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Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841.

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stischen Entzückens ertönen. Manchmal endet der Jubel mit Bombenschlä¬
gen, Freudenfeuern und Kunstfeuerwerken. Für einen Triller, einen Fistel-
ton, eine Kopfbewegung, erhebt sich der Wahnsinn in seinen siebenten Him¬
mel. Sänger, und besonders Tänzerinnen, sind Fetische geworden, vor
denen man die Knie beugt, man schlägt sich verzweifelnd wider die Stirn,
und bekennt, daß man einem so ausgezeichneten Wesen gegenüber nur ein
Wurm ist. Geistvolle Schriftsteller verschwenden ihr Talent von Woche zu
Woche, in Phrasen unwürdiger Begeisterung, um einer Eitelkeit zu stöhnen,
die sie dennoch nicht sättigen können. Bald gibt es keine Ehre und keinen
Triumph, der glänzend genug wäre einen Entrechat zu bezahlen.

Der Götzendienst beschränkt sich nicht auf den Umfang des Schauspiel¬
hauses. Auch außerhalb des Tempels streut man dem Gotte Weihrauch.
Der Eifer der Gläubigen macht sich da erst recht Luft. Ich weiß nicht, wer der
galante Autocrat war, der einer durchlauchtigen Sängerin einen Ehrendegen
geschenkt hat. Welch Gefühl mußte bei dieser Nachricht manchen zurückge¬
setzten wackeren General befallen, wenn er sah, daß man militärische Eh¬
renbezeugungen also verschwendete.

Vor Kurzem las man in amerikanischen Blättern die Beschreibung der
zu Ehren der Demoiselle Elsler veranstalteten Festlichkeiten. Wir konnten
daraus lernen, daß wir Europäer in der Tollheit noch übertreffen werden
können, und daß die Lächerlichkeit keine Grenzen hat. Eine Tänzerin wird
im Triumph, und unter Beifallsgeschrei der Menge, durch die Stadt ge¬
fahren, es ertönt Freudenmusik, nur durch Kanonensalven unterbrochen, es
wird ihr zu Ehren ein Schiff bereit gehalten, das mit den Nationalfarben
geschmückt ist, und so geht sie weg, von den Civil- und Militärbehörden
begleitet. Wahrlich, ein solches galantes Schauspiel hat der Welt noch ge¬
fehlt, und ein sittenstrenges Volk hat es gegeben. Diese Puritaner haben
den Gottesdienst der Pirouette bei sich eingeführt, und von ihrer eisigen
Stumpfheit erwachend, sangen sie Feuer für die Reize einer Bajadere.
Prosaische Philister, zusammengereiht wie die Ziffern eines Additionsexem-
pels, positiv wie die Steinkohle und die Baumwolle, womit sie handeln,
sitzen auf dem Dreifuß heidnischer Verzückung. Sie wollen in ihrem Pa-
roxismus ein Kriegsschiff ausrüsten, um den Gegenstand ihrer Verehrung
nach Europa zurückzubringen, weil ein einfaches Paquetboot solch einer
glorreichen Sendung unwürdig sei. In der That, sprechen wir es aus,
es liegt darin mehr als unschuldige Verkehrtheit, als eine erlaubte Lächer¬
lichkeit, es liegt darin eine empörende Vergessenheit der Menschenwürde, ein
Zeichen tief gewurzelten moralischen Verderbens, das vielleicht unheilbar ist.

Eine junge Schauspielerin, deren Talent eher geeignet ist, ruhige über¬
legte Bewunderung als blindes Entzücken zu erregen, ist diesem fast ende-

stischen Entzückens ertönen. Manchmal endet der Jubel mit Bombenschlä¬
gen, Freudenfeuern und Kunstfeuerwerken. Für einen Triller, einen Fistel-
ton, eine Kopfbewegung, erhebt sich der Wahnsinn in seinen siebenten Him¬
mel. Sänger, und besonders Tänzerinnen, sind Fetische geworden, vor
denen man die Knie beugt, man schlägt sich verzweifelnd wider die Stirn,
und bekennt, daß man einem so ausgezeichneten Wesen gegenüber nur ein
Wurm ist. Geistvolle Schriftsteller verschwenden ihr Talent von Woche zu
Woche, in Phrasen unwürdiger Begeisterung, um einer Eitelkeit zu stöhnen,
die sie dennoch nicht sättigen können. Bald gibt es keine Ehre und keinen
Triumph, der glänzend genug wäre einen Entrechat zu bezahlen.

Der Götzendienst beschränkt sich nicht auf den Umfang des Schauspiel¬
hauses. Auch außerhalb des Tempels streut man dem Gotte Weihrauch.
Der Eifer der Gläubigen macht sich da erst recht Luft. Ich weiß nicht, wer der
galante Autocrat war, der einer durchlauchtigen Sängerin einen Ehrendegen
geschenkt hat. Welch Gefühl mußte bei dieser Nachricht manchen zurückge¬
setzten wackeren General befallen, wenn er sah, daß man militärische Eh¬
renbezeugungen also verschwendete.

Vor Kurzem las man in amerikanischen Blättern die Beschreibung der
zu Ehren der Demoiselle Elsler veranstalteten Festlichkeiten. Wir konnten
daraus lernen, daß wir Europäer in der Tollheit noch übertreffen werden
können, und daß die Lächerlichkeit keine Grenzen hat. Eine Tänzerin wird
im Triumph, und unter Beifallsgeschrei der Menge, durch die Stadt ge¬
fahren, es ertönt Freudenmusik, nur durch Kanonensalven unterbrochen, es
wird ihr zu Ehren ein Schiff bereit gehalten, das mit den Nationalfarben
geschmückt ist, und so geht sie weg, von den Civil- und Militärbehörden
begleitet. Wahrlich, ein solches galantes Schauspiel hat der Welt noch ge¬
fehlt, und ein sittenstrenges Volk hat es gegeben. Diese Puritaner haben
den Gottesdienst der Pirouette bei sich eingeführt, und von ihrer eisigen
Stumpfheit erwachend, sangen sie Feuer für die Reize einer Bajadere.
Prosaische Philister, zusammengereiht wie die Ziffern eines Additionsexem-
pels, positiv wie die Steinkohle und die Baumwolle, womit sie handeln,
sitzen auf dem Dreifuß heidnischer Verzückung. Sie wollen in ihrem Pa-
roxismus ein Kriegsschiff ausrüsten, um den Gegenstand ihrer Verehrung
nach Europa zurückzubringen, weil ein einfaches Paquetboot solch einer
glorreichen Sendung unwürdig sei. In der That, sprechen wir es aus,
es liegt darin mehr als unschuldige Verkehrtheit, als eine erlaubte Lächer¬
lichkeit, es liegt darin eine empörende Vergessenheit der Menschenwürde, ein
Zeichen tief gewurzelten moralischen Verderbens, das vielleicht unheilbar ist.

Eine junge Schauspielerin, deren Talent eher geeignet ist, ruhige über¬
legte Bewunderung als blindes Entzücken zu erregen, ist diesem fast ende-

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[138/0146] stischen Entzückens ertönen. Manchmal endet der Jubel mit Bombenschlä¬ gen, Freudenfeuern und Kunstfeuerwerken. Für einen Triller, einen Fistel- ton, eine Kopfbewegung, erhebt sich der Wahnsinn in seinen siebenten Him¬ mel. Sänger, und besonders Tänzerinnen, sind Fetische geworden, vor denen man die Knie beugt, man schlägt sich verzweifelnd wider die Stirn, und bekennt, daß man einem so ausgezeichneten Wesen gegenüber nur ein Wurm ist. Geistvolle Schriftsteller verschwenden ihr Talent von Woche zu Woche, in Phrasen unwürdiger Begeisterung, um einer Eitelkeit zu stöhnen, die sie dennoch nicht sättigen können. Bald gibt es keine Ehre und keinen Triumph, der glänzend genug wäre einen Entrechat zu bezahlen. Der Götzendienst beschränkt sich nicht auf den Umfang des Schauspiel¬ hauses. Auch außerhalb des Tempels streut man dem Gotte Weihrauch. Der Eifer der Gläubigen macht sich da erst recht Luft. Ich weiß nicht, wer der galante Autocrat war, der einer durchlauchtigen Sängerin einen Ehrendegen geschenkt hat. Welch Gefühl mußte bei dieser Nachricht manchen zurückge¬ setzten wackeren General befallen, wenn er sah, daß man militärische Eh¬ renbezeugungen also verschwendete. Vor Kurzem las man in amerikanischen Blättern die Beschreibung der zu Ehren der Demoiselle Elsler veranstalteten Festlichkeiten. Wir konnten daraus lernen, daß wir Europäer in der Tollheit noch übertreffen werden können, und daß die Lächerlichkeit keine Grenzen hat. Eine Tänzerin wird im Triumph, und unter Beifallsgeschrei der Menge, durch die Stadt ge¬ fahren, es ertönt Freudenmusik, nur durch Kanonensalven unterbrochen, es wird ihr zu Ehren ein Schiff bereit gehalten, das mit den Nationalfarben geschmückt ist, und so geht sie weg, von den Civil- und Militärbehörden begleitet. Wahrlich, ein solches galantes Schauspiel hat der Welt noch ge¬ fehlt, und ein sittenstrenges Volk hat es gegeben. Diese Puritaner haben den Gottesdienst der Pirouette bei sich eingeführt, und von ihrer eisigen Stumpfheit erwachend, sangen sie Feuer für die Reize einer Bajadere. Prosaische Philister, zusammengereiht wie die Ziffern eines Additionsexem- pels, positiv wie die Steinkohle und die Baumwolle, womit sie handeln, sitzen auf dem Dreifuß heidnischer Verzückung. Sie wollen in ihrem Pa- roxismus ein Kriegsschiff ausrüsten, um den Gegenstand ihrer Verehrung nach Europa zurückzubringen, weil ein einfaches Paquetboot solch einer glorreichen Sendung unwürdig sei. In der That, sprechen wir es aus, es liegt darin mehr als unschuldige Verkehrtheit, als eine erlaubte Lächer¬ lichkeit, es liegt darin eine empörende Vergessenheit der Menschenwürde, ein Zeichen tief gewurzelten moralischen Verderbens, das vielleicht unheilbar ist. Eine junge Schauspielerin, deren Talent eher geeignet ist, ruhige über¬ legte Bewunderung als blindes Entzücken zu erregen, ist diesem fast ende-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-11-19T17:23:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Signatur Per 61 k-1). (2013-11-19T17:23:38Z)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Erster Jahrgang. Leipzig, 1841, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_179382_282158/146>, abgerufen am 22.11.2024.