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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Nach London zurückgekehrt, besann sich indeß Letzterer eines andern; er erklärte die
Angabe der Times für Verleumdung, und forderte das Journal, unter Androhung eines
Ehrenkränkungsprocesses, auf, alles zu widerrufen, was es, in Betreff seiner, ausgesagt
hatte. Die Eigenthümer der Times, überzeugt von der Zuverlässigkeit ihres Correspon¬
denten, und im Gefühl der Pflicht, welche ihnen, gegenüber dem Publikum, obliegt,
zogen es vor, die Sache zur gerichtlichen Untersuchung kommen zu lassen. Kein Opfer
schien ihnen zu groß, um sich die Beweise der veröffentlichten Thatsachen zu verschaffen.
Fünfzehn Untersuchungscommissionen begaben sich, auf ihre kosten, nach Brüssel, Florenz,
Triest, und nach andern Orten, wo man Nachweise über jene Bande zu finden erwar¬
ten durfte.

Frankreich wurde iu dieser saubern Verbindung durch zwei Marquis, einen Baron
und ein Freudenmädchen repräsentirt. Aus den gerichtlichen Nachforschungen ist hervor¬
gegangen, daß einer der Marquis in London die Platte hat stechen lassen, mit der man
die falschen Wechsel abzog; daß derselbe sich sodann nach Florenz verfügte, wo Herr
Bogle ihm einen wahren, von H. Glyn und Comp. unterzeichneten Wechsel einhändigte,
und daß der Schwiegervater des Herrn Bogle, mit Hilfe eines höchst sinnreichen In¬
struments, die Unterschrift auf die fälschen Wechsel setzte. Die Aussage eines Herrn
Kerrik, Associes von Herrn Bogle, hat endlich die Sache zur Entscheidung gebracht;
nach kurzer Berathung schätzte die Jury den Schadenersatz für die, Herrn Bogle zuge¬
fügte Ehrenkränkung, auf einen Pfennig!

Diesen Betrag hat Herr Bogle für die, ohne Zweifel sehr bedeutenden Kosten, die
er gehabt, herausbekommen; außerdem aber hat er die, für diesen Proceß berufenen,
Specialjurys bezahlen müssen; denn jeder Geschworne hat, in Betracht der Speciali¬
tät, für die er ernannt ist, einen Anspruch auf eine Guinee Entschädigung. Die bei¬
den in Belgien eingezogenen Individuen sind zu 12 und 15 Jahren Zwangsarbeit ver¬
urtheilt.

Die Ausgaben der Times belaufen sich auf 75,000 oder gar, wie man sagt, auf
mehr als 100,000 Franken. Welche deutsche Zeitung würde, oder könnte eine solche
Summe an ihre Ehrenrettung wagen? Ich erinnere mich nur eines Beispiels, wo ein
deutscher Journalredacteur eine eclatante Manifestation gegeben hat, daß ihm die ma¬
kellose Ehre der Redaction heiß und wahrhaft am Herzen liegt. Dieses Beispiel gab
Doctor Kolb, in jener bekannten Duellgeschichte mit dem Redacteur eines andern po¬
litischen Blattes in Stuttgart. Freilich haben die deutschen Zeitungen nicht so häufig
Gelegenheit, in Collisionen zu kommen, da sie ohnehin stets bewacht, und in ihren Aus-
sprüchen begrenzt werden. Dagegen fehlt ihnen leider auch der große Einfluß auf ihre
Nation und die Gesellschaft. Der Proceß der Times hat dagegen gezeigt, welche Wich¬
tigkeit man hier dem Journalismus beilegt.

Die vornehmsten Banquiers und Handelsherren von London haben nämlich eine
Zusammenkunft gehalten, um jenem Journal, im Namen des Handelsstandes, Dank¬
sagungen und Glückwünsche auszusprechen. Das Einladungsschreiben war von den

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Nach London zurückgekehrt, besann sich indeß Letzterer eines andern; er erklärte die
Angabe der Times für Verleumdung, und forderte das Journal, unter Androhung eines
Ehrenkränkungsprocesses, auf, alles zu widerrufen, was es, in Betreff seiner, ausgesagt
hatte. Die Eigenthümer der Times, überzeugt von der Zuverlässigkeit ihres Correspon¬
denten, und im Gefühl der Pflicht, welche ihnen, gegenüber dem Publikum, obliegt,
zogen es vor, die Sache zur gerichtlichen Untersuchung kommen zu lassen. Kein Opfer
schien ihnen zu groß, um sich die Beweise der veröffentlichten Thatsachen zu verschaffen.
Fünfzehn Untersuchungscommissionen begaben sich, auf ihre kosten, nach Brüssel, Florenz,
Triest, und nach andern Orten, wo man Nachweise über jene Bande zu finden erwar¬
ten durfte.

Frankreich wurde iu dieser saubern Verbindung durch zwei Marquis, einen Baron
und ein Freudenmädchen repräsentirt. Aus den gerichtlichen Nachforschungen ist hervor¬
gegangen, daß einer der Marquis in London die Platte hat stechen lassen, mit der man
die falschen Wechsel abzog; daß derselbe sich sodann nach Florenz verfügte, wo Herr
Bogle ihm einen wahren, von H. Glyn und Comp. unterzeichneten Wechsel einhändigte,
und daß der Schwiegervater des Herrn Bogle, mit Hilfe eines höchst sinnreichen In¬
struments, die Unterschrift auf die fälschen Wechsel setzte. Die Aussage eines Herrn
Kerrik, Associes von Herrn Bogle, hat endlich die Sache zur Entscheidung gebracht;
nach kurzer Berathung schätzte die Jury den Schadenersatz für die, Herrn Bogle zuge¬
fügte Ehrenkränkung, auf einen Pfennig!

Diesen Betrag hat Herr Bogle für die, ohne Zweifel sehr bedeutenden Kosten, die
er gehabt, herausbekommen; außerdem aber hat er die, für diesen Proceß berufenen,
Specialjurys bezahlen müssen; denn jeder Geschworne hat, in Betracht der Speciali¬
tät, für die er ernannt ist, einen Anspruch auf eine Guinee Entschädigung. Die bei¬
den in Belgien eingezogenen Individuen sind zu 12 und 15 Jahren Zwangsarbeit ver¬
urtheilt.

Die Ausgaben der Times belaufen sich auf 75,000 oder gar, wie man sagt, auf
mehr als 100,000 Franken. Welche deutsche Zeitung würde, oder könnte eine solche
Summe an ihre Ehrenrettung wagen? Ich erinnere mich nur eines Beispiels, wo ein
deutscher Journalredacteur eine eclatante Manifestation gegeben hat, daß ihm die ma¬
kellose Ehre der Redaction heiß und wahrhaft am Herzen liegt. Dieses Beispiel gab
Doctor Kolb, in jener bekannten Duellgeschichte mit dem Redacteur eines andern po¬
litischen Blattes in Stuttgart. Freilich haben die deutschen Zeitungen nicht so häufig
Gelegenheit, in Collisionen zu kommen, da sie ohnehin stets bewacht, und in ihren Aus-
sprüchen begrenzt werden. Dagegen fehlt ihnen leider auch der große Einfluß auf ihre
Nation und die Gesellschaft. Der Proceß der Times hat dagegen gezeigt, welche Wich¬
tigkeit man hier dem Journalismus beilegt.

Die vornehmsten Banquiers und Handelsherren von London haben nämlich eine
Zusammenkunft gehalten, um jenem Journal, im Namen des Handelsstandes, Dank¬
sagungen und Glückwünsche auszusprechen. Das Einladungsschreiben war von den

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[63/0071] Nach London zurückgekehrt, besann sich indeß Letzterer eines andern; er erklärte die Angabe der Times für Verleumdung, und forderte das Journal, unter Androhung eines Ehrenkränkungsprocesses, auf, alles zu widerrufen, was es, in Betreff seiner, ausgesagt hatte. Die Eigenthümer der Times, überzeugt von der Zuverlässigkeit ihres Correspon¬ denten, und im Gefühl der Pflicht, welche ihnen, gegenüber dem Publikum, obliegt, zogen es vor, die Sache zur gerichtlichen Untersuchung kommen zu lassen. Kein Opfer schien ihnen zu groß, um sich die Beweise der veröffentlichten Thatsachen zu verschaffen. Fünfzehn Untersuchungscommissionen begaben sich, auf ihre kosten, nach Brüssel, Florenz, Triest, und nach andern Orten, wo man Nachweise über jene Bande zu finden erwar¬ ten durfte. Frankreich wurde iu dieser saubern Verbindung durch zwei Marquis, einen Baron und ein Freudenmädchen repräsentirt. Aus den gerichtlichen Nachforschungen ist hervor¬ gegangen, daß einer der Marquis in London die Platte hat stechen lassen, mit der man die falschen Wechsel abzog; daß derselbe sich sodann nach Florenz verfügte, wo Herr Bogle ihm einen wahren, von H. Glyn und Comp. unterzeichneten Wechsel einhändigte, und daß der Schwiegervater des Herrn Bogle, mit Hilfe eines höchst sinnreichen In¬ struments, die Unterschrift auf die fälschen Wechsel setzte. Die Aussage eines Herrn Kerrik, Associes von Herrn Bogle, hat endlich die Sache zur Entscheidung gebracht; nach kurzer Berathung schätzte die Jury den Schadenersatz für die, Herrn Bogle zuge¬ fügte Ehrenkränkung, auf einen Pfennig! Diesen Betrag hat Herr Bogle für die, ohne Zweifel sehr bedeutenden Kosten, die er gehabt, herausbekommen; außerdem aber hat er die, für diesen Proceß berufenen, Specialjurys bezahlen müssen; denn jeder Geschworne hat, in Betracht der Speciali¬ tät, für die er ernannt ist, einen Anspruch auf eine Guinee Entschädigung. Die bei¬ den in Belgien eingezogenen Individuen sind zu 12 und 15 Jahren Zwangsarbeit ver¬ urtheilt. Die Ausgaben der Times belaufen sich auf 75,000 oder gar, wie man sagt, auf mehr als 100,000 Franken. Welche deutsche Zeitung würde, oder könnte eine solche Summe an ihre Ehrenrettung wagen? Ich erinnere mich nur eines Beispiels, wo ein deutscher Journalredacteur eine eclatante Manifestation gegeben hat, daß ihm die ma¬ kellose Ehre der Redaction heiß und wahrhaft am Herzen liegt. Dieses Beispiel gab Doctor Kolb, in jener bekannten Duellgeschichte mit dem Redacteur eines andern po¬ litischen Blattes in Stuttgart. Freilich haben die deutschen Zeitungen nicht so häufig Gelegenheit, in Collisionen zu kommen, da sie ohnehin stets bewacht, und in ihren Aus- sprüchen begrenzt werden. Dagegen fehlt ihnen leider auch der große Einfluß auf ihre Nation und die Gesellschaft. Der Proceß der Times hat dagegen gezeigt, welche Wich¬ tigkeit man hier dem Journalismus beilegt. Die vornehmsten Banquiers und Handelsherren von London haben nämlich eine Zusammenkunft gehalten, um jenem Journal, im Namen des Handelsstandes, Dank¬ sagungen und Glückwünsche auszusprechen. Das Einladungsschreiben war von den g»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/71>, abgerufen am 25.11.2024.