schriften des gelehrten Abts Vogler verlassen, und war den glänzenden Fußtapfen Rossini's nachgegangen, dessen Ruhm eben damals im Aufblühen war. Dieser Abfall verursachte Webern wahrhaften Kummer, den er auch seinem Mitschüler gar nicht verbarg; vielmehr that er alles Mögliche, um ihn auf die Bahn zurückzuführen, die ihm die einzig richtige zu sein schien. So oft ihm eine neue italienische Partitur Meyerbeer's in die Hände fiel, suchte er Spuren der Rückkehr zu besseren Grundsätzen darin auf, und wenn er keine fand, versammelte er seine Freunde bei sich, um, wie er sagte, über die Verirrungen des Ueberläufers zu klagen. Jedoch muß man ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er alle Sorgfalt anwandte, um Meyerbeer's Partituren in den Städten, wo er die Leitung des Orchesters hatte, auf's Beste auszuführen. Obgleich er innerlich den Meyerbeer'schen Styl verdammte, ließ er sich doch keine Mühe gereuen, der Ausführung seiner Stücke die größte Vollkommenheit zu geben. Wenn man eine so edle Handlungsweise bedenkt, kann man Webern keinen Vorwurf daraus machen, daß er eine, wenn auch ungegründete, Abneigung gegen eine Schule empfand, welche so viele berühmte Künstler, so viele herrliche Werke hervorgebracht hat. Meyerbeer selbst ließ es sich nicht einfallen, ihn deßhalb anzuklagen, denn er war überzeugt, daß die übertriebene Strenge seines Richters einzig und allein in dem Kunstsinn, in dem unveräußerlichen Gefühl eines wahren Tondichters ihren Grund habe.
Von Wien begab sich Weber nach Darmstadt, wo er seine Oper: Abdul Assan schrieb. Dieses Werk enthält vortreffliche Stücke; man wird darin einen bedeutenden Fortschritt für die Theatermusik gewahr; man nahm es mit Beifall auf, ohne jedoch den Werth desselben recht zu schätzen. Weber ward dadurch etwas entmuthigt, und während einiger Zeit erschienen keine neuen Compositionen von ihm. Im Jahr 1813 wurde er nach Prag berufen, um die Oper zu dirigiren; er verweilte daselbst drei Jahre, fast ausschließlich mit der Leitung des dortigen Theaters beschäftigt. Denn mancherlei Arbeiten, die sein neues Amt erforderte, verhinderten ihn an solchen Unternehmungen, durch die sein Name als Componist hätte gewinnen können. Er stand seinen Amtspflichten mit jener bewundernswürdigen Ge¬ wissenhaftigkeit vor, welche die Deutschen in allen Dingen bewähren. Er gab der ihm anvertrauten Anstalt eine völlig neue Grundlage, führte in allen Geschäftszweigen eine Ordnung ein, die vor ihm dort unbekannt war; und nachdem er Alles so in Stand gesetzt hatte, daß auch ein Anderer der Erhaltung und ferneren Leitung Genüge thun mochte, besann er sich nicht, seine Entlassung einzureichen, um sich gänzlich der Ausübung einer Kunst zu widmen, für die er das Gefühl eines hohen Berufes in sich trug. Seine merkwürdigste Composition, welche in die Zeit seines Prager Aufenthalts
schriften des gelehrten Abts Vogler verlassen, und war den glänzenden Fußtapfen Rossini's nachgegangen, dessen Ruhm eben damals im Aufblühen war. Dieser Abfall verursachte Webern wahrhaften Kummer, den er auch seinem Mitschüler gar nicht verbarg; vielmehr that er alles Mögliche, um ihn auf die Bahn zurückzuführen, die ihm die einzig richtige zu sein schien. So oft ihm eine neue italienische Partitur Meyerbeer's in die Hände fiel, suchte er Spuren der Rückkehr zu besseren Grundsätzen darin auf, und wenn er keine fand, versammelte er seine Freunde bei sich, um, wie er sagte, über die Verirrungen des Ueberläufers zu klagen. Jedoch muß man ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er alle Sorgfalt anwandte, um Meyerbeer's Partituren in den Städten, wo er die Leitung des Orchesters hatte, auf's Beste auszuführen. Obgleich er innerlich den Meyerbeer'schen Styl verdammte, ließ er sich doch keine Mühe gereuen, der Ausführung seiner Stücke die größte Vollkommenheit zu geben. Wenn man eine so edle Handlungsweise bedenkt, kann man Webern keinen Vorwurf daraus machen, daß er eine, wenn auch ungegründete, Abneigung gegen eine Schule empfand, welche so viele berühmte Künstler, so viele herrliche Werke hervorgebracht hat. Meyerbeer selbst ließ es sich nicht einfallen, ihn deßhalb anzuklagen, denn er war überzeugt, daß die übertriebene Strenge seines Richters einzig und allein in dem Kunstsinn, in dem unveräußerlichen Gefühl eines wahren Tondichters ihren Grund habe.
Von Wien begab sich Weber nach Darmstadt, wo er seine Oper: Abdul Assan schrieb. Dieses Werk enthält vortreffliche Stücke; man wird darin einen bedeutenden Fortschritt für die Theatermusik gewahr; man nahm es mit Beifall auf, ohne jedoch den Werth desselben recht zu schätzen. Weber ward dadurch etwas entmuthigt, und während einiger Zeit erschienen keine neuen Compositionen von ihm. Im Jahr 1813 wurde er nach Prag berufen, um die Oper zu dirigiren; er verweilte daselbst drei Jahre, fast ausschließlich mit der Leitung des dortigen Theaters beschäftigt. Denn mancherlei Arbeiten, die sein neues Amt erforderte, verhinderten ihn an solchen Unternehmungen, durch die sein Name als Componist hätte gewinnen können. Er stand seinen Amtspflichten mit jener bewundernswürdigen Ge¬ wissenhaftigkeit vor, welche die Deutschen in allen Dingen bewähren. Er gab der ihm anvertrauten Anstalt eine völlig neue Grundlage, führte in allen Geschäftszweigen eine Ordnung ein, die vor ihm dort unbekannt war; und nachdem er Alles so in Stand gesetzt hatte, daß auch ein Anderer der Erhaltung und ferneren Leitung Genüge thun mochte, besann er sich nicht, seine Entlassung einzureichen, um sich gänzlich der Ausübung einer Kunst zu widmen, für die er das Gefühl eines hohen Berufes in sich trug. Seine merkwürdigste Composition, welche in die Zeit seines Prager Aufenthalts
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schriften des gelehrten Abts Vogler verlassen, und war den glänzenden
Fußtapfen Rossini's nachgegangen, dessen Ruhm eben damals im Aufblühen
war. Dieser Abfall verursachte Webern wahrhaften Kummer, den er auch
seinem Mitschüler gar nicht verbarg; vielmehr that er alles Mögliche, um
ihn auf die Bahn zurückzuführen, die ihm die einzig richtige zu sein schien.
So oft ihm eine neue italienische Partitur Meyerbeer's in die Hände fiel,
suchte er Spuren der Rückkehr zu besseren Grundsätzen darin auf, und
wenn er keine fand, versammelte er seine Freunde bei sich, um, wie er
sagte, über die Verirrungen des Ueberläufers zu klagen. Jedoch muß man
ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er alle Sorgfalt anwandte, um
Meyerbeer's Partituren in den Städten, wo er die Leitung des Orchesters
hatte, auf's Beste auszuführen. Obgleich er innerlich den Meyerbeer'schen
Styl verdammte, ließ er sich doch keine Mühe gereuen, der Ausführung
seiner Stücke die größte Vollkommenheit zu geben. Wenn man eine so
edle Handlungsweise bedenkt, kann man Webern keinen Vorwurf daraus
machen, daß er eine, wenn auch ungegründete, Abneigung gegen eine
Schule empfand, welche so viele berühmte Künstler, so viele herrliche
Werke hervorgebracht hat. Meyerbeer selbst ließ es sich nicht einfallen,
ihn deßhalb anzuklagen, denn er war überzeugt, daß die übertriebene Strenge
seines Richters einzig und allein in dem Kunstsinn, in dem unveräußerlichen
Gefühl eines wahren Tondichters ihren Grund habe.
Von Wien begab sich Weber nach Darmstadt, wo er seine Oper:
Abdul Assan schrieb. Dieses Werk enthält vortreffliche Stücke; man wird
darin einen bedeutenden Fortschritt für die Theatermusik gewahr; man nahm
es mit Beifall auf, ohne jedoch den Werth desselben recht zu schätzen.
Weber ward dadurch etwas entmuthigt, und während einiger Zeit erschienen
keine neuen Compositionen von ihm. Im Jahr 1813 wurde er nach Prag
berufen, um die Oper zu dirigiren; er verweilte daselbst drei Jahre, fast
ausschließlich mit der Leitung des dortigen Theaters beschäftigt. Denn
mancherlei Arbeiten, die sein neues Amt erforderte, verhinderten ihn an
solchen Unternehmungen, durch die sein Name als Componist hätte gewinnen
können. Er stand seinen Amtspflichten mit jener bewundernswürdigen Ge¬
wissenhaftigkeit vor, welche die Deutschen in allen Dingen bewähren. Er
gab der ihm anvertrauten Anstalt eine völlig neue Grundlage, führte in
allen Geschäftszweigen eine Ordnung ein, die vor ihm dort unbekannt war;
und nachdem er Alles so in Stand gesetzt hatte, daß auch ein Anderer der
Erhaltung und ferneren Leitung Genüge thun mochte, besann er sich nicht,
seine Entlassung einzureichen, um sich gänzlich der Ausübung einer Kunst
zu widmen, für die er das Gefühl eines hohen Berufes in sich trug. Seine
merkwürdigste Composition, welche in die Zeit seines Prager Aufenthalts
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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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