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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Sandhügeln und Dünen; auf deren trocknem Geriesel des Auge zu ruhen
liebt, erinnern an die beliebten Bilder der niederländischen Schulen, in
denen ein freundliches Licht, wie festtäglich, auf den bescheidenen Boden fällt,
während in der Ferne ein sich umdüsternder Horizont uns die graue Wiege
der stürzenden Nebel und Stürme gewahren läßt. Die Novelle spielt zur
Zeit des russischem Feldzuges. Ein deutscher Hauptmann, im Dienste des
französischen Eroberers, ist auf dem Schlosse eines Edelmanns einquartiert;
der Sohn desselben, ein eifriger Patriot, in den geheimen Verbindungen
zur Vertreibung der Fremden thätig, bildet zu ihn den Gegensatz; die
Tochter, obschon stumm, hat durch Schönheit und Gluth der Empfindung
den jungen Offizier gefesselt. Er steht nun im Kampf zwischen der mili¬
tärischen Pflicht und der Liebe. Eine erschütternde Begebenheit bringt ihn
zur Entscheidung. Ein geächteter Edelmann, mit seiner Tochter, eine der
lieblichsten Figuren der Novelle, flüchtig vor den Soldaten des Hauptmanns
sucht in den unzugänglichen Morästen des Küstenstriches eine Zuflucht. Ein
plötzlich niederfallender Heerrauch entzieht ihr den Verfolgern; auf's Gera¬
thewohl feuern die Soldaten in die Dunkelheit; die Tochter wird getroffen,
und von dem zum Tode verwundeten Vater in die Wildniß getragen. Da
fühlt der Hauptmann das Empörende seiner Lage. Bei einer andern Ge¬
legenheit, als er mit dein Sohne seines Wirthes beim Grabe des Gefalle¬
nen zusammentrifft, und dieser auf dem Punkte ist, ihn, dessen Sinnesän¬
derung er nicht kennt, umzubringen, findet Lucie, die herbeieilt, die Sprache.
Zu den gelungensten Figuren rechnen wir einen alten Bettler, einen wun¬
derlichen Schilfkönig, der den Unterhändler zwischen den Patrioten und den
Küstenschiffen macht; desgleichen den heldenmüthigen Herzog von Braun-
schweig, welchem die Rolle eines Roßtäuschers vollkommen ansteht. Das
Hauptinteresse beruht auf den Ereignissen, von denen auch die innere Um¬
wandlung, der Streit zwischen äußerer Pflicht und dem Gefühl der Ehre
und Liebe im Helden bestimmt werden soll. Der Anblick eines halbver-
schuldeten Unglücksfalles soll die große Wirkung hervorbringen. Hier hätte
der Verfasser tiefer gehen müssen. Ein kräftiger Charakter bringt sein Schick¬
sal hervor, und weiß das Uebrige zu tragen, zu bemeistern. Vor einer
Folge erschrecken, ist Schwäche, so lange die Ursache selbst nicht frei ent¬
fernt ist. Welches Gewicht hätte die Erzählung erhalten, wenn der Ver¬
fasser mehr in das Seelenleben des Capitains gedrungen wäre, statt ihn
zwischen den Dingen, die ihn allerdings lebhaft treffen, umherwandeln zu
lassen. Um einen günstigen Punkt der Auffassung zu gewinnen, konnte z. B.
die Gemüthsart des Helden mehr ins Heftige und Rasche gezogen werden,
etwas Enthusiasmus und Leidenschaft würde nicht schaden; ja eine Schuld
konnte auf das Haupt des Söldlings gehäuft werden. Von da aus hätten

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Sandhügeln und Dünen; auf deren trocknem Geriesel des Auge zu ruhen
liebt, erinnern an die beliebten Bilder der niederländischen Schulen, in
denen ein freundliches Licht, wie festtäglich, auf den bescheidenen Boden fällt,
während in der Ferne ein sich umdüsternder Horizont uns die graue Wiege
der stürzenden Nebel und Stürme gewahren läßt. Die Novelle spielt zur
Zeit des russischem Feldzuges. Ein deutscher Hauptmann, im Dienste des
französischen Eroberers, ist auf dem Schlosse eines Edelmanns einquartiert;
der Sohn desselben, ein eifriger Patriot, in den geheimen Verbindungen
zur Vertreibung der Fremden thätig, bildet zu ihn den Gegensatz; die
Tochter, obschon stumm, hat durch Schönheit und Gluth der Empfindung
den jungen Offizier gefesselt. Er steht nun im Kampf zwischen der mili¬
tärischen Pflicht und der Liebe. Eine erschütternde Begebenheit bringt ihn
zur Entscheidung. Ein geächteter Edelmann, mit seiner Tochter, eine der
lieblichsten Figuren der Novelle, flüchtig vor den Soldaten des Hauptmanns
sucht in den unzugänglichen Morästen des Küstenstriches eine Zuflucht. Ein
plötzlich niederfallender Heerrauch entzieht ihr den Verfolgern; auf's Gera¬
thewohl feuern die Soldaten in die Dunkelheit; die Tochter wird getroffen,
und von dem zum Tode verwundeten Vater in die Wildniß getragen. Da
fühlt der Hauptmann das Empörende seiner Lage. Bei einer andern Ge¬
legenheit, als er mit dein Sohne seines Wirthes beim Grabe des Gefalle¬
nen zusammentrifft, und dieser auf dem Punkte ist, ihn, dessen Sinnesän¬
derung er nicht kennt, umzubringen, findet Lucie, die herbeieilt, die Sprache.
Zu den gelungensten Figuren rechnen wir einen alten Bettler, einen wun¬
derlichen Schilfkönig, der den Unterhändler zwischen den Patrioten und den
Küstenschiffen macht; desgleichen den heldenmüthigen Herzog von Braun-
schweig, welchem die Rolle eines Roßtäuschers vollkommen ansteht. Das
Hauptinteresse beruht auf den Ereignissen, von denen auch die innere Um¬
wandlung, der Streit zwischen äußerer Pflicht und dem Gefühl der Ehre
und Liebe im Helden bestimmt werden soll. Der Anblick eines halbver-
schuldeten Unglücksfalles soll die große Wirkung hervorbringen. Hier hätte
der Verfasser tiefer gehen müssen. Ein kräftiger Charakter bringt sein Schick¬
sal hervor, und weiß das Uebrige zu tragen, zu bemeistern. Vor einer
Folge erschrecken, ist Schwäche, so lange die Ursache selbst nicht frei ent¬
fernt ist. Welches Gewicht hätte die Erzählung erhalten, wenn der Ver¬
fasser mehr in das Seelenleben des Capitains gedrungen wäre, statt ihn
zwischen den Dingen, die ihn allerdings lebhaft treffen, umherwandeln zu
lassen. Um einen günstigen Punkt der Auffassung zu gewinnen, konnte z. B.
die Gemüthsart des Helden mehr ins Heftige und Rasche gezogen werden,
etwas Enthusiasmus und Leidenschaft würde nicht schaden; ja eine Schuld
konnte auf das Haupt des Söldlings gehäuft werden. Von da aus hätten

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[241/0249] Sandhügeln und Dünen; auf deren trocknem Geriesel des Auge zu ruhen liebt, erinnern an die beliebten Bilder der niederländischen Schulen, in denen ein freundliches Licht, wie festtäglich, auf den bescheidenen Boden fällt, während in der Ferne ein sich umdüsternder Horizont uns die graue Wiege der stürzenden Nebel und Stürme gewahren läßt. Die Novelle spielt zur Zeit des russischem Feldzuges. Ein deutscher Hauptmann, im Dienste des französischen Eroberers, ist auf dem Schlosse eines Edelmanns einquartiert; der Sohn desselben, ein eifriger Patriot, in den geheimen Verbindungen zur Vertreibung der Fremden thätig, bildet zu ihn den Gegensatz; die Tochter, obschon stumm, hat durch Schönheit und Gluth der Empfindung den jungen Offizier gefesselt. Er steht nun im Kampf zwischen der mili¬ tärischen Pflicht und der Liebe. Eine erschütternde Begebenheit bringt ihn zur Entscheidung. Ein geächteter Edelmann, mit seiner Tochter, eine der lieblichsten Figuren der Novelle, flüchtig vor den Soldaten des Hauptmanns sucht in den unzugänglichen Morästen des Küstenstriches eine Zuflucht. Ein plötzlich niederfallender Heerrauch entzieht ihr den Verfolgern; auf's Gera¬ thewohl feuern die Soldaten in die Dunkelheit; die Tochter wird getroffen, und von dem zum Tode verwundeten Vater in die Wildniß getragen. Da fühlt der Hauptmann das Empörende seiner Lage. Bei einer andern Ge¬ legenheit, als er mit dein Sohne seines Wirthes beim Grabe des Gefalle¬ nen zusammentrifft, und dieser auf dem Punkte ist, ihn, dessen Sinnesän¬ derung er nicht kennt, umzubringen, findet Lucie, die herbeieilt, die Sprache. Zu den gelungensten Figuren rechnen wir einen alten Bettler, einen wun¬ derlichen Schilfkönig, der den Unterhändler zwischen den Patrioten und den Küstenschiffen macht; desgleichen den heldenmüthigen Herzog von Braun- schweig, welchem die Rolle eines Roßtäuschers vollkommen ansteht. Das Hauptinteresse beruht auf den Ereignissen, von denen auch die innere Um¬ wandlung, der Streit zwischen äußerer Pflicht und dem Gefühl der Ehre und Liebe im Helden bestimmt werden soll. Der Anblick eines halbver- schuldeten Unglücksfalles soll die große Wirkung hervorbringen. Hier hätte der Verfasser tiefer gehen müssen. Ein kräftiger Charakter bringt sein Schick¬ sal hervor, und weiß das Uebrige zu tragen, zu bemeistern. Vor einer Folge erschrecken, ist Schwäche, so lange die Ursache selbst nicht frei ent¬ fernt ist. Welches Gewicht hätte die Erzählung erhalten, wenn der Ver¬ fasser mehr in das Seelenleben des Capitains gedrungen wäre, statt ihn zwischen den Dingen, die ihn allerdings lebhaft treffen, umherwandeln zu lassen. Um einen günstigen Punkt der Auffassung zu gewinnen, konnte z. B. die Gemüthsart des Helden mehr ins Heftige und Rasche gezogen werden, etwas Enthusiasmus und Leidenschaft würde nicht schaden; ja eine Schuld konnte auf das Haupt des Söldlings gehäuft werden. Von da aus hätten 32

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/249>, abgerufen am 25.11.2024.