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Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

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§ 23 Grundsätze der Geometrie.
den ersten ist keine gerade Linie, ohne den zweiten keine Ebene *),
ohne den dritten kein Winkel möglich, während der letzte den
Raum selbst in seiner dreifachen Ausdehnung darstellt, und ob-
gleich dieselben in den gewöhnlichen Darstellungen meist über-
gangen werden, so hält es doch nicht schwer, die Stellen nachzu-
weisen, wo von demselben stillschweigend Gebrauch gemacht wird.
Dass dieselben ausreichen für die Geometrie, kann nur vollständig
aus einander gelegt werden durch Entfaltung der Geometrie selbst
aus diesem Keime heraus. Wir fahren jedoch hier fort in unserm
mehr andeutenden als ausführenden Verfahren. Den Satz, dass
zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, oder,
wie ihn Euklid ausdrückt, dass zwei gerade Linien nicht einen
Raum (khorion) umschliessen können, hier als Grundsatz übergan-
gen zu sehen, mag auffallen. Doch liegt derselbe in dem richtig
aufgefassten ersten Grundsatze, nämlich sollten zwei gerade Linien,
welche einen P. gemeinschaftlich haben, noch einen zweiten P. ge-
meinschaftlich haben, so würde der Raum an diesem zweiten Punkt
anders beschaffen sein, als in den andern, wenn die Linien nicht
zugleich auch alle andern Punkte gemeinschaftlich hätten, also
ganz in einander fielen. Sollte dieser Beweis, der sich übrigens
bei einer wirklichen Ausführung der Wissenschaft viel strenger
ausnehmen würde, zu sehr ein philosophisches Gepräge zu haben
scheinen, so mag man den Satz für die mathematische Darstellung
immerhin als partiellen Grundsatz aufstellen, wenn man sich nur
seiner Zusammengehörigkeit mit jenem ersten Grundsatze bewusst
bleibt **). Für die weitere Entwickelung bedienen wir uns hier,
um zwei Grössen als gleich und gleichläufig zu bezeichnen, eines
Zeichens ([]), welches aus dem des Gleichen (=) und des Paral-
lelen (||) kombinirt ist. -- Wenn nun zwei Strecken AB und BC
entgegengesetzt sind mit zwei andern DE und EF (vergl. Fig. 6.),
so dass also
[Formel 1]

*) S. unten.
**) Ueberhaupt ist die Zerspaltung in möglichst besondere Grundsätze der
mathematischen Methode eigenthümlich und förderlich, vergl. auch Einleit.
Nr. 13.

§ 23 Grundsätze der Geometrie.
den ersten ist keine gerade Linie, ohne den zweiten keine Ebene *),
ohne den dritten kein Winkel möglich, während der letzte den
Raum selbst in seiner dreifachen Ausdehnung darstellt, und ob-
gleich dieselben in den gewöhnlichen Darstellungen meist über-
gangen werden, so hält es doch nicht schwer, die Stellen nachzu-
weisen, wo von demselben stillschweigend Gebrauch gemacht wird.
Dass dieselben ausreichen für die Geometrie, kann nur vollständig
aus einander gelegt werden durch Entfaltung der Geometrie selbst
aus diesem Keime heraus. Wir fahren jedoch hier fort in unserm
mehr andeutenden als ausführenden Verfahren. Den Satz, dass
zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, oder,
wie ihn Euklid ausdrückt, dass zwei gerade Linien nicht einen
Raum (χωριον) umschliessen können, hier als Grundsatz übergan-
gen zu sehen, mag auffallen. Doch liegt derselbe in dem richtig
aufgefassten ersten Grundsatze, nämlich sollten zwei gerade Linien,
welche einen P. gemeinschaftlich haben, noch einen zweiten P. ge-
meinschaftlich haben, so würde der Raum an diesem zweiten Punkt
anders beschaffen sein, als in den andern, wenn die Linien nicht
zugleich auch alle andern Punkte gemeinschaftlich hätten, also
ganz in einander fielen. Sollte dieser Beweis, der sich übrigens
bei einer wirklichen Ausführung der Wissenschaft viel strenger
ausnehmen würde, zu sehr ein philosophisches Gepräge zu haben
scheinen, so mag man den Satz für die mathematische Darstellung
immerhin als partiellen Grundsatz aufstellen, wenn man sich nur
seiner Zusammengehörigkeit mit jenem ersten Grundsatze bewusst
bleibt **). Für die weitere Entwickelung bedienen wir uns hier,
um zwei Grössen als gleich und gleichläufig zu bezeichnen, eines
Zeichens ([⌗]), welches aus dem des Gleichen (=) und des Paral-
lelen (||) kombinirt ist. — Wenn nun zwei Strecken AB und BC
entgegengesetzt sind mit zwei andern DE und EF (vergl. Fig. 6.),
so dass also
[Formel 1]

*) S. unten.
**) Ueberhaupt ist die Zerspaltung in möglichst besondere Grundsätze der
mathematischen Methode eigenthümlich und förderlich, vergl. auch Einleit.
Nr. 13.
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[37/0073] § 23 Grundsätze der Geometrie. den ersten ist keine gerade Linie, ohne den zweiten keine Ebene *), ohne den dritten kein Winkel möglich, während der letzte den Raum selbst in seiner dreifachen Ausdehnung darstellt, und ob- gleich dieselben in den gewöhnlichen Darstellungen meist über- gangen werden, so hält es doch nicht schwer, die Stellen nachzu- weisen, wo von demselben stillschweigend Gebrauch gemacht wird. Dass dieselben ausreichen für die Geometrie, kann nur vollständig aus einander gelegt werden durch Entfaltung der Geometrie selbst aus diesem Keime heraus. Wir fahren jedoch hier fort in unserm mehr andeutenden als ausführenden Verfahren. Den Satz, dass zwischen zwei Punkten nur Eine gerade Linie möglich ist, oder, wie ihn Euklid ausdrückt, dass zwei gerade Linien nicht einen Raum (χωριον) umschliessen können, hier als Grundsatz übergan- gen zu sehen, mag auffallen. Doch liegt derselbe in dem richtig aufgefassten ersten Grundsatze, nämlich sollten zwei gerade Linien, welche einen P. gemeinschaftlich haben, noch einen zweiten P. ge- meinschaftlich haben, so würde der Raum an diesem zweiten Punkt anders beschaffen sein, als in den andern, wenn die Linien nicht zugleich auch alle andern Punkte gemeinschaftlich hätten, also ganz in einander fielen. Sollte dieser Beweis, der sich übrigens bei einer wirklichen Ausführung der Wissenschaft viel strenger ausnehmen würde, zu sehr ein philosophisches Gepräge zu haben scheinen, so mag man den Satz für die mathematische Darstellung immerhin als partiellen Grundsatz aufstellen, wenn man sich nur seiner Zusammengehörigkeit mit jenem ersten Grundsatze bewusst bleibt **). Für die weitere Entwickelung bedienen wir uns hier, um zwei Grössen als gleich und gleichläufig zu bezeichnen, eines Zeichens (⌗), welches aus dem des Gleichen (=) und des Paral- lelen (||) kombinirt ist. — Wenn nun zwei Strecken AB und BC entgegengesetzt sind mit zwei andern DE und EF (vergl. Fig. 6.), so dass also [FORMEL] *) S. unten. **) Ueberhaupt ist die Zerspaltung in möglichst besondere Grundsätze der mathematischen Methode eigenthümlich und förderlich, vergl. auch Einleit. Nr. 13.

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Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/73>, abgerufen am 26.11.2024.