen ist, dem Gedanken in freudetrunke¬
nen Blicken entgegenstrahlt, So sind Witz und Fantasie
nichts weiter, als der sich selbst erkennende und klar durchschauerte
Gedanke, der sich freiwillig zum Bilde entäußert, der sich anders
ausdrücken könnte, wenn er wollte, der nur aus Ironie unter der


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laste nicht die Besinnung, die Geistesgegenwart verliert, viel¬
mehr mitten im Außer Sinsheim der Sinnlichkeit unmit¬
telbar bei sich selbst ist und so, aber ganz incognito, ge¬
gen die Lehre polemisirt, welche in der Natur oder Sinnlichkeit nur
das Anders - und Außersichsein deö Geistes erblickt. Das Mittel,
glied, der l'vrminus modius zwischen dem Hohen und Niedrigen, dem
Abstracten und Concreten, dem Allgemeinen und Besondern ist nach
ihm praktisch die Liebe, theoretisch der Humor; die Liebe
verknüpft den Geist mit dem Menschen, der Humor die Wissen¬
schaft mit dem Leben, die Liebe ist selbst Humor und der Humor
Liebe. Den Humor eben, der übrigens keineswegs nur in gemüth¬
lichen Späßen oder in willkürlichen Verknüpfungen und Un¬
terbrechungen besteht, überhaupt aber auch dem Gebiete der Wis¬
senschaft nur nach seinen w esentlt es e n Eigenschaften geltend
gemacht werden kann — diesen Humor in die Wissenschaft einzu¬
führen, war sein Bestreben, wie er sagt. „Das Bild hat bei mir
nicht die Bedeutung des Auswuchses üppiger Phantasie, die sich
gedankenlos zwischen den Verstand und die Sache einschickt, die den
Gedanken nur verschönern oder gar ersetzen soll, sondern das
Bild ist bei mir die Sache selbst, aber im concreten Fall, der Ge¬
danke selbst, aber zugleich als ein Gegenstand der Anschauung. Die
humoristische Bilderthätigkeit ist bei mir Methode des seiner
selbst vollkommen mächtigen und bewußten Gedankens.
Sehr häufig sind freilich Witz und Fantasie da, wo sie nicht in ihrem
eigenen Elemente, dem der Poesie, sivd, nur Viti-l snleii«litt.l, nur
Lückenbüßer des Gedankens. Etwas anderes ist eS dagegen, 'wo sie
die Früchte der Erkenntniß sind, denen nur die innere Reife
den reizenden Farbenschmuck der Schönheit aufgedrückt hat, wo es nicht
das Feuer der Sinnlichkeit und die Glut der Begierde ist, die den e r-
sehnten Gedanken in täuschenden Bildern zu erfassen strebt,
sondern die Glut des vollendeten Genusses, wo die Fantaste die
Geliebte des Gedankens ist, die die selige Gewißheit, daß sie
sein, daß Er ihr Wesen ist, dem Gedanken in freudetrunke¬
nen Blicken entgegenstrahlt, So sind Witz und Fantasie
nichts weiter, als der sich selbst erkennende und klar durchschauerte
Gedanke, der sich freiwillig zum Bilde entäußert, der sich anders
ausdrücken könnte, wenn er wollte, der nur aus Ironie unter der


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[0025] laste nicht die Besinnung, die Geistesgegenwart verliert, viel¬ mehr mitten im Außer Sinsheim der Sinnlichkeit unmit¬ telbar bei sich selbst ist und so, aber ganz incognito, ge¬ gen die Lehre polemisirt, welche in der Natur oder Sinnlichkeit nur das Anders - und Außersichsein deö Geistes erblickt. Das Mittel, glied, der l'vrminus modius zwischen dem Hohen und Niedrigen, dem Abstracten und Concreten, dem Allgemeinen und Besondern ist nach ihm praktisch die Liebe, theoretisch der Humor; die Liebe verknüpft den Geist mit dem Menschen, der Humor die Wissen¬ schaft mit dem Leben, die Liebe ist selbst Humor und der Humor Liebe. Den Humor eben, der übrigens keineswegs nur in gemüth¬ lichen Späßen oder in willkürlichen Verknüpfungen und Un¬ terbrechungen besteht, überhaupt aber auch dem Gebiete der Wis¬ senschaft nur nach seinen w esentlt es e n Eigenschaften geltend gemacht werden kann — diesen Humor in die Wissenschaft einzu¬ führen, war sein Bestreben, wie er sagt. „Das Bild hat bei mir nicht die Bedeutung des Auswuchses üppiger Phantasie, die sich gedankenlos zwischen den Verstand und die Sache einschickt, die den Gedanken nur verschönern oder gar ersetzen soll, sondern das Bild ist bei mir die Sache selbst, aber im concreten Fall, der Ge¬ danke selbst, aber zugleich als ein Gegenstand der Anschauung. Die humoristische Bilderthätigkeit ist bei mir Methode des seiner selbst vollkommen mächtigen und bewußten Gedankens. Sehr häufig sind freilich Witz und Fantasie da, wo sie nicht in ihrem eigenen Elemente, dem der Poesie, sivd, nur Viti-l snleii«litt.l, nur Lückenbüßer des Gedankens. Etwas anderes ist eS dagegen, 'wo sie die Früchte der Erkenntniß sind, denen nur die innere Reife den reizenden Farbenschmuck der Schönheit aufgedrückt hat, wo es nicht das Feuer der Sinnlichkeit und die Glut der Begierde ist, die den e r- sehnten Gedanken in täuschenden Bildern zu erfassen strebt, sondern die Glut des vollendeten Genusses, wo die Fantaste die Geliebte des Gedankens ist, die die selige Gewißheit, daß sie sein, daß Er ihr Wesen ist, dem Gedanken in freudetrunke¬ nen Blicken entgegenstrahlt, So sind Witz und Fantasie nichts weiter, als der sich selbst erkennende und klar durchschauerte Gedanke, der sich freiwillig zum Bilde entäußert, der sich anders ausdrücken könnte, wenn er wollte, der nur aus Ironie unter der 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/25>, abgerufen am 23.07.2024.