Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 121 Das Moment als Abweichung.
ziehungspunkt und dessen zweiter Faktor die Kraft ist, oder als
Abweichung der Kraft von dem Beziehungspunkte. Da nun jede
Gleichung zwischen den Elementargrössen auch zwischen ihren
Ausweichungen besteht, so wird auch jede Gleichung, welche zwi-
schen jenen Produkten statt findet, zwischen ihren Momenten gleich-
falls statt finden, obwohl nicht umgekehrt.

Man könnte daher selbst zweifelhaft sein, ob man nicht lieber
jenes Produkt des Beziehungspunktes in die Kraft als Moment de-
finiren, und was wir bisher als Moment fixirten, nur als Auswei-
chung jener Grösse darstellen soll. -- Doch behalten wir den fest-
gestellten Begriff bei. Unter dem Moment einer Kraft ab in Be-
zug auf eine Axe rs verstanden wir oben (§ 41) das Produkt
[rs] . [sa] . [ab] oder (s -- r) . (a -- s) . (b -- a).
Multipliciren wir dasselbe mit r, so erhalten wir das Produkt
r . s . a . b,
dessen Ausweichung eben jenes Moment ist. Also erscheint das
Moment einer Kraft in Bezug auf eine Axe als Ausweichung eines
Produktes, dessen erster Faktor die Axe und dessen zweiter Faktor
die Kraft ist, oder, einfacher ausgedrückt, als Abweichung der Kraft
von der Axe. Da übrigens eine Gleichung zwischen Elementar-
grössen vierter Stufe im Raume als einem Elementarsystem vierter
Stufe keine andere Bedeutung hat, als die Gleichung zwischen ih-
ren Ausweichungen, so kann man das Moment in Bezug auf eine
Axe auch direkt als Produkt dieser Axe in die Kraft auffassen.*)

§ 121. Es bietet sich auf diesem Punkte der Entwickelung
eine Methode dar, durch welche wir alle Gesetze für das Gleichge-
wicht fester Körper ohne Voraussetzung aller früher bewiesenen
Sätze der Statik auf die einfachste Weise ableiten können. Wir
bedürfen dazu nur einestheils des Grundsatzes, "dass 3 Kräfte,

*) Da der Name (statisches) Moment jetzt überflüssig erscheint, indem er
durch den Namen der Abweichung vollkommen ersetzt wird, und sich dieser so-
gar noch leichter handhaben lässt, so wäre es gewiss zweckmässig, wenn man
den Namen Moment nur in dem Sinne gebrauchte, in welchem ihn z. B. La
Grange
in seiner mecanique analytique überall gebraucht, wo er von dem Mo-
ment ohne weitere Bestimmung redet, und wenn man das sogenannte statische
Moment eben als Abweichung bezeichnete. Doch habe ich dies nicht ohne weite-
res einführen wollen.

§ 121 Das Moment als Abweichung.
ziehungspunkt und dessen zweiter Faktor die Kraft ist, oder als
Abweichung der Kraft von dem Beziehungspunkte. Da nun jede
Gleichung zwischen den Elementargrössen auch zwischen ihren
Ausweichungen besteht, so wird auch jede Gleichung, welche zwi-
schen jenen Produkten statt findet, zwischen ihren Momenten gleich-
falls statt finden, obwohl nicht umgekehrt.

Man könnte daher selbst zweifelhaft sein, ob man nicht lieber
jenes Produkt des Beziehungspunktes in die Kraft als Moment de-
finiren, und was wir bisher als Moment fixirten, nur als Auswei-
chung jener Grösse darstellen soll. — Doch behalten wir den fest-
gestellten Begriff bei. Unter dem Moment einer Kraft αβ in Be-
zug auf eine Axe ρσ verstanden wir oben (§ 41) das Produkt
[ρσ] . [σα] . [αβ] oder (σ — ρ) . (α — σ) . (β — α).
Multipliciren wir dasselbe mit ρ, so erhalten wir das Produkt
ρ . σ . α . β,
dessen Ausweichung eben jenes Moment ist. Also erscheint das
Moment einer Kraft in Bezug auf eine Axe als Ausweichung eines
Produktes, dessen erster Faktor die Axe und dessen zweiter Faktor
die Kraft ist, oder, einfacher ausgedrückt, als Abweichung der Kraft
von der Axe. Da übrigens eine Gleichung zwischen Elementar-
grössen vierter Stufe im Raume als einem Elementarsystem vierter
Stufe keine andere Bedeutung hat, als die Gleichung zwischen ih-
ren Ausweichungen, so kann man das Moment in Bezug auf eine
Axe auch direkt als Produkt dieser Axe in die Kraft auffassen.*)

§ 121. Es bietet sich auf diesem Punkte der Entwickelung
eine Methode dar, durch welche wir alle Gesetze für das Gleichge-
wicht fester Körper ohne Voraussetzung aller früher bewiesenen
Sätze der Statik auf die einfachste Weise ableiten können. Wir
bedürfen dazu nur einestheils des Grundsatzes, „dass 3 Kräfte,

*) Da der Name (statisches) Moment jetzt überflüssig erscheint, indem er
durch den Namen der Abweichung vollkommen ersetzt wird, und sich dieser so-
gar noch leichter handhaben lässt, so wäre es gewiss zweckmässig, wenn man
den Namen Moment nur in dem Sinne gebrauchte, in welchem ihn z. B. La
Grange
in seiner mecanique analytique überall gebraucht, wo er von dem Mo-
ment ohne weitere Bestimmung redet, und wenn man das sogenannte statische
Moment eben als Abweichung bezeichnete. Doch habe ich dies nicht ohne weite-
res einführen wollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0209" n="173"/><fw place="top" type="header">§ 121 Das Moment als Abweichung.</fw><lb/>
ziehungspunkt und dessen zweiter Faktor die Kraft ist, oder als<lb/>
Abweichung der Kraft von dem Beziehungspunkte. Da nun jede<lb/>
Gleichung zwischen den Elementargrössen auch zwischen ihren<lb/>
Ausweichungen besteht, so wird auch jede Gleichung, welche zwi-<lb/>
schen jenen Produkten statt findet, zwischen ihren Momenten gleich-<lb/>
falls statt finden, obwohl nicht umgekehrt.</p><lb/>
          <p>Man könnte daher selbst zweifelhaft sein, ob man nicht lieber<lb/>
jenes Produkt des Beziehungspunktes in die Kraft als Moment de-<lb/>
finiren, und was wir bisher als Moment fixirten, nur als Auswei-<lb/>
chung jener Grösse darstellen soll. &#x2014; Doch behalten wir den fest-<lb/>
gestellten Begriff bei. Unter dem Moment einer Kraft &#x03B1;&#x03B2; in Be-<lb/>
zug auf eine Axe &#x03C1;&#x03C3; verstanden wir oben (§ 41) das Produkt<lb/><hi rendition="#c">[&#x03C1;&#x03C3;] . [&#x03C3;&#x03B1;] . [&#x03B1;&#x03B2;] oder (&#x03C3; &#x2014; &#x03C1;) . (&#x03B1; &#x2014; &#x03C3;) . (&#x03B2; &#x2014; &#x03B1;).</hi><lb/>
Multipliciren wir dasselbe mit &#x03C1;, so erhalten wir das Produkt<lb/><hi rendition="#c">&#x03C1; . &#x03C3; . &#x03B1; . &#x03B2;,</hi><lb/>
dessen Ausweichung eben jenes Moment ist. Also erscheint das<lb/>
Moment einer Kraft in Bezug auf eine Axe als Ausweichung eines<lb/>
Produktes, dessen erster Faktor die Axe und dessen zweiter Faktor<lb/>
die Kraft ist, oder, einfacher ausgedrückt, als Abweichung der Kraft<lb/>
von der Axe. Da übrigens eine Gleichung zwischen Elementar-<lb/>
grössen vierter Stufe im Raume als einem Elementarsystem vierter<lb/>
Stufe keine andere Bedeutung hat, als die Gleichung zwischen ih-<lb/>
ren Ausweichungen, so kann man das Moment in Bezug auf eine<lb/>
Axe auch direkt als Produkt dieser Axe in die Kraft auffassen.<note place="foot" n="*)">Da der Name (statisches) Moment jetzt überflüssig erscheint, indem er<lb/>
durch den Namen der Abweichung vollkommen ersetzt wird, und sich dieser so-<lb/>
gar noch leichter handhaben lässt, so wäre es gewiss zweckmässig, wenn man<lb/>
den Namen Moment <hi rendition="#g">nur</hi> in dem Sinne gebrauchte, in welchem ihn z. B. <hi rendition="#g">La<lb/>
Grange</hi> in seiner <hi rendition="#i">mecanique analytique</hi> überall gebraucht, wo er von dem Mo-<lb/>
ment ohne weitere Bestimmung redet, und wenn man das sogenannte statische<lb/>
Moment eben als Abweichung bezeichnete. Doch habe ich dies nicht ohne weite-<lb/>
res einführen wollen.</note></p><lb/>
          <p>§ 121. Es bietet sich auf diesem Punkte der Entwickelung<lb/>
eine Methode dar, durch welche wir alle Gesetze für das Gleichge-<lb/>
wicht fester Körper ohne Voraussetzung aller früher bewiesenen<lb/>
Sätze der Statik auf die einfachste Weise ableiten können. Wir<lb/>
bedürfen dazu nur einestheils des Grundsatzes, &#x201E;dass 3 Kräfte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0209] § 121 Das Moment als Abweichung. ziehungspunkt und dessen zweiter Faktor die Kraft ist, oder als Abweichung der Kraft von dem Beziehungspunkte. Da nun jede Gleichung zwischen den Elementargrössen auch zwischen ihren Ausweichungen besteht, so wird auch jede Gleichung, welche zwi- schen jenen Produkten statt findet, zwischen ihren Momenten gleich- falls statt finden, obwohl nicht umgekehrt. Man könnte daher selbst zweifelhaft sein, ob man nicht lieber jenes Produkt des Beziehungspunktes in die Kraft als Moment de- finiren, und was wir bisher als Moment fixirten, nur als Auswei- chung jener Grösse darstellen soll. — Doch behalten wir den fest- gestellten Begriff bei. Unter dem Moment einer Kraft αβ in Be- zug auf eine Axe ρσ verstanden wir oben (§ 41) das Produkt [ρσ] . [σα] . [αβ] oder (σ — ρ) . (α — σ) . (β — α). Multipliciren wir dasselbe mit ρ, so erhalten wir das Produkt ρ . σ . α . β, dessen Ausweichung eben jenes Moment ist. Also erscheint das Moment einer Kraft in Bezug auf eine Axe als Ausweichung eines Produktes, dessen erster Faktor die Axe und dessen zweiter Faktor die Kraft ist, oder, einfacher ausgedrückt, als Abweichung der Kraft von der Axe. Da übrigens eine Gleichung zwischen Elementar- grössen vierter Stufe im Raume als einem Elementarsystem vierter Stufe keine andere Bedeutung hat, als die Gleichung zwischen ih- ren Ausweichungen, so kann man das Moment in Bezug auf eine Axe auch direkt als Produkt dieser Axe in die Kraft auffassen. *) § 121. Es bietet sich auf diesem Punkte der Entwickelung eine Methode dar, durch welche wir alle Gesetze für das Gleichge- wicht fester Körper ohne Voraussetzung aller früher bewiesenen Sätze der Statik auf die einfachste Weise ableiten können. Wir bedürfen dazu nur einestheils des Grundsatzes, „dass 3 Kräfte, *) Da der Name (statisches) Moment jetzt überflüssig erscheint, indem er durch den Namen der Abweichung vollkommen ersetzt wird, und sich dieser so- gar noch leichter handhaben lässt, so wäre es gewiss zweckmässig, wenn man den Namen Moment nur in dem Sinne gebrauchte, in welchem ihn z. B. La Grange in seiner mecanique analytique überall gebraucht, wo er von dem Mo- ment ohne weitere Bestimmung redet, und wenn man das sogenannte statische Moment eben als Abweichung bezeichnete. Doch habe ich dies nicht ohne weite- res einführen wollen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/209
Zitationshilfe: Graßmann, Hermann: Die Wissenschaft der extensiven Grösse oder die Ausdehnungslehre, eine neue mathematische Disciplin. Bd. 1. Leipzig, 1844, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grassmann_ausdehnungslehre_1844/209>, abgerufen am 23.11.2024.