Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester."Kameel," ein Pflastertreter geblieben; nie bat er, eS sei denn aus Nirgends finden sich so viele Originale, wie in den Universitäts¬ „Kameel," ein Pflastertreter geblieben; nie bat er, eS sei denn aus Nirgends finden sich so viele Originale, wie in den Universitäts¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266831"/> <p xml:id="ID_554" prev="#ID_553"> „Kameel," ein Pflastertreter geblieben; nie bat er, eS sei denn aus<lb/> heisrer Kehle, das luthersche Kern- und Stammlied: „Wer nicht<lb/> liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Lebelang"<lb/> mit angestimmt. Ein Poet, oder Novellist, der uns mit grasser<lb/> Anatomie die Falten eines Panser Dirnenherzens, die Philosophie<lb/> eines italienischen Taugenichtses auseinanderlegt, ein Damenscribent,<lb/> der mit Gist, Dolch und Treuebruch durch die polirten Salons<lb/> spaziert, wie kann ein solcher nihilominus eine honorige Studenten¬<lb/> haut, wenn es nicht eine geborgte war, getragen haben? Gott<lb/> weiß, unter welchem Ladentisch er seine ersten Musterrollen einmemo--<lb/> rire; ich weiß nur dies, daß er nie einen zweischneidigen Schläger<lb/> in der Faust gewiegt, daß nie ein Landesvaterstoß seine Kappe ge¬<lb/> lüftet hat. Eine leichte Sache ist es auch, einen Dramatiker zu<lb/> erkennen, der auf der Schaubühne eines Musensitzes, wo Jedermann<lb/> Held ist, mit agirt hat, und denjenigen, welcher von Kindesbeinen<lb/> an unter Komödianten und Komödiantinnen, Lobhudlern und feilen<lb/> Witzbolden sich umhergetrieben. Dem ersten wird immer eine Ader<lb/> von Götz, von Karl Moor, Posa, Hamlet, Faust mit einfließen, zum<lb/> allermtndesten eine Dosis Fiesko oder Verrina, Zrini, Tell und<lb/> Jungfrau von Orleans. Bei dem letzten hingegen haben wir<lb/> galante und teufelhafte Machinationen, Blutschuld, Bankerotte, Spie¬<lb/> ler, Satane oder verdüsterte Engel. Der ehemalige Musensohn<lb/> schreibt, auch wenn er den Musen ex nlkiciu und um Profit dient,<lb/> kühn und markig, aus dem Drang der Seele, der bloß studirte und<lb/> gebildete Mann arbeitet sein, gleißend, scharf; jener wird ein Denker<lb/> und, was fast das nämliche ist, ein Behaupter, dieser wird ein<lb/> Raisonneur; der erste wird bald ein Demokrat, bald ein Anhänger<lb/> der reinen Monarchie, nie aber ein Aristokrat, am wenigsten einer<lb/> des Geldes^ er wird, während der andere alle Vortheile mit einan¬<lb/> der und mit dem seinigen zu vereinen suchen wird, immer nur Einem<lb/> Herrn dienen, dem Fürsten, seiner Idee, seinem Gott.</p><lb/> <p xml:id="ID_555" next="#ID_556"> Nirgends finden sich so viele Originale, wie in den Universitäts¬<lb/> städten. Die pure, ja die plumpste Eigenartigkeit ist das Element<lb/> der Burschenvegetation. Nur Ein Gesetz gilt unter diesem freien<lb/> Volke: erlaubt ist Alles, was sich macht, — ein ungleich tiefsin¬<lb/> nigeres, männlicheres Wort als das Göthesche: erlaubt ist Alles<lb/> was sich schickt! Nur der gelenke Hofmann und Geheimerath</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0214]
„Kameel," ein Pflastertreter geblieben; nie bat er, eS sei denn aus
heisrer Kehle, das luthersche Kern- und Stammlied: „Wer nicht
liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Lebelang"
mit angestimmt. Ein Poet, oder Novellist, der uns mit grasser
Anatomie die Falten eines Panser Dirnenherzens, die Philosophie
eines italienischen Taugenichtses auseinanderlegt, ein Damenscribent,
der mit Gist, Dolch und Treuebruch durch die polirten Salons
spaziert, wie kann ein solcher nihilominus eine honorige Studenten¬
haut, wenn es nicht eine geborgte war, getragen haben? Gott
weiß, unter welchem Ladentisch er seine ersten Musterrollen einmemo--
rire; ich weiß nur dies, daß er nie einen zweischneidigen Schläger
in der Faust gewiegt, daß nie ein Landesvaterstoß seine Kappe ge¬
lüftet hat. Eine leichte Sache ist es auch, einen Dramatiker zu
erkennen, der auf der Schaubühne eines Musensitzes, wo Jedermann
Held ist, mit agirt hat, und denjenigen, welcher von Kindesbeinen
an unter Komödianten und Komödiantinnen, Lobhudlern und feilen
Witzbolden sich umhergetrieben. Dem ersten wird immer eine Ader
von Götz, von Karl Moor, Posa, Hamlet, Faust mit einfließen, zum
allermtndesten eine Dosis Fiesko oder Verrina, Zrini, Tell und
Jungfrau von Orleans. Bei dem letzten hingegen haben wir
galante und teufelhafte Machinationen, Blutschuld, Bankerotte, Spie¬
ler, Satane oder verdüsterte Engel. Der ehemalige Musensohn
schreibt, auch wenn er den Musen ex nlkiciu und um Profit dient,
kühn und markig, aus dem Drang der Seele, der bloß studirte und
gebildete Mann arbeitet sein, gleißend, scharf; jener wird ein Denker
und, was fast das nämliche ist, ein Behaupter, dieser wird ein
Raisonneur; der erste wird bald ein Demokrat, bald ein Anhänger
der reinen Monarchie, nie aber ein Aristokrat, am wenigsten einer
des Geldes^ er wird, während der andere alle Vortheile mit einan¬
der und mit dem seinigen zu vereinen suchen wird, immer nur Einem
Herrn dienen, dem Fürsten, seiner Idee, seinem Gott.
Nirgends finden sich so viele Originale, wie in den Universitäts¬
städten. Die pure, ja die plumpste Eigenartigkeit ist das Element
der Burschenvegetation. Nur Ein Gesetz gilt unter diesem freien
Volke: erlaubt ist Alles, was sich macht, — ein ungleich tiefsin¬
nigeres, männlicheres Wort als das Göthesche: erlaubt ist Alles
was sich schickt! Nur der gelenke Hofmann und Geheimerath
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