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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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mer das Relative, die gesellschaftliche Anwendung im Auge. Das Bruch¬
stück über die religiösen Orden, welches wir hier mittheilen, spricht einer
von der Gesellschaft aufgegebenen Sache das Wort, aber die socialen Ideen
die darin ausgesprochen sind, sind darum nicht minder wahr und interessant, sie
bilden einen Nebenzweig jener revolutionären Speculationen der Fourrieristen
und Communisten, denn Lacordaire, der Priester, ist wie Lammenais ein
politischer Heißsporn, aufstachelnd und umwälzungsdurstig:

"Fast alle europäische Gewalten, Könige und Zeitungsschreiber, Abso-
lutisten und Liberale, stehen in Reih und Glied gegen jede freiwillige Selbst¬
aufopferung und noch niemals hat man so viel Furcht gehabt, vor einem
Manne, der barfuß und mit einem groben leinenen Sacke einhergeht, wie
jetzt. Wären die geistlichen Orden wie ehemals Besitzer großer Güter,
die sie unter dem Schutze der Gesetze erhielten und vermehrten, wären
ihre Gelübde nach wie vor von der Staatsgewalt anerkannt, so könnte
man jenes Zetergeschrei begreifen; bei dem jetzigen Stand der Dinge aber
wird es Niemand verstehen."

"Das Unerklärliche liegt für Viele darin, daß Männer, müde der materi¬
ellen Leidenschaften und Eitelkeiten, und für Gott und die Menschen von
einer Liebe erfüllt, die sie sich selbst vergessen macht, sich in einem Hause
vereinigen und da ohne irgend ein Vorrecht zu genießen, und ohne durch
ein vom Staate anerkanntes Gelübde gebunden zu sein, mit 500 Franken
jährlich leben, und mit einem Dienste sich beschäftigen, den die Welt nicht
immer begreift, der aber auf jeden Fall Niemanden wehe thut. Für die¬
jenigen, welche erzogen sind am Busen der Welt, liegt in einem solchen
Entschluß etwas Unerklärliches. Man stellt uns frei nach Aemtern und
Ehrenstellen zu trachten, auf das Schicksal der Welt Einfluß zu üben durch
Besprechung der wichtigsten Zeitfragen; alles dies gesteht sie uns zu; bitten wir
aber um Erlaubniß, da wir von den göttlichen Elementen durchdrungen sind, die
auch diese Zeit bewegen, den Eingebungen unseres Glaubens zu folgen,
Nichts zu begehren, in Armuth mit einigen gleichgesinnten Freunden zu le-
ben, -- da fühlen wir uns überall gehemmt, verhöhnt und geächtet!"

"Trotzdem verzweifeln wir nicht, im Vertrauen auf Gott, der uns be¬
rufen hat und auf unser Vaterland."

"Denn die geistlichen Orden haben in Frankreichs Boden feste Wurzel.
Trotz aller Hindernisse sind deren immer neue entstanden. Vom Staate blos ein¬
fach geduldet, haben sie von gemeinsamer Arbeit im Dienste der Barmher¬
zigkeit und Liebe gelebt, und hat man sie auch von außen her angegriffen,
so hat doch seit 40 Jahren keine Unbill ihren Pforten sich genaht, wie auch
niemals ein Skandal ihre Schwelle überschritten hat. Solche außerordent¬
liche Tätigkeit auf so veränderlichem Boden muß ihre Gründe haben.

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mer das Relative, die gesellschaftliche Anwendung im Auge. Das Bruch¬
stück über die religiösen Orden, welches wir hier mittheilen, spricht einer
von der Gesellschaft aufgegebenen Sache das Wort, aber die socialen Ideen
die darin ausgesprochen sind, sind darum nicht minder wahr und interessant, sie
bilden einen Nebenzweig jener revolutionären Speculationen der Fourrieristen
und Communisten, denn Lacordaire, der Priester, ist wie Lammenais ein
politischer Heißsporn, aufstachelnd und umwälzungsdurstig:

„Fast alle europäische Gewalten, Könige und Zeitungsschreiber, Abso-
lutisten und Liberale, stehen in Reih und Glied gegen jede freiwillige Selbst¬
aufopferung und noch niemals hat man so viel Furcht gehabt, vor einem
Manne, der barfuß und mit einem groben leinenen Sacke einhergeht, wie
jetzt. Wären die geistlichen Orden wie ehemals Besitzer großer Güter,
die sie unter dem Schutze der Gesetze erhielten und vermehrten, wären
ihre Gelübde nach wie vor von der Staatsgewalt anerkannt, so könnte
man jenes Zetergeschrei begreifen; bei dem jetzigen Stand der Dinge aber
wird es Niemand verstehen.“

„Das Unerklärliche liegt für Viele darin, daß Männer, müde der materi¬
ellen Leidenschaften und Eitelkeiten, und für Gott und die Menschen von
einer Liebe erfüllt, die sie sich selbst vergessen macht, sich in einem Hause
vereinigen und da ohne irgend ein Vorrecht zu genießen, und ohne durch
ein vom Staate anerkanntes Gelübde gebunden zu sein, mit 500 Franken
jährlich leben, und mit einem Dienste sich beschäftigen, den die Welt nicht
immer begreift, der aber auf jeden Fall Niemanden wehe thut. Für die¬
jenigen, welche erzogen sind am Busen der Welt, liegt in einem solchen
Entschluß etwas Unerklärliches. Man stellt uns frei nach Aemtern und
Ehrenstellen zu trachten, auf das Schicksal der Welt Einfluß zu üben durch
Besprechung der wichtigsten Zeitfragen; alles dies gesteht sie uns zu; bitten wir
aber um Erlaubniß, da wir von den göttlichen Elementen durchdrungen sind, die
auch diese Zeit bewegen, den Eingebungen unseres Glaubens zu folgen,
Nichts zu begehren, in Armuth mit einigen gleichgesinnten Freunden zu le-
ben, — da fühlen wir uns überall gehemmt, verhöhnt und geächtet!“

„Trotzdem verzweifeln wir nicht, im Vertrauen auf Gott, der uns be¬
rufen hat und auf unser Vaterland.“

„Denn die geistlichen Orden haben in Frankreichs Boden feste Wurzel.
Trotz aller Hindernisse sind deren immer neue entstanden. Vom Staate blos ein¬
fach geduldet, haben sie von gemeinsamer Arbeit im Dienste der Barmher¬
zigkeit und Liebe gelebt, und hat man sie auch von außen her angegriffen,
so hat doch seit 40 Jahren keine Unbill ihren Pforten sich genaht, wie auch
niemals ein Skandal ihre Schwelle überschritten hat. Solche außerordent¬
liche Tätigkeit auf so veränderlichem Boden muß ihre Gründe haben.

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[143/0151] mer das Relative, die gesellschaftliche Anwendung im Auge. Das Bruch¬ stück über die religiösen Orden, welches wir hier mittheilen, spricht einer von der Gesellschaft aufgegebenen Sache das Wort, aber die socialen Ideen die darin ausgesprochen sind, sind darum nicht minder wahr und interessant, sie bilden einen Nebenzweig jener revolutionären Speculationen der Fourrieristen und Communisten, denn Lacordaire, der Priester, ist wie Lammenais ein politischer Heißsporn, aufstachelnd und umwälzungsdurstig: „Fast alle europäische Gewalten, Könige und Zeitungsschreiber, Abso- lutisten und Liberale, stehen in Reih und Glied gegen jede freiwillige Selbst¬ aufopferung und noch niemals hat man so viel Furcht gehabt, vor einem Manne, der barfuß und mit einem groben leinenen Sacke einhergeht, wie jetzt. Wären die geistlichen Orden wie ehemals Besitzer großer Güter, die sie unter dem Schutze der Gesetze erhielten und vermehrten, wären ihre Gelübde nach wie vor von der Staatsgewalt anerkannt, so könnte man jenes Zetergeschrei begreifen; bei dem jetzigen Stand der Dinge aber wird es Niemand verstehen.“ „Das Unerklärliche liegt für Viele darin, daß Männer, müde der materi¬ ellen Leidenschaften und Eitelkeiten, und für Gott und die Menschen von einer Liebe erfüllt, die sie sich selbst vergessen macht, sich in einem Hause vereinigen und da ohne irgend ein Vorrecht zu genießen, und ohne durch ein vom Staate anerkanntes Gelübde gebunden zu sein, mit 500 Franken jährlich leben, und mit einem Dienste sich beschäftigen, den die Welt nicht immer begreift, der aber auf jeden Fall Niemanden wehe thut. Für die¬ jenigen, welche erzogen sind am Busen der Welt, liegt in einem solchen Entschluß etwas Unerklärliches. Man stellt uns frei nach Aemtern und Ehrenstellen zu trachten, auf das Schicksal der Welt Einfluß zu üben durch Besprechung der wichtigsten Zeitfragen; alles dies gesteht sie uns zu; bitten wir aber um Erlaubniß, da wir von den göttlichen Elementen durchdrungen sind, die auch diese Zeit bewegen, den Eingebungen unseres Glaubens zu folgen, Nichts zu begehren, in Armuth mit einigen gleichgesinnten Freunden zu le- ben, — da fühlen wir uns überall gehemmt, verhöhnt und geächtet!“ „Trotzdem verzweifeln wir nicht, im Vertrauen auf Gott, der uns be¬ rufen hat und auf unser Vaterland.“ „Denn die geistlichen Orden haben in Frankreichs Boden feste Wurzel. Trotz aller Hindernisse sind deren immer neue entstanden. Vom Staate blos ein¬ fach geduldet, haben sie von gemeinsamer Arbeit im Dienste der Barmher¬ zigkeit und Liebe gelebt, und hat man sie auch von außen her angegriffen, so hat doch seit 40 Jahren keine Unbill ihren Pforten sich genaht, wie auch niemals ein Skandal ihre Schwelle überschritten hat. Solche außerordent¬ liche Tätigkeit auf so veränderlichem Boden muß ihre Gründe haben. 19*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/151>, abgerufen am 25.11.2024.