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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Nachdem der Verfasser die so oft verkehrt aufgefaßte Frage unter den
richtigen Gesichtspunkt gestellt hat, zeigt er, daß in der That von dieser
Seite her sein Dillema alle Möglichkeiten erschöpft. Denn bei dem jetzigen
Zustande des öffentlichen Rechts in Frankreich und der traurigen Befangen¬
heit der Nation in Ruhm- und Eroberungssucht läßt es sich nicht wohl
denken, daß die Monopolisten in den Kammern sobald geneigt oder genöthigt
sein werden, sich zu Ermäßigung der strengen Handels- und Zollgesetze zu
bequemen. Er resumirt den Beweis von der Unthunlichkeit des Zollvereins
durch die Betrachtung, daß in diesem Falle die Freiheit der Presse und der
Meinungen, der Buchdruckereipatente, der Censur, der Bildwerke, der
Caution der Zeitschriften unterliegen, daß Belgiens vergleichsweise sehr
liberales Verbrauchsteuersystem der berüchtigten Regie der Droits reunis
mit ihrem ungeheuren Beamtenheere und den Regierungsmonopolen weichen,
daß die Zucker- und Salzraffinerieen durch den französischen Colonialzucker
und die französischen Salinen zu Grunde gerichtet werden mußten.

Es könne also nur von einem Handelsverträge die Rede sein, und auch
dagegen ließen sich viele Einwände erheben. Jottrand glaubt nämlich, daß
zwischen beiden Ländern ein freier Verkehr blos in Betreff derjenigen Pro¬
dukte statthaft sei, worin jedes sich besonders auszeichnet, daß also, wie in
allen Zeiten, Frankreich belgische Linnen einführe und dasselbe mit seiner
Seide und seinem Weine bezahle. Er glaubt auch nicht, daß von Frank¬
reich größere Concessionen jemals zu hoffen seien, es sei denn, daß Belgien
seine nationale Selbstständigkeit und größere Freiheit mit in den Tausch
gäbe. Wenn die belgischen Eisen- und Baumwollenwaaren auch nach Frank¬
reich dürfen, so ist dabei zu bedenken, daß Belgien erstens die Urstoffe der
Fabrikation durchschnittlich minstens 30 Procent theurer bezahlen muß.
"Zweitens ist zu bedenken, daß wir für unsere Maschinenfabrikation den
Absatz im Orient und Spanien, wo wir jetzt den Markt mit England
theilen, verlieren werden. Wir würden allen Absatz nach den holländischen
Colonien verlieren. Allerdings hört man unsere politischen Verzweifler beständig
ausrufen: Was soll aus Belgien werden, wenn es in seiner jetzigen Stel¬
lung beharrt? Wir haben nachgewiesen, daß ein Zollverein oder ein
Handelsvertrag mit Frankreich ein schlechtes Heilmittel sein würde für unsere
Stellung, wenn sie wirklich so schlimm ist. Versuchen wir nunmehr, diese
Stellung zu prüfen.

"Wo waren wir 1830? Welche Wege haben wir eingeschlagen? Wo¬
hin sind wir gekommen? Was wird weiter aus uns werden? Die Beant¬
wortung dieser vier Fragen wird hinreichen, um uns über den wahren Zu¬
stand Belgiens Rechenschaft abzulegen und die Angriffe seiner Verläumder

Nachdem der Verfasser die so oft verkehrt aufgefaßte Frage unter den
richtigen Gesichtspunkt gestellt hat, zeigt er, daß in der That von dieser
Seite her sein Dillema alle Möglichkeiten erschöpft. Denn bei dem jetzigen
Zustande des öffentlichen Rechts in Frankreich und der traurigen Befangen¬
heit der Nation in Ruhm- und Eroberungssucht läßt es sich nicht wohl
denken, daß die Monopolisten in den Kammern sobald geneigt oder genöthigt
sein werden, sich zu Ermäßigung der strengen Handels- und Zollgesetze zu
bequemen. Er resumirt den Beweis von der Unthunlichkeit des Zollvereins
durch die Betrachtung, daß in diesem Falle die Freiheit der Presse und der
Meinungen, der Buchdruckereipatente, der Censur, der Bildwerke, der
Caution der Zeitschriften unterliegen, daß Belgiens vergleichsweise sehr
liberales Verbrauchsteuersystem der berüchtigten Regie der Droits reunis
mit ihrem ungeheuren Beamtenheere und den Regierungsmonopolen weichen,
daß die Zucker- und Salzraffinerieen durch den französischen Colonialzucker
und die französischen Salinen zu Grunde gerichtet werden mußten.

Es könne also nur von einem Handelsverträge die Rede sein, und auch
dagegen ließen sich viele Einwände erheben. Jottrand glaubt nämlich, daß
zwischen beiden Ländern ein freier Verkehr blos in Betreff derjenigen Pro¬
dukte statthaft sei, worin jedes sich besonders auszeichnet, daß also, wie in
allen Zeiten, Frankreich belgische Linnen einführe und dasselbe mit seiner
Seide und seinem Weine bezahle. Er glaubt auch nicht, daß von Frank¬
reich größere Concessionen jemals zu hoffen seien, es sei denn, daß Belgien
seine nationale Selbstständigkeit und größere Freiheit mit in den Tausch
gäbe. Wenn die belgischen Eisen- und Baumwollenwaaren auch nach Frank¬
reich dürfen, so ist dabei zu bedenken, daß Belgien erstens die Urstoffe der
Fabrikation durchschnittlich minstens 30 Procent theurer bezahlen muß.
"Zweitens ist zu bedenken, daß wir für unsere Maschinenfabrikation den
Absatz im Orient und Spanien, wo wir jetzt den Markt mit England
theilen, verlieren werden. Wir würden allen Absatz nach den holländischen
Colonien verlieren. Allerdings hört man unsere politischen Verzweifler beständig
ausrufen: Was soll aus Belgien werden, wenn es in seiner jetzigen Stel¬
lung beharrt? Wir haben nachgewiesen, daß ein Zollverein oder ein
Handelsvertrag mit Frankreich ein schlechtes Heilmittel sein würde für unsere
Stellung, wenn sie wirklich so schlimm ist. Versuchen wir nunmehr, diese
Stellung zu prüfen.

"Wo waren wir 1830? Welche Wege haben wir eingeschlagen? Wo¬
hin sind wir gekommen? Was wird weiter aus uns werden? Die Beant¬
wortung dieser vier Fragen wird hinreichen, um uns über den wahren Zu¬
stand Belgiens Rechenschaft abzulegen und die Angriffe seiner Verläumder

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[259/0267] Nachdem der Verfasser die so oft verkehrt aufgefaßte Frage unter den richtigen Gesichtspunkt gestellt hat, zeigt er, daß in der That von dieser Seite her sein Dillema alle Möglichkeiten erschöpft. Denn bei dem jetzigen Zustande des öffentlichen Rechts in Frankreich und der traurigen Befangen¬ heit der Nation in Ruhm- und Eroberungssucht läßt es sich nicht wohl denken, daß die Monopolisten in den Kammern sobald geneigt oder genöthigt sein werden, sich zu Ermäßigung der strengen Handels- und Zollgesetze zu bequemen. Er resumirt den Beweis von der Unthunlichkeit des Zollvereins durch die Betrachtung, daß in diesem Falle die Freiheit der Presse und der Meinungen, der Buchdruckereipatente, der Censur, der Bildwerke, der Caution der Zeitschriften unterliegen, daß Belgiens vergleichsweise sehr liberales Verbrauchsteuersystem der berüchtigten Regie der Droits reunis mit ihrem ungeheuren Beamtenheere und den Regierungsmonopolen weichen, daß die Zucker- und Salzraffinerieen durch den französischen Colonialzucker und die französischen Salinen zu Grunde gerichtet werden mußten. Es könne also nur von einem Handelsverträge die Rede sein, und auch dagegen ließen sich viele Einwände erheben. Jottrand glaubt nämlich, daß zwischen beiden Ländern ein freier Verkehr blos in Betreff derjenigen Pro¬ dukte statthaft sei, worin jedes sich besonders auszeichnet, daß also, wie in allen Zeiten, Frankreich belgische Linnen einführe und dasselbe mit seiner Seide und seinem Weine bezahle. Er glaubt auch nicht, daß von Frank¬ reich größere Concessionen jemals zu hoffen seien, es sei denn, daß Belgien seine nationale Selbstständigkeit und größere Freiheit mit in den Tausch gäbe. Wenn die belgischen Eisen- und Baumwollenwaaren auch nach Frank¬ reich dürfen, so ist dabei zu bedenken, daß Belgien erstens die Urstoffe der Fabrikation durchschnittlich minstens 30 Procent theurer bezahlen muß. "Zweitens ist zu bedenken, daß wir für unsere Maschinenfabrikation den Absatz im Orient und Spanien, wo wir jetzt den Markt mit England theilen, verlieren werden. Wir würden allen Absatz nach den holländischen Colonien verlieren. Allerdings hört man unsere politischen Verzweifler beständig ausrufen: Was soll aus Belgien werden, wenn es in seiner jetzigen Stel¬ lung beharrt? Wir haben nachgewiesen, daß ein Zollverein oder ein Handelsvertrag mit Frankreich ein schlechtes Heilmittel sein würde für unsere Stellung, wenn sie wirklich so schlimm ist. Versuchen wir nunmehr, diese Stellung zu prüfen. "Wo waren wir 1830? Welche Wege haben wir eingeschlagen? Wo¬ hin sind wir gekommen? Was wird weiter aus uns werden? Die Beant¬ wortung dieser vier Fragen wird hinreichen, um uns über den wahren Zu¬ stand Belgiens Rechenschaft abzulegen und die Angriffe seiner Verläumder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/267>, abgerufen am 25.11.2024.