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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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die Religion gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Als katholischer
König glaubte er, Gott für das Heil seiner Unterthanen verantwort¬
lich zu sein: die Sectirer waren in seinen Augen schlimmere Ver¬
brecher als Giftmischer und Mörder, weil sie die Seelen tödteten:
sein Mitleid ward nur zu Gunsten der Schlachtopfer, nicht der
Schuldigen rege und seine Strenge ward durch seine Frömmigkeit
selbst gereizt. Ich weiß wohl, daß diese Ideen mit den Grundsätzen
religiöser Duldung oder Gleichgiltigkeit, die jetzt herrschen, nicht
übereinstimmen; daß ein solcher König nach dem Urtheil derer,
welche die Freiheit und Unverletzlichkeit der Glaubensansichten pro-
clamiren, nur ein Verfolger und Tyrann sein kann; aber ich wie¬
derhole auch nochmals, daß in den Augen seiner Zeitgenossen,
welche die protestantische Jnsurrection und die aus derselben für
Religion und Staat erwachsenden Gefahren selbst mit ansahen,
Philipp keineswegs in diesem Lichte erschien."

"Jene Zeit konnte ihm den Vorwurf der Grausamkeit um so
weniger machen, da die Grausamkeit leider eins der unläugbaren
Charakterzeichen Mes unglücklichen Jahrhunderts war und alle Par¬
teien in Politik und Religion sich damit befleckten. Ich erinnere
nur an Calvin's Traktat über die von ihm mit einem schrecklichen
Raffinement von Grausamkeit veranstaltete Verbrennung des un¬
glücklichen Server, und an die abscheulichen Grausamkeiten, welche
die calvinistischen Generale Sonnoy und Lumep gegen arme hollän¬
dische Bauern, friedliche und harmlose Katholiken begingen. Selbst
die aufgeklärtesten Geister jener Zeit litten an diesem Uebel. So giebt
Granvella, der seinen persönlichen Feinden sehr leicht verzieh, dein
König Philipp den Rath, er solle auf Oranien's Kopf einen
Preis setzen, weil, wie er sagt, "man demjenigen, der gegen
leinen Fürsten das Schwert gezogen, weder Schonung noch Mitleid
schuldig ist."

"Nach dem Geiste dieser Zeit muß also auch Philipp II. und
seine Regierung beurtheilt werden; denn Niemand steht außer sei¬
ner Zeit."




die Religion gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Als katholischer
König glaubte er, Gott für das Heil seiner Unterthanen verantwort¬
lich zu sein: die Sectirer waren in seinen Augen schlimmere Ver¬
brecher als Giftmischer und Mörder, weil sie die Seelen tödteten:
sein Mitleid ward nur zu Gunsten der Schlachtopfer, nicht der
Schuldigen rege und seine Strenge ward durch seine Frömmigkeit
selbst gereizt. Ich weiß wohl, daß diese Ideen mit den Grundsätzen
religiöser Duldung oder Gleichgiltigkeit, die jetzt herrschen, nicht
übereinstimmen; daß ein solcher König nach dem Urtheil derer,
welche die Freiheit und Unverletzlichkeit der Glaubensansichten pro-
clamiren, nur ein Verfolger und Tyrann sein kann; aber ich wie¬
derhole auch nochmals, daß in den Augen seiner Zeitgenossen,
welche die protestantische Jnsurrection und die aus derselben für
Religion und Staat erwachsenden Gefahren selbst mit ansahen,
Philipp keineswegs in diesem Lichte erschien."

„Jene Zeit konnte ihm den Vorwurf der Grausamkeit um so
weniger machen, da die Grausamkeit leider eins der unläugbaren
Charakterzeichen Mes unglücklichen Jahrhunderts war und alle Par¬
teien in Politik und Religion sich damit befleckten. Ich erinnere
nur an Calvin's Traktat über die von ihm mit einem schrecklichen
Raffinement von Grausamkeit veranstaltete Verbrennung des un¬
glücklichen Server, und an die abscheulichen Grausamkeiten, welche
die calvinistischen Generale Sonnoy und Lumep gegen arme hollän¬
dische Bauern, friedliche und harmlose Katholiken begingen. Selbst
die aufgeklärtesten Geister jener Zeit litten an diesem Uebel. So giebt
Granvella, der seinen persönlichen Feinden sehr leicht verzieh, dein
König Philipp den Rath, er solle auf Oranien's Kopf einen
Preis setzen, weil, wie er sagt, „man demjenigen, der gegen
leinen Fürsten das Schwert gezogen, weder Schonung noch Mitleid
schuldig ist."

„Nach dem Geiste dieser Zeit muß also auch Philipp II. und
seine Regierung beurtheilt werden; denn Niemand steht außer sei¬
ner Zeit."




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[0148] die Religion gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Als katholischer König glaubte er, Gott für das Heil seiner Unterthanen verantwort¬ lich zu sein: die Sectirer waren in seinen Augen schlimmere Ver¬ brecher als Giftmischer und Mörder, weil sie die Seelen tödteten: sein Mitleid ward nur zu Gunsten der Schlachtopfer, nicht der Schuldigen rege und seine Strenge ward durch seine Frömmigkeit selbst gereizt. Ich weiß wohl, daß diese Ideen mit den Grundsätzen religiöser Duldung oder Gleichgiltigkeit, die jetzt herrschen, nicht übereinstimmen; daß ein solcher König nach dem Urtheil derer, welche die Freiheit und Unverletzlichkeit der Glaubensansichten pro- clamiren, nur ein Verfolger und Tyrann sein kann; aber ich wie¬ derhole auch nochmals, daß in den Augen seiner Zeitgenossen, welche die protestantische Jnsurrection und die aus derselben für Religion und Staat erwachsenden Gefahren selbst mit ansahen, Philipp keineswegs in diesem Lichte erschien." „Jene Zeit konnte ihm den Vorwurf der Grausamkeit um so weniger machen, da die Grausamkeit leider eins der unläugbaren Charakterzeichen Mes unglücklichen Jahrhunderts war und alle Par¬ teien in Politik und Religion sich damit befleckten. Ich erinnere nur an Calvin's Traktat über die von ihm mit einem schrecklichen Raffinement von Grausamkeit veranstaltete Verbrennung des un¬ glücklichen Server, und an die abscheulichen Grausamkeiten, welche die calvinistischen Generale Sonnoy und Lumep gegen arme hollän¬ dische Bauern, friedliche und harmlose Katholiken begingen. Selbst die aufgeklärtesten Geister jener Zeit litten an diesem Uebel. So giebt Granvella, der seinen persönlichen Feinden sehr leicht verzieh, dein König Philipp den Rath, er solle auf Oranien's Kopf einen Preis setzen, weil, wie er sagt, „man demjenigen, der gegen leinen Fürsten das Schwert gezogen, weder Schonung noch Mitleid schuldig ist." „Nach dem Geiste dieser Zeit muß also auch Philipp II. und seine Regierung beurtheilt werden; denn Niemand steht außer sei¬ ner Zeit."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/148>, abgerufen am 23.07.2024.