Stelle eines Musikdirektors verhelfen zu können, und er entschloß sich, bei dem König von Sachsen für ihn darum anzuhalten, da vernahm er zu seinem Leidwesen, daß Gansbacher den wichtigen Posten als Kapellmeister in der Hauptkirche zu Wien angenommen habe, wodurch Weber's Hoffnung abermals getäuscht wurde. Erst ein Jahr später, als ihm etwas mehr Muße vergönnt war, verfertigte er seine Partitur zur Euryanthe. Seine über die Maaßen enthusiastischen Freunde thaten dadurch dem Gelingen dieser Oper Eintrag, indem sie ihr den Platz neben dem Freischützen einräum¬ ten, der jedoch weit geeigneter war, auf die Massen zu wirken und sie mit sich fortzureißen. Die drei ersten, von ihm selbst dirigirten Vorstellungen zu Wien wurden mit einem allgemeinen Enthusiasmus entgegen genommen; er wohnte der vierten Vorstellung in einer Loge bei, und so sehr er sich auch darin versteckt hatte, wurde er doch sobald erkannt und dreimal her¬ vorgerufen; er sah sich genöthigt, aufzutreten und das Publikum zu grüßen. So ging es aber nicht an andern Orten zu; man fand da überall, daß die Wiener zu günstig über die Euryanthe geurtheilt hätten, und um dies wieder gut zu machen, affektirte man eine Kälte, die noch unbilliger war. Wien uns Dresden blieben die einzigen Städte, wo die Euryanthe ohne Widerrede mit Beifall aufgenommen wurde.
Weber's Pflicht erheischte es, nach Dresden zurückzukommen, um daselbst das Einstudiren der Olympia, die bei Gelegenheit der Heirathsfeierlichkeiten des sächsischen Kronprinzen gegeben werden sollte, zu betreiben. Seine Abneigung gegen italienische Musik und Künstler trat bei diesem Umstände wieder merklich hervor. Spontini's Olympia war, trotz allen Schönheiten, welche sie auszeichnen, seinem Geschmacke noch nicht klassisch genug. Gerade zur nämlichen Zeit machte Meyerbeer's Margaretha- von Anjou bei ihrer Aufführung in Italien sehr großes Aufsehen, und Weber, dessen Widerwillen gegen italienische Musik ganz aufrichtig aus dem Herzen kam, schrieb damals wie folgt: "Meyerbeer hat sich ganz nach Italien hingewendet, er vertieft sich täglich mehr in den Schlamm jenes elenden Geschmacks. Was ist nun aus unsern schönen Jugendträumen ge¬ worden, und welche herrliche Blüthe ist da wiederum im Aufkeimen zer¬ knickt worden! Seine neue Opern: Margaratha von Anjou und I'Esule di Gionata haben in Italien Succeß erhalten; er ist beschäftigt mit der dritten Oper für den Carneval zu Venedig, und soll später nach Berlin kommen. Wird er uns wohl besuchen? Ich glaub's schwerlich; er scheut sich zu viel vor uns." -- Wie dem auch sei, Weber ließ sich Alles daran gelegen sein, daß dieselbe Oper, Margaretha von Anjou, in der größten Vollkommenheit auf der Dresdener Bühne aufgeführt wurde, und man darf getrost behaupten, sie konnte bei den ihm zu Gebot gestandenen beschränkten
Stelle eines Musikdirektors verhelfen zu können, und er entschloß sich, bei dem König von Sachsen für ihn darum anzuhalten, da vernahm er zu seinem Leidwesen, daß Gansbacher den wichtigen Posten als Kapellmeister in der Hauptkirche zu Wien angenommen habe, wodurch Weber's Hoffnung abermals getäuscht wurde. Erst ein Jahr später, als ihm etwas mehr Muße vergönnt war, verfertigte er seine Partitur zur Euryanthe. Seine über die Maaßen enthusiastischen Freunde thaten dadurch dem Gelingen dieser Oper Eintrag, indem sie ihr den Platz neben dem Freischützen einräum¬ ten, der jedoch weit geeigneter war, auf die Massen zu wirken und sie mit sich fortzureißen. Die drei ersten, von ihm selbst dirigirten Vorstellungen zu Wien wurden mit einem allgemeinen Enthusiasmus entgegen genommen; er wohnte der vierten Vorstellung in einer Loge bei, und so sehr er sich auch darin versteckt hatte, wurde er doch sobald erkannt und dreimal her¬ vorgerufen; er sah sich genöthigt, aufzutreten und das Publikum zu grüßen. So ging es aber nicht an andern Orten zu; man fand da überall, daß die Wiener zu günstig über die Euryanthe geurtheilt hätten, und um dies wieder gut zu machen, affektirte man eine Kälte, die noch unbilliger war. Wien uns Dresden blieben die einzigen Städte, wo die Euryanthe ohne Widerrede mit Beifall aufgenommen wurde.
Weber's Pflicht erheischte es, nach Dresden zurückzukommen, um daselbst das Einstudiren der Olympia, die bei Gelegenheit der Heirathsfeierlichkeiten des sächsischen Kronprinzen gegeben werden sollte, zu betreiben. Seine Abneigung gegen italienische Musik und Künstler trat bei diesem Umstände wieder merklich hervor. Spontini's Olympia war, trotz allen Schönheiten, welche sie auszeichnen, seinem Geschmacke noch nicht klassisch genug. Gerade zur nämlichen Zeit machte Meyerbeer's Margaretha- von Anjou bei ihrer Aufführung in Italien sehr großes Aufsehen, und Weber, dessen Widerwillen gegen italienische Musik ganz aufrichtig aus dem Herzen kam, schrieb damals wie folgt: „Meyerbeer hat sich ganz nach Italien hingewendet, er vertieft sich täglich mehr in den Schlamm jenes elenden Geschmacks. Was ist nun aus unsern schönen Jugendträumen ge¬ worden, und welche herrliche Blüthe ist da wiederum im Aufkeimen zer¬ knickt worden! Seine neue Opern: Margaratha von Anjou und I'Esule di Gionata haben in Italien Succeß erhalten; er ist beschäftigt mit der dritten Oper für den Carneval zu Venedig, und soll später nach Berlin kommen. Wird er uns wohl besuchen? Ich glaub's schwerlich; er scheut sich zu viel vor uns.〟 — Wie dem auch sei, Weber ließ sich Alles daran gelegen sein, daß dieselbe Oper, Margaretha von Anjou, in der größten Vollkommenheit auf der Dresdener Bühne aufgeführt wurde, und man darf getrost behaupten, sie konnte bei den ihm zu Gebot gestandenen beschränkten
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[303/0311]
Stelle eines Musikdirektors verhelfen zu können, und er entschloß sich, bei
dem König von Sachsen für ihn darum anzuhalten, da vernahm er zu
seinem Leidwesen, daß Gansbacher den wichtigen Posten als Kapellmeister
in der Hauptkirche zu Wien angenommen habe, wodurch Weber's Hoffnung
abermals getäuscht wurde. Erst ein Jahr später, als ihm etwas mehr
Muße vergönnt war, verfertigte er seine Partitur zur Euryanthe. Seine
über die Maaßen enthusiastischen Freunde thaten dadurch dem Gelingen dieser
Oper Eintrag, indem sie ihr den Platz neben dem Freischützen einräum¬
ten, der jedoch weit geeigneter war, auf die Massen zu wirken und sie mit
sich fortzureißen. Die drei ersten, von ihm selbst dirigirten Vorstellungen
zu Wien wurden mit einem allgemeinen Enthusiasmus entgegen genommen;
er wohnte der vierten Vorstellung in einer Loge bei, und so sehr er sich
auch darin versteckt hatte, wurde er doch sobald erkannt und dreimal her¬
vorgerufen; er sah sich genöthigt, aufzutreten und das Publikum zu grüßen.
So ging es aber nicht an andern Orten zu; man fand da überall, daß
die Wiener zu günstig über die Euryanthe geurtheilt hätten, und um dies
wieder gut zu machen, affektirte man eine Kälte, die noch unbilliger war.
Wien uns Dresden blieben die einzigen Städte, wo die Euryanthe ohne
Widerrede mit Beifall aufgenommen wurde.
Weber's Pflicht erheischte es, nach Dresden zurückzukommen,
um daselbst das Einstudiren der Olympia, die bei Gelegenheit
der Heirathsfeierlichkeiten des sächsischen Kronprinzen gegeben werden sollte,
zu betreiben. Seine Abneigung gegen italienische Musik und Künstler trat
bei diesem Umstände wieder merklich hervor. Spontini's Olympia war,
trotz allen Schönheiten, welche sie auszeichnen, seinem Geschmacke noch nicht
klassisch genug. Gerade zur nämlichen Zeit machte Meyerbeer's Margaretha-
von Anjou bei ihrer Aufführung in Italien sehr großes Aufsehen, und
Weber, dessen Widerwillen gegen italienische Musik ganz aufrichtig aus dem
Herzen kam, schrieb damals wie folgt: „Meyerbeer hat sich ganz nach
Italien hingewendet, er vertieft sich täglich mehr in den Schlamm jenes
elenden Geschmacks. Was ist nun aus unsern schönen Jugendträumen ge¬
worden, und welche herrliche Blüthe ist da wiederum im Aufkeimen zer¬
knickt worden! Seine neue Opern: Margaratha von Anjou und I'Esule di Gionata
haben in Italien Succeß erhalten; er ist beschäftigt mit der
dritten Oper für den Carneval zu Venedig, und soll später nach Berlin
kommen. Wird er uns wohl besuchen? Ich glaub's schwerlich; er scheut
sich zu viel vor uns.〟 — Wie dem auch sei, Weber ließ sich Alles daran
gelegen sein, daß dieselbe Oper, Margaretha von Anjou, in der größten
Vollkommenheit auf der Dresdener Bühne aufgeführt wurde, und man darf
getrost behaupten, sie konnte bei den ihm zu Gebot gestandenen beschränkten
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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/311>, abgerufen am 24.11.2024.
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