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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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Carl de Brouckere ist, was auch seine Gegner wider ihn sagen mögen,
einer der klarsten, wir möchten sagen, genialsten Köpfe des heutigen Bel¬
giens. Er kennt die Bedürfnisse des Landes wie nur Wenige, denn fast alle
Ministerien haben unter ihm gestanden. Vor der belgischen Revolution
Mitglied der Generalstaaten, wurde er nach den Begebenheiten von 1830
nacheinander Kriegsminister, Finanzminister, Minister des Innern, Direktor
der belgischen Bank u. s. w. Aber sein übersprudelnder, unruhiger Geist,
durch einen starken, athletischen Körperbau noch gehoben, verleitete ihn oft,
über Verhältnisse, Formen und Erfahrungsregeln hinweg zu sehen, die bis¬
weilen auf das Schicksal einer öffentlichen Laufbahn noch mehr Einfluß
haben, als eine schöpferische Conception. So kam es, daß de Brouckere
in seinem besten Mannesalter, von allen Staatsgeschäften entfernt, ein
isolirtes, zurückgezogenes Leben führt.

Aber jedesmal, wenn er aus dieser Zurückgezogenheit auf einen Augen¬
blick heraustritt, um in die Oeffentlichkeit einzugreifen, ist es immer von
Interesse, seinem Thun zu folgen, weil es gewöhnlich etwas Keckes, Schla¬
gendes und Ueberraschendes ist, das von dem Schlendrian der Gewohnheit
abweicht. Diesen Charakter trägt auch die Rede, die wir hier im Aus¬
zuge mittheilen:

"-- -- Das erste Bedürfniß der Industrie ist Friede und Ruhe in der
Sphäre, worin sie sich bewegt. Dieser Friede, diese Ruhe besteht nicht
in einer politischen Erstarrung im Innern, und nicht blos im Friedens-
zustande mit dem Ausland, sondern außerdem noch in der Stätigkeit der
Abgaben. Stätigkeit in der Consumtionssteuer, damit die Lage des Arbeiters
gleich bleibe, Stätigkeit in den Accisen, welche die Produktion hemmen,
aber zur Gewohnheit werden, wenn man nicht jedes Jahr den Producenten
zwingt, neue Erfahrungen zu sammeln, und sich zu ruiniren durch Aende¬
rungen im Geschäftsbetriebe, die Regel, daß man sich hüte, seine Lage zu
stören, Stätigkeit in der Douanengesetzgebung, damit der Fabrikant Ver¬
trauen auf die Zukunft fassen, und auf Verbesserung, Vereinfachung und
Regulirung der Arbeit denken könne -- das sind Normen, die zwar keine
unveränderliche Richtschnur bieten können, von denen man aber so wenig
wie möglich abweichen darf.

"In Hinsicht der Donauengesetzgebung können nur zwei Wege ein¬
geschlagen werden. Entweder sieht sich die Regierung in der Lage, auf
den Ruf derjenigen zu hören, die die Sicherheit des inneren Marktes ver¬
langen, und dann muß sie das Prohibitivsystem mit allen seinen Folgen
annehmen, und muß dahin arbeiten, daß das Land von seinen eignen
Hülfsquellen leben könne, ohne Hoffnung, jemals Absatzwege nach dem
Auslande finden zu können, -- oder sie muß, von dem Wunsche beseelt,

Carl de Brouckère ist, was auch seine Gegner wider ihn sagen mögen,
einer der klarsten, wir möchten sagen, genialsten Köpfe des heutigen Bel¬
giens. Er kennt die Bedürfnisse des Landes wie nur Wenige, denn fast alle
Ministerien haben unter ihm gestanden. Vor der belgischen Revolution
Mitglied der Generalstaaten, wurde er nach den Begebenheiten von 1830
nacheinander Kriegsminister, Finanzminister, Minister des Innern, Direktor
der belgischen Bank u. s. w. Aber sein übersprudelnder, unruhiger Geist,
durch einen starken, athletischen Körperbau noch gehoben, verleitete ihn oft,
über Verhältnisse, Formen und Erfahrungsregeln hinweg zu sehen, die bis¬
weilen auf das Schicksal einer öffentlichen Laufbahn noch mehr Einfluß
haben, als eine schöpferische Conception. So kam es, daß de Brouckère
in seinem besten Mannesalter, von allen Staatsgeschäften entfernt, ein
isolirtes, zurückgezogenes Leben führt.

Aber jedesmal, wenn er aus dieser Zurückgezogenheit auf einen Augen¬
blick heraustritt, um in die Oeffentlichkeit einzugreifen, ist es immer von
Interesse, seinem Thun zu folgen, weil es gewöhnlich etwas Keckes, Schla¬
gendes und Ueberraschendes ist, das von dem Schlendrian der Gewohnheit
abweicht. Diesen Charakter trägt auch die Rede, die wir hier im Aus¬
zuge mittheilen:

„— — Das erste Bedürfniß der Industrie ist Friede und Ruhe in der
Sphäre, worin sie sich bewegt. Dieser Friede, diese Ruhe besteht nicht
in einer politischen Erstarrung im Innern, und nicht blos im Friedens-
zustande mit dem Ausland, sondern außerdem noch in der Stätigkeit der
Abgaben. Stätigkeit in der Consumtionssteuer, damit die Lage des Arbeiters
gleich bleibe, Stätigkeit in den Accisen, welche die Produktion hemmen,
aber zur Gewohnheit werden, wenn man nicht jedes Jahr den Producenten
zwingt, neue Erfahrungen zu sammeln, und sich zu ruiniren durch Aende¬
rungen im Geschäftsbetriebe, die Regel, daß man sich hüte, seine Lage zu
stören, Stätigkeit in der Douanengesetzgebung, damit der Fabrikant Ver¬
trauen auf die Zukunft fassen, und auf Verbesserung, Vereinfachung und
Regulirung der Arbeit denken könne — das sind Normen, die zwar keine
unveränderliche Richtschnur bieten können, von denen man aber so wenig
wie möglich abweichen darf.

„In Hinsicht der Donauengesetzgebung können nur zwei Wege ein¬
geschlagen werden. Entweder sieht sich die Regierung in der Lage, auf
den Ruf derjenigen zu hören, die die Sicherheit des inneren Marktes ver¬
langen, und dann muß sie das Prohibitivsystem mit allen seinen Folgen
annehmen, und muß dahin arbeiten, daß das Land von seinen eignen
Hülfsquellen leben könne, ohne Hoffnung, jemals Absatzwege nach dem
Auslande finden zu können, — oder sie muß, von dem Wunsche beseelt,

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[154/0162] Carl de Brouckère ist, was auch seine Gegner wider ihn sagen mögen, einer der klarsten, wir möchten sagen, genialsten Köpfe des heutigen Bel¬ giens. Er kennt die Bedürfnisse des Landes wie nur Wenige, denn fast alle Ministerien haben unter ihm gestanden. Vor der belgischen Revolution Mitglied der Generalstaaten, wurde er nach den Begebenheiten von 1830 nacheinander Kriegsminister, Finanzminister, Minister des Innern, Direktor der belgischen Bank u. s. w. Aber sein übersprudelnder, unruhiger Geist, durch einen starken, athletischen Körperbau noch gehoben, verleitete ihn oft, über Verhältnisse, Formen und Erfahrungsregeln hinweg zu sehen, die bis¬ weilen auf das Schicksal einer öffentlichen Laufbahn noch mehr Einfluß haben, als eine schöpferische Conception. So kam es, daß de Brouckère in seinem besten Mannesalter, von allen Staatsgeschäften entfernt, ein isolirtes, zurückgezogenes Leben führt. Aber jedesmal, wenn er aus dieser Zurückgezogenheit auf einen Augen¬ blick heraustritt, um in die Oeffentlichkeit einzugreifen, ist es immer von Interesse, seinem Thun zu folgen, weil es gewöhnlich etwas Keckes, Schla¬ gendes und Ueberraschendes ist, das von dem Schlendrian der Gewohnheit abweicht. Diesen Charakter trägt auch die Rede, die wir hier im Aus¬ zuge mittheilen: „— — Das erste Bedürfniß der Industrie ist Friede und Ruhe in der Sphäre, worin sie sich bewegt. Dieser Friede, diese Ruhe besteht nicht in einer politischen Erstarrung im Innern, und nicht blos im Friedens- zustande mit dem Ausland, sondern außerdem noch in der Stätigkeit der Abgaben. Stätigkeit in der Consumtionssteuer, damit die Lage des Arbeiters gleich bleibe, Stätigkeit in den Accisen, welche die Produktion hemmen, aber zur Gewohnheit werden, wenn man nicht jedes Jahr den Producenten zwingt, neue Erfahrungen zu sammeln, und sich zu ruiniren durch Aende¬ rungen im Geschäftsbetriebe, die Regel, daß man sich hüte, seine Lage zu stören, Stätigkeit in der Douanengesetzgebung, damit der Fabrikant Ver¬ trauen auf die Zukunft fassen, und auf Verbesserung, Vereinfachung und Regulirung der Arbeit denken könne — das sind Normen, die zwar keine unveränderliche Richtschnur bieten können, von denen man aber so wenig wie möglich abweichen darf. „In Hinsicht der Donauengesetzgebung können nur zwei Wege ein¬ geschlagen werden. Entweder sieht sich die Regierung in der Lage, auf den Ruf derjenigen zu hören, die die Sicherheit des inneren Marktes ver¬ langen, und dann muß sie das Prohibitivsystem mit allen seinen Folgen annehmen, und muß dahin arbeiten, daß das Land von seinen eignen Hülfsquellen leben könne, ohne Hoffnung, jemals Absatzwege nach dem Auslande finden zu können, — oder sie muß, von dem Wunsche beseelt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/162>, abgerufen am 25.11.2024.