Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.
In weiten Häusern gibt es stille Zellen, Und in dem Dome dient so mancher Greis Mit Lesen, Beten, Lichtern und Gesang; Des Tags früh, oft im Dunkel, füllt sich dort Das Schweigen der Gewölbe mit dem Ton Entflammter Herzen, reiner Andacht an. Nimm mich mit dir und gieb' mir solchen Platz! Du kannst es wohl! Und so gewinn' ich mir Noch Brot und Wohnung, wenig, das ich brauche. Und will dort bleiben, fleißig, unbekannt, Nicht unterscheidbar, still und ohne Wunsch. Gebhard. Das ist nicht thunlich, Herr, das geht zu weit. Es gäb' ein Aergerniß und harte Rüge. Kaiser. Ja, du hast recht, ich bin dazu nicht tauglich, Ich kann nicht Psalmen singen, meine Stimme Bringt herben Schrei und Mißlaut in den Chor; Und meine Klage hält die Noten nicht Geduldig messend, mild anwachsend aus. Nein, Bischof, du hast recht, es wär' ein Schimpf! Ich wäre nutzlos; denn mich hat ein Schmerz, Langsamer Krampf des Daseins abgethan. Ich kann auch die Gefäße nicht mehr tragen; Es bebte seltsam ungestüm die Glocke, Wenn zitternd meine Hand die Stränge zöge. -- Das Handwerk ward mir untersagt, ich legte Mein Werkzeug weg, das Vorrecht meines Standes. Ich war zu fröhlich und verlor die Jahre, Ich schuf mir Heere, aber keinen Nährer, Ich mehrte mir mein Reich, doch nicht den Grund, Für einen Thron zwar, aber nicht für's Dach. Von mir kam alles, doch blieb nichts für mich! Ich bin ein Schiffer auf dem Kieselfeld, Worin mein Ruder keine Furche zieht, Und bin ein Ack'rer auf der wüsten See, Wo meine Saat kein Erdenkorn berührt, Ein Fährmann an der Brücke, und ein Gaukler, Der tanzend in das Haus der Trauer tritt.
In weiten Häusern gibt es stille Zellen, Und in dem Dome dient so mancher Greis Mit Lesen, Beten, Lichtern und Gesang; Des Tags früh, oft im Dunkel, füllt sich dort Das Schweigen der Gewölbe mit dem Ton Entflammter Herzen, reiner Andacht an. Nimm mich mit dir und gieb' mir solchen Platz! Du kannst es wohl! Und so gewinn' ich mir Noch Brot und Wohnung, wenig, das ich brauche. Und will dort bleiben, fleißig, unbekannt, Nicht unterscheidbar, still und ohne Wunsch. Gebhard. Das ist nicht thunlich, Herr, das geht zu weit. Es gäb' ein Aergerniß und harte Rüge. Kaiser. Ja, du hast recht, ich bin dazu nicht tauglich, Ich kann nicht Psalmen singen, meine Stimme Bringt herben Schrei und Mißlaut in den Chor; Und meine Klage hält die Noten nicht Geduldig messend, mild anwachsend aus. Nein, Bischof, du hast recht, es wär' ein Schimpf! Ich wäre nutzlos; denn mich hat ein Schmerz, Langsamer Krampf des Daseins abgethan. Ich kann auch die Gefäße nicht mehr tragen; Es bebte seltsam ungestüm die Glocke, Wenn zitternd meine Hand die Stränge zöge. — Das Handwerk ward mir untersagt, ich legte Mein Werkzeug weg, das Vorrecht meines Standes. Ich war zu fröhlich und verlor die Jahre, Ich schuf mir Heere, aber keinen Nährer, Ich mehrte mir mein Reich, doch nicht den Grund, Für einen Thron zwar, aber nicht für's Dach. Von mir kam alles, doch blieb nichts für mich! Ich bin ein Schiffer auf dem Kieselfeld, Worin mein Ruder keine Furche zieht, Und bin ein Ack'rer auf der wüsten See, Wo meine Saat kein Erdenkorn berührt, Ein Fährmann an der Brücke, und ein Gaukler, Der tanzend in das Haus der Trauer tritt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp> <p><pb corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179575" n="184" facs="#f0192"/> In weiten Häusern gibt es stille Zellen,<lb/> Und in dem Dome dient so mancher Greis<lb/> Mit Lesen, Beten, Lichtern und Gesang;<lb/> Des Tags früh, oft im Dunkel, füllt sich dort<lb/> Das Schweigen der Gewölbe mit dem Ton<lb/> Entflammter Herzen, reiner Andacht an.<lb/> Nimm mich mit dir und gieb' mir solchen Platz!<lb/> Du kannst es wohl! Und so gewinn' ich mir<lb/> Noch Brot und Wohnung, wenig, das ich brauche.<lb/> Und will dort bleiben, fleißig, unbekannt,<lb/> Nicht unterscheidbar, still und ohne Wunsch.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c #g">Gebhard.</hi> </speaker><lb/> <p>Das ist nicht thunlich, Herr, das geht zu weit.<lb/> Es gäb' ein Aergerniß und harte Rüge.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c #g">Kaiser.</hi> </speaker><lb/> <p>Ja, du hast recht, ich bin dazu nicht tauglich,<lb/> Ich kann nicht Psalmen singen, meine Stimme<lb/> Bringt herben Schrei und Mißlaut in den Chor;<lb/> Und meine Klage hält die Noten nicht<lb/> Geduldig messend, mild anwachsend aus.<lb/> Nein, Bischof, du hast recht, es wär' ein Schimpf!<lb/> Ich wäre nutzlos; denn mich hat ein Schmerz,<lb/> Langsamer Krampf des Daseins abgethan.<lb/> Ich kann auch die Gefäße nicht mehr tragen;<lb/> Es bebte seltsam ungestüm die Glocke,<lb/> Wenn zitternd meine Hand die Stränge zöge. —<lb/> Das Handwerk ward mir untersagt, ich legte<lb/> Mein Werkzeug weg, das Vorrecht meines Standes.<lb/> Ich war zu fröhlich und verlor die Jahre,<lb/> Ich schuf mir Heere, aber keinen Nährer,<lb/> Ich mehrte mir mein Reich, doch nicht den Grund,<lb/> Für einen Thron zwar, aber nicht für's Dach.<lb/> Von mir kam alles, doch blieb nichts für mich!<lb/> Ich bin ein Schiffer auf dem Kieselfeld,<lb/> Worin mein Ruder keine Furche zieht,<lb/> Und bin ein Ack'rer auf der wüsten See,<lb/> Wo meine Saat kein Erdenkorn berührt,<lb/> Ein Fährmann an der Brücke, und ein Gaukler,<lb/> Der tanzend in das Haus der Trauer tritt.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0192]
In weiten Häusern gibt es stille Zellen,
Und in dem Dome dient so mancher Greis
Mit Lesen, Beten, Lichtern und Gesang;
Des Tags früh, oft im Dunkel, füllt sich dort
Das Schweigen der Gewölbe mit dem Ton
Entflammter Herzen, reiner Andacht an.
Nimm mich mit dir und gieb' mir solchen Platz!
Du kannst es wohl! Und so gewinn' ich mir
Noch Brot und Wohnung, wenig, das ich brauche.
Und will dort bleiben, fleißig, unbekannt,
Nicht unterscheidbar, still und ohne Wunsch.
Gebhard.
Das ist nicht thunlich, Herr, das geht zu weit.
Es gäb' ein Aergerniß und harte Rüge.
Kaiser.
Ja, du hast recht, ich bin dazu nicht tauglich,
Ich kann nicht Psalmen singen, meine Stimme
Bringt herben Schrei und Mißlaut in den Chor;
Und meine Klage hält die Noten nicht
Geduldig messend, mild anwachsend aus.
Nein, Bischof, du hast recht, es wär' ein Schimpf!
Ich wäre nutzlos; denn mich hat ein Schmerz,
Langsamer Krampf des Daseins abgethan.
Ich kann auch die Gefäße nicht mehr tragen;
Es bebte seltsam ungestüm die Glocke,
Wenn zitternd meine Hand die Stränge zöge. —
Das Handwerk ward mir untersagt, ich legte
Mein Werkzeug weg, das Vorrecht meines Standes.
Ich war zu fröhlich und verlor die Jahre,
Ich schuf mir Heere, aber keinen Nährer,
Ich mehrte mir mein Reich, doch nicht den Grund,
Für einen Thron zwar, aber nicht für's Dach.
Von mir kam alles, doch blieb nichts für mich!
Ich bin ein Schiffer auf dem Kieselfeld,
Worin mein Ruder keine Furche zieht,
Und bin ein Ack'rer auf der wüsten See,
Wo meine Saat kein Erdenkorn berührt,
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Zitationshilfe: | Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/192>, abgerufen am 16.02.2025. |