hat, rühmend von Deutschland anerkannt werden müssen. Wir erkennen freudig die Bemühungen des Auslandes an, die es an Erforschung und Aneignung der deutschen Sprache und Wissenschaft wendet, wir begrüßen die Auferstehung der deutschen Dialekte in Flandern, Brabant und den übrigen niederländischen Provinzen, als ein Ereigniß voll guter Vorbedeutung; und sehen darin eine Erweiterung, gewissermaßen eine geistige Eroberung früher zu Deutschland gehöriger Gebiete. Und hier in einer Provinz, die nur durch die Schwäche der Zeiten für Deutschland verloren ging, welche fremde Er¬ oberungssucht und engherzige heimische Politik von dem deutschen Staatskör¬ per losrissen, sollten wir in dieser gewiß eigenthümlichen Erscheinung nichts sehen, als ein seltsames Naturspiel? Wir sollten in dem ernsten Streben der Gelehrten, in der Stimme der Dichter nur die augenblickliche Laune er¬ kennen, die mit den Formen spielt und sich im Gebrauche einer mühsam erlernten Sprache ergötzt?"
Wenn es wahr ist, daß Frankreich durch einen nun bald zweihundert¬ jährigen Besitz des Elsasses nichts mehr für sich gewonnen hat, als die Stim¬ men rhetorisirender Publicisten und Kammerdeputirten, nebst der modernen Anhänglichkeit jener Afterpatrioten, welche sich ihres Ursprunges, -- mit mehr Grund vielleicht ihrer Natur und Gesinnung -- schämen zu müssen glauben, so wäre es allerdings nothwendig, daß Deutschland jene geistige Eroberung, durch seine Theilnahme und Mitwirkung an allem Ursprüngli¬ chen und Nationalen unterstützte. Es ist nur zu wünschen, daß diese so¬ genannte Eroberung eine geistige werde, denn nur in diesem Falle wird sie zugleich bereichernd und innerlich befreiend wirken. Der nächste politische Verband eines Landes ist eine Frage, die hier nicht in Betracht kommt; die Zeit, in der wir leben, strebt nach einer allgemeinern Staatenordnung, sie geht darauf aus, die gebildetsten Völker Europa's durch gemeinsame In¬ teressen zu einer Gesammtgruppe zu stellen. -- Was Belgien betrifft, so findet es in seiner Selbstständigkeit und dauernden Einheit die wahre Kraft, um die geistigen Elemente der benachbarten und verwandten Völker in sich zu verarbeiten. Dieser reiche Boden trägt einen so bestimmt ausgesproche¬ nen Charakter, seine Geschichte hat eine so individuelle Färbung, daß er, dem deutschen Vaterlande gegenüber, sich nicht bloß empfangend, sondern auch mittheilend und anregend zu verhalten hat. Wenn man den Elsaß als eine von Deutschland, durch Verrath und Schwäche, an den Fremden abgefallene Provinz ansehen muß, so zeigt sich in Belgien vielmehr ein aus altgermanischer Wurzel entsprossener, freier, in vielfachen, kräftigen Zweigen gegliederter, selbstständiger Stamm, ein Wachsthum voll eignen Trie¬ bes, voll innerer, fester Dauer. Die flamändische Sprache, deren erneuter Anbau eine schöne Frucht des, nach allen Richtungen, frei sich bewegenden
hat, rühmend von Deutschland anerkannt werden müssen. Wir erkennen freudig die Bemühungen des Auslandes an, die es an Erforschung und Aneignung der deutschen Sprache und Wissenschaft wendet, wir begrüßen die Auferstehung der deutschen Dialekte in Flandern, Brabant und den übrigen niederländischen Provinzen, als ein Ereigniß voll guter Vorbedeutung; und sehen darin eine Erweiterung, gewissermaßen eine geistige Eroberung früher zu Deutschland gehöriger Gebiete. Und hier in einer Provinz, die nur durch die Schwäche der Zeiten für Deutschland verloren ging, welche fremde Er¬ oberungssucht und engherzige heimische Politik von dem deutschen Staatskör¬ per losrissen, sollten wir in dieser gewiß eigenthümlichen Erscheinung nichts sehen, als ein seltsames Naturspiel? Wir sollten in dem ernsten Streben der Gelehrten, in der Stimme der Dichter nur die augenblickliche Laune er¬ kennen, die mit den Formen spielt und sich im Gebrauche einer mühsam erlernten Sprache ergötzt?“
Wenn es wahr ist, daß Frankreich durch einen nun bald zweihundert¬ jährigen Besitz des Elsasses nichts mehr für sich gewonnen hat, als die Stim¬ men rhetorisirender Publicisten und Kammerdeputirten, nebst der modernen Anhänglichkeit jener Afterpatrioten, welche sich ihres Ursprunges, — mit mehr Grund vielleicht ihrer Natur und Gesinnung — schämen zu müssen glauben, so wäre es allerdings nothwendig, daß Deutschland jene geistige Eroberung, durch seine Theilnahme und Mitwirkung an allem Ursprüngli¬ chen und Nationalen unterstützte. Es ist nur zu wünschen, daß diese so¬ genannte Eroberung eine geistige werde, denn nur in diesem Falle wird sie zugleich bereichernd und innerlich befreiend wirken. Der nächste politische Verband eines Landes ist eine Frage, die hier nicht in Betracht kommt; die Zeit, in der wir leben, strebt nach einer allgemeinern Staatenordnung, sie geht darauf aus, die gebildetsten Völker Europa's durch gemeinsame In¬ teressen zu einer Gesammtgruppe zu stellen. — Was Belgien betrifft, so findet es in seiner Selbstständigkeit und dauernden Einheit die wahre Kraft, um die geistigen Elemente der benachbarten und verwandten Völker in sich zu verarbeiten. Dieser reiche Boden trägt einen so bestimmt ausgesproche¬ nen Charakter, seine Geschichte hat eine so individuelle Färbung, daß er, dem deutschen Vaterlande gegenüber, sich nicht bloß empfangend, sondern auch mittheilend und anregend zu verhalten hat. Wenn man den Elsaß als eine von Deutschland, durch Verrath und Schwäche, an den Fremden abgefallene Provinz ansehen muß, so zeigt sich in Belgien vielmehr ein aus altgermanischer Wurzel entsprossener, freier, in vielfachen, kräftigen Zweigen gegliederter, selbstständiger Stamm, ein Wachsthum voll eignen Trie¬ bes, voll innerer, fester Dauer. Die flamändische Sprache, deren erneuter Anbau eine schöne Frucht des, nach allen Richtungen, frei sich bewegenden
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hat, rühmend von Deutschland anerkannt werden müssen. Wir erkennen
freudig die Bemühungen des Auslandes an, die es an Erforschung und
Aneignung der deutschen Sprache und Wissenschaft wendet, wir begrüßen die
Auferstehung der deutschen Dialekte in Flandern, Brabant und den übrigen
niederländischen Provinzen, als ein Ereigniß voll guter Vorbedeutung; und
sehen darin eine Erweiterung, gewissermaßen eine geistige Eroberung früher
zu Deutschland gehöriger Gebiete. Und hier in einer Provinz, die nur durch
die Schwäche der Zeiten für Deutschland verloren ging, welche fremde Er¬
oberungssucht und engherzige heimische Politik von dem deutschen Staatskör¬
per losrissen, sollten wir in dieser gewiß eigenthümlichen Erscheinung nichts
sehen, als ein seltsames Naturspiel? Wir sollten in dem ernsten Streben
der Gelehrten, in der Stimme der Dichter nur die augenblickliche Laune er¬
kennen, die mit den Formen spielt und sich im Gebrauche einer mühsam
erlernten Sprache ergötzt?“
Wenn es wahr ist, daß Frankreich durch einen nun bald zweihundert¬
jährigen Besitz des Elsasses nichts mehr für sich gewonnen hat, als die Stim¬
men rhetorisirender Publicisten und Kammerdeputirten, nebst der modernen
Anhänglichkeit jener Afterpatrioten, welche sich ihres Ursprunges, — mit
mehr Grund vielleicht ihrer Natur und Gesinnung — schämen zu müssen
glauben, so wäre es allerdings nothwendig, daß Deutschland jene geistige
Eroberung, durch seine Theilnahme und Mitwirkung an allem Ursprüngli¬
chen und Nationalen unterstützte. Es ist nur zu wünschen, daß diese so¬
genannte Eroberung eine geistige werde, denn nur in diesem Falle wird
sie zugleich bereichernd und innerlich befreiend wirken. Der nächste politische
Verband eines Landes ist eine Frage, die hier nicht in Betracht kommt;
die Zeit, in der wir leben, strebt nach einer allgemeinern Staatenordnung, sie
geht darauf aus, die gebildetsten Völker Europa's durch gemeinsame In¬
teressen zu einer Gesammtgruppe zu stellen. — Was Belgien betrifft, so
findet es in seiner Selbstständigkeit und dauernden Einheit die wahre Kraft,
um die geistigen Elemente der benachbarten und verwandten Völker in sich
zu verarbeiten. Dieser reiche Boden trägt einen so bestimmt ausgesproche¬
nen Charakter, seine Geschichte hat eine so individuelle Färbung, daß er,
dem deutschen Vaterlande gegenüber, sich nicht bloß empfangend, sondern
auch mittheilend und anregend zu verhalten hat. Wenn man den Elsaß
als eine von Deutschland, durch Verrath und Schwäche, an den Fremden
abgefallene Provinz ansehen muß, so zeigt sich in Belgien vielmehr ein aus
altgermanischer Wurzel entsprossener, freier, in vielfachen, kräftigen Zweigen
gegliederter, selbstständiger Stamm, ein Wachsthum voll eignen Trie¬
bes, voll innerer, fester Dauer. Die flamändische Sprache, deren erneuter
Anbau eine schöne Frucht des, nach allen Richtungen, frei sich bewegenden
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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/60>, abgerufen am 22.11.2024.
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