Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.chres bittern Tadels über das ergossen, was sie seine Ausschweifun¬ Wenn schon i,in Gebiete der Literatur der Styl den Schriftstel- Kein Maler der Volkshelden ist wahrer gewesen, als Brauer. chres bittern Tadels über das ergossen, was sie seine Ausschweifun¬ Wenn schon i,in Gebiete der Literatur der Styl den Schriftstel- Kein Maler der Volkshelden ist wahrer gewesen, als Brauer. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266725"/> <p xml:id="ID_253" prev="#ID_252"> chres bittern Tadels über das ergossen, was sie seine Ausschweifun¬<lb/> gen und seine Liederlichkeit nennen. Keiner von ihnen hat die Einflüsse,<lb/> unter denen das Talent des Malers sich ausbildete und heranwuchs, er¬<lb/> kannt und ihm zu Gute halten mögen. Man hat den armen Wai¬<lb/> senknaben, der hungrig und nackt einem gierigen Ausbeuter in die<lb/> Hände fiel, und dem es eigentlich an aller Erziehung gemangelt hat,<lb/> beurtheilt, als stände er auf gleicher Stufe mit Rubens oder van<lb/> Dyk, die, wie sie Fürsten durch ihr Talent, so auch Edelleute duch die<lb/> Eleganz ihrer Sitten und den Aufschwung ihrer Geistesbildung<lb/> waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_254"> Wenn schon i,in Gebiete der Literatur der Styl den Schriftstel-<lb/> ler verräth und die Individualität nothwendig in der literarischen<lb/> Form sich abfärbt, um wie viel mehr muß dies im Gebiete der pla¬<lb/> stischen Künste stattfinden, welche der Persönlichkeit des Künstlers<lb/> Tausende von Mitteln zur Kundgebung darbieten, die dem geschrie¬<lb/> benen Wort stets abgehen. Brauer'S Leben war unglücklicher Weise<lb/> wie unauflöslich festgeknüpft an ausschweifende Orgien. Die Ein¬<lb/> flüsse, die in seiner Jugend ihn trafen, das harte Elend, das an<lb/> seiner Wiege schon ihn mit gewaltigen. Griffen packte; eine glühende<lb/> Sinnlichkeit, die, je länger ihr durch Arbeit und durch Entbehrun¬<lb/> gen aller Art Befriedigung versagt gewesen, mit um so größerer<lb/> Gewalt alle Dämme durchbrach und sich unersättlich in den mate¬<lb/> riellen Genüssen berauschte, die sie bisher vergebens erstrebt; eine<lb/> lebhafte Sympathie für die Volkssitten und endlich die Gewohnheit<lb/> des Kneipenlebens; alle diese Ursachen erklären wenigstens, wenn sie<lb/> dieselbe auch nicht entschuldigen, Brauer's tiefgesunkene Lebensweise,<lb/> von dem die kräftige Hand einer wachsamen Freundschaft vielleicht<lb/> das Schmachurtheil ferngehalten hätte, welches die Geschichte über<lb/> seinem Grabe ausgesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_255" next="#ID_256"> Kein Maler der Volkshelden ist wahrer gewesen, als Brauer.<lb/> David Teniers nimmt vom Volke nur seine Freuden, seine Feste, seine<lb/> Kermessen an und, was die Farben der Wirklichkeit bei diesen<lb/> Gegenständen allzu Rohes oder zu Auffallendes haben können, da¬<lb/> mit versöhnt er durch den Geist und den gutmüthigen Spott, der<lb/> Wer seine. Gemälde ausgegossen ist. Ueber alle seine Arbeiten webt<lb/> sich ein Schleier ländlicher, fast idyllischer Poesie, der die rauhesten<lb/> Züge unserem Auge verhüllt. Man meint die römischen Hirten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
chres bittern Tadels über das ergossen, was sie seine Ausschweifun¬
gen und seine Liederlichkeit nennen. Keiner von ihnen hat die Einflüsse,
unter denen das Talent des Malers sich ausbildete und heranwuchs, er¬
kannt und ihm zu Gute halten mögen. Man hat den armen Wai¬
senknaben, der hungrig und nackt einem gierigen Ausbeuter in die
Hände fiel, und dem es eigentlich an aller Erziehung gemangelt hat,
beurtheilt, als stände er auf gleicher Stufe mit Rubens oder van
Dyk, die, wie sie Fürsten durch ihr Talent, so auch Edelleute duch die
Eleganz ihrer Sitten und den Aufschwung ihrer Geistesbildung
waren.
Wenn schon i,in Gebiete der Literatur der Styl den Schriftstel-
ler verräth und die Individualität nothwendig in der literarischen
Form sich abfärbt, um wie viel mehr muß dies im Gebiete der pla¬
stischen Künste stattfinden, welche der Persönlichkeit des Künstlers
Tausende von Mitteln zur Kundgebung darbieten, die dem geschrie¬
benen Wort stets abgehen. Brauer'S Leben war unglücklicher Weise
wie unauflöslich festgeknüpft an ausschweifende Orgien. Die Ein¬
flüsse, die in seiner Jugend ihn trafen, das harte Elend, das an
seiner Wiege schon ihn mit gewaltigen. Griffen packte; eine glühende
Sinnlichkeit, die, je länger ihr durch Arbeit und durch Entbehrun¬
gen aller Art Befriedigung versagt gewesen, mit um so größerer
Gewalt alle Dämme durchbrach und sich unersättlich in den mate¬
riellen Genüssen berauschte, die sie bisher vergebens erstrebt; eine
lebhafte Sympathie für die Volkssitten und endlich die Gewohnheit
des Kneipenlebens; alle diese Ursachen erklären wenigstens, wenn sie
dieselbe auch nicht entschuldigen, Brauer's tiefgesunkene Lebensweise,
von dem die kräftige Hand einer wachsamen Freundschaft vielleicht
das Schmachurtheil ferngehalten hätte, welches die Geschichte über
seinem Grabe ausgesprochen.
Kein Maler der Volkshelden ist wahrer gewesen, als Brauer.
David Teniers nimmt vom Volke nur seine Freuden, seine Feste, seine
Kermessen an und, was die Farben der Wirklichkeit bei diesen
Gegenständen allzu Rohes oder zu Auffallendes haben können, da¬
mit versöhnt er durch den Geist und den gutmüthigen Spott, der
Wer seine. Gemälde ausgegossen ist. Ueber alle seine Arbeiten webt
sich ein Schleier ländlicher, fast idyllischer Poesie, der die rauhesten
Züge unserem Auge verhüllt. Man meint die römischen Hirten
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