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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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fällt, war eine Cantate, welche den Titel: Kampf und Sieg trägt. Seit
1816, um welche Zeit er Prag verließ, bis zum Jahre 1821, wo er seinen
bleibenden Wohnsitz in Dresden aufschlug, hatte Weber keine stehende Be¬
schäftigung; er machte Reisen und ließ sich in Concerten hören; aber vor
allem arbeitete er in der Stille an jenen großartigen Kunstschöpfungen,
welche seinen Ruhm auf die Dauer begründeten. --

Die zweite Periode von C. M. Weber's Leben, die wir vor uns
haben, zeichnet sich durch einen mindern Grad von Arbeitsamkeit und weni¬
ger reichhaltigem Stoff von Begebenheiten aus. Wir erblicken den Künstler
nicht mehr wie vorhin, der Musik mit einem Male Lebewohl sagend und
sich der Malerei in die Arme werfend, um von dieser in der Zukunft Ruhm
und zeitliche Glücksgüter zu erhalten, und bald nachher mit ähnlicher Leich¬
tigkeit zu seinen Partituren zurückzukehren; er ist von nun an mit seiner
Bestimmung im Reinen, und schreitet muthig dem Ziele entgegen. Was
indessen dem letzten Theil seiner Lebensbeschreibung an Interesse in Hinsicht
auf Abenteuerlichkeit abgeht, wird reichlich durch das vergütet, was auf sein
musikalisches Genie Bezug hat, denn wir sehen ihn von nun an seine grö߬
ten Meisterwerke schaffen und zu Tage fördern. Es ist keinem Zweifel
unterworfen, daß der Freischütz das Resultat einer ganzen Folgereihe
von Bemerkungen ist, und daß Weber sich lange vorher mit dem Gedanken
an ein ganz neues Instrumentirungssystem herumgetragen haben muß, sowie
er ihn in jener Arbeit kund that. Was ihm früher zu fehlen schien, war
lediglich eine feste Stellung und ein sorgenfreier Geist, um sich mit Herz
und Seele auf die Erfüllung seiner Lieblingsprojekte legen zu können.

Das ihm gemachte Anerbieten zur Gründung einer deutschen Oper in
Dresden lächelte ihn genug an, um von ihm angenommen zu werden, zumal
da man ihm zugleich Hoffnung machte, die Stelle eines Hofkapellmeisters
mit der eines Theaterdirektors zu vereinigen. Er begab sich zu Anfange
des Jahres 1821 dahin, um sein Amt anzutreten, und machte sich mit
vollem Eifer an die ihm obliegende Arbeit, sah aber bald genug ein, daß
er sich keine geringe Last aufgeladen hatte. Ihm blieb noch Alles zu thun
und anzuschaffen. Schauspieler, Choristen und Musikanten fürs Orchester
mußten engagirt, und sogar die Anordnungen zum Aufführen der Stücke
und für ein ganz seiner Wahl überlassenes Repertorium noch gemacht wer¬
den. Weber handelte hier, wie er damals zu Prag gethan, als er dem
dortigen Theater seinen längst eingebüßten Wohlstand wieder gab; mit
unglaublichem, ihm ganz eigenen Diensteifer wußte er die Menge Einzel-
heiten, deren es noth that, herbeizuschaffen, und bald war die Oper in
Dresden im Stande, Dinge zu leisten, wie man sie nur unter der ver¬
ständigsten Leitung zu erwarten vermochte. Sobald seine Pflichten, deren

fällt, war eine Cantate, welche den Titel: Kampf und Sieg trägt. Seit
1816, um welche Zeit er Prag verließ, bis zum Jahre 1821, wo er seinen
bleibenden Wohnsitz in Dresden aufschlug, hatte Weber keine stehende Be¬
schäftigung; er machte Reisen und ließ sich in Concerten hören; aber vor
allem arbeitete er in der Stille an jenen großartigen Kunstschöpfungen,
welche seinen Ruhm auf die Dauer begründeten. —

Die zweite Periode von C. M. Weber's Leben, die wir vor uns
haben, zeichnet sich durch einen mindern Grad von Arbeitsamkeit und weni¬
ger reichhaltigem Stoff von Begebenheiten aus. Wir erblicken den Künstler
nicht mehr wie vorhin, der Musik mit einem Male Lebewohl sagend und
sich der Malerei in die Arme werfend, um von dieser in der Zukunft Ruhm
und zeitliche Glücksgüter zu erhalten, und bald nachher mit ähnlicher Leich¬
tigkeit zu seinen Partituren zurückzukehren; er ist von nun an mit seiner
Bestimmung im Reinen, und schreitet muthig dem Ziele entgegen. Was
indessen dem letzten Theil seiner Lebensbeschreibung an Interesse in Hinsicht
auf Abenteuerlichkeit abgeht, wird reichlich durch das vergütet, was auf sein
musikalisches Genie Bezug hat, denn wir sehen ihn von nun an seine grö߬
ten Meisterwerke schaffen und zu Tage fördern. Es ist keinem Zweifel
unterworfen, daß der Freischütz das Resultat einer ganzen Folgereihe
von Bemerkungen ist, und daß Weber sich lange vorher mit dem Gedanken
an ein ganz neues Instrumentirungssystem herumgetragen haben muß, sowie
er ihn in jener Arbeit kund that. Was ihm früher zu fehlen schien, war
lediglich eine feste Stellung und ein sorgenfreier Geist, um sich mit Herz
und Seele auf die Erfüllung seiner Lieblingsprojekte legen zu können.

Das ihm gemachte Anerbieten zur Gründung einer deutschen Oper in
Dresden lächelte ihn genug an, um von ihm angenommen zu werden, zumal
da man ihm zugleich Hoffnung machte, die Stelle eines Hofkapellmeisters
mit der eines Theaterdirektors zu vereinigen. Er begab sich zu Anfange
des Jahres 1821 dahin, um sein Amt anzutreten, und machte sich mit
vollem Eifer an die ihm obliegende Arbeit, sah aber bald genug ein, daß
er sich keine geringe Last aufgeladen hatte. Ihm blieb noch Alles zu thun
und anzuschaffen. Schauspieler, Choristen und Musikanten fürs Orchester
mußten engagirt, und sogar die Anordnungen zum Aufführen der Stücke
und für ein ganz seiner Wahl überlassenes Repertorium noch gemacht wer¬
den. Weber handelte hier, wie er damals zu Prag gethan, als er dem
dortigen Theater seinen längst eingebüßten Wohlstand wieder gab; mit
unglaublichem, ihm ganz eigenen Diensteifer wußte er die Menge Einzel-
heiten, deren es noth that, herbeizuschaffen, und bald war die Oper in
Dresden im Stande, Dinge zu leisten, wie man sie nur unter der ver¬
ständigsten Leitung zu erwarten vermochte. Sobald seine Pflichten, deren

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[299/0307] fällt, war eine Cantate, welche den Titel: Kampf und Sieg trägt. Seit 1816, um welche Zeit er Prag verließ, bis zum Jahre 1821, wo er seinen bleibenden Wohnsitz in Dresden aufschlug, hatte Weber keine stehende Be¬ schäftigung; er machte Reisen und ließ sich in Concerten hören; aber vor allem arbeitete er in der Stille an jenen großartigen Kunstschöpfungen, welche seinen Ruhm auf die Dauer begründeten. — Die zweite Periode von C. M. Weber's Leben, die wir vor uns haben, zeichnet sich durch einen mindern Grad von Arbeitsamkeit und weni¬ ger reichhaltigem Stoff von Begebenheiten aus. Wir erblicken den Künstler nicht mehr wie vorhin, der Musik mit einem Male Lebewohl sagend und sich der Malerei in die Arme werfend, um von dieser in der Zukunft Ruhm und zeitliche Glücksgüter zu erhalten, und bald nachher mit ähnlicher Leich¬ tigkeit zu seinen Partituren zurückzukehren; er ist von nun an mit seiner Bestimmung im Reinen, und schreitet muthig dem Ziele entgegen. Was indessen dem letzten Theil seiner Lebensbeschreibung an Interesse in Hinsicht auf Abenteuerlichkeit abgeht, wird reichlich durch das vergütet, was auf sein musikalisches Genie Bezug hat, denn wir sehen ihn von nun an seine grö߬ ten Meisterwerke schaffen und zu Tage fördern. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß der Freischütz das Resultat einer ganzen Folgereihe von Bemerkungen ist, und daß Weber sich lange vorher mit dem Gedanken an ein ganz neues Instrumentirungssystem herumgetragen haben muß, sowie er ihn in jener Arbeit kund that. Was ihm früher zu fehlen schien, war lediglich eine feste Stellung und ein sorgenfreier Geist, um sich mit Herz und Seele auf die Erfüllung seiner Lieblingsprojekte legen zu können. Das ihm gemachte Anerbieten zur Gründung einer deutschen Oper in Dresden lächelte ihn genug an, um von ihm angenommen zu werden, zumal da man ihm zugleich Hoffnung machte, die Stelle eines Hofkapellmeisters mit der eines Theaterdirektors zu vereinigen. Er begab sich zu Anfange des Jahres 1821 dahin, um sein Amt anzutreten, und machte sich mit vollem Eifer an die ihm obliegende Arbeit, sah aber bald genug ein, daß er sich keine geringe Last aufgeladen hatte. Ihm blieb noch Alles zu thun und anzuschaffen. Schauspieler, Choristen und Musikanten fürs Orchester mußten engagirt, und sogar die Anordnungen zum Aufführen der Stücke und für ein ganz seiner Wahl überlassenes Repertorium noch gemacht wer¬ den. Weber handelte hier, wie er damals zu Prag gethan, als er dem dortigen Theater seinen längst eingebüßten Wohlstand wieder gab; mit unglaublichem, ihm ganz eigenen Diensteifer wußte er die Menge Einzel- heiten, deren es noth that, herbeizuschaffen, und bald war die Oper in Dresden im Stande, Dinge zu leisten, wie man sie nur unter der ver¬ ständigsten Leitung zu erwarten vermochte. Sobald seine Pflichten, deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/307>, abgerufen am 23.11.2024.