Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831.
Leuten ringsum in der staubigen Stadt -- Wir wollen hier das frische Grün genießen. -- -- Die schöne Kokosblüthe in jenem Gewächshause nehm' ich mir zum Stickmuster. Der alte Gärtner. Stickmuster, ja -- Seit einem Jahre denkst du bei jeder Blume an Putz, Stickmuster und den unseeligen Pierre. Ich glaube, du hingest ihm den ganzen Gartenflor um den Hals, deines Onkels Herz dazu. Die Nichte. Mein Herz gern, deines nicht, Onkel. In dei- ner Brust, die für meine Mutter und mich so treu sorgte, säß' es doch besser als an seinem Halse. -- Aber, wahr ist wahr, und schön ist schön, und gut ist gut: wahr, schön und gut ist er. Der alte Gärtner. Er stört mich hier, und der Oberintendant des Gartens hat es schon übel genommen, daß ich ihn einlasse. Er ist ein Bonapartist oder gar ein Revolutionär. -- Die Nichte. Wäre Pierre das (ich weiß wahrhaftig nicht, ob er es ist, denn auf sein politisches Geschwatz acht' ich so wenig wie der schlafende Müller auf
Leuten ringsum in der ſtaubigen Stadt — Wir wollen hier das friſche Grün genießen. — — Die ſchöne Kokosblüthe in jenem Gewächshauſe nehm’ ich mir zum Stickmuſter. Der alte Gaͤrtner. Stickmuſter, ja — Seit einem Jahre denkſt du bei jeder Blume an Putz, Stickmuſter und den unſeeligen Pierre. Ich glaube, du hingeſt ihm den ganzen Gartenflor um den Hals, deines Onkels Herz dazu. Die Nichte. Mein Herz gern, deines nicht, Onkel. In dei- ner Bruſt, die für meine Mutter und mich ſo treu ſorgte, ſäß’ es doch beſſer als an ſeinem Halſe. — Aber, wahr iſt wahr, und ſchön iſt ſchön, und gut iſt gut: wahr, ſchön und gut iſt er. Der alte Gaͤrtner. Er ſtört mich hier, und der Oberintendant des Gartens hat es ſchon übel genommen, daß ich ihn einlaſſe. Er iſt ein Bonapartiſt oder gar ein Revolutionär. — Die Nichte. Wäre Pierre das (ich weiß wahrhaftig nicht, ob er es iſt, denn auf ſein politiſches Geſchwatz acht’ ich ſo wenig wie der ſchlafende Müller auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#NICHTE"> <p><pb facs="#f0088" n="80"/> Leuten ringsum in der ſtaubigen Stadt — Wir<lb/> wollen hier das friſche Grün genießen. — — Die<lb/> ſchöne Kokosblüthe in jenem Gewächshauſe nehm’<lb/> ich mir zum Stickmuſter.</p> </sp><lb/> <sp who="#GAERT"> <speaker> <hi rendition="#g">Der alte Gaͤrtner.</hi> </speaker><lb/> <p>Stickmuſter, ja — Seit einem Jahre denkſt du<lb/> bei jeder Blume an Putz, Stickmuſter und den<lb/> unſeeligen Pierre. Ich glaube, du hingeſt ihm den<lb/> ganzen Gartenflor um den Hals, deines Onkels<lb/> Herz dazu.</p> </sp><lb/> <sp who="#NICHTE"> <speaker> <hi rendition="#g">Die Nichte.</hi> </speaker><lb/> <p>Mein Herz gern, deines nicht, Onkel. In dei-<lb/> ner Bruſt, die für meine Mutter und mich ſo treu<lb/> ſorgte, ſäß’ es doch beſſer als an ſeinem Halſe. —<lb/> Aber, wahr iſt wahr, und ſchön iſt ſchön, und gut<lb/> iſt gut: wahr, ſchön und gut iſt er.</p> </sp><lb/> <sp who="#GAERT"> <speaker> <hi rendition="#g">Der alte Gaͤrtner.</hi> </speaker><lb/> <p>Er ſtört mich hier, und der Oberintendant des<lb/> Gartens hat es ſchon übel genommen, daß ich ihn<lb/> einlaſſe. Er iſt ein Bonapartiſt oder gar ein<lb/> Revolutionär. —</p> </sp><lb/> <sp who="#NICHTE"> <speaker> <hi rendition="#g">Die Nichte.</hi> </speaker><lb/> <p>Wäre Pierre das (ich weiß wahrhaftig nicht,<lb/> ob er es iſt, denn auf ſein politiſches Geſchwatz<lb/> acht’ ich ſo wenig wie der ſchlafende Müller auf<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0088]
Leuten ringsum in der ſtaubigen Stadt — Wir
wollen hier das friſche Grün genießen. — — Die
ſchöne Kokosblüthe in jenem Gewächshauſe nehm’
ich mir zum Stickmuſter.
Der alte Gaͤrtner.
Stickmuſter, ja — Seit einem Jahre denkſt du
bei jeder Blume an Putz, Stickmuſter und den
unſeeligen Pierre. Ich glaube, du hingeſt ihm den
ganzen Gartenflor um den Hals, deines Onkels
Herz dazu.
Die Nichte.
Mein Herz gern, deines nicht, Onkel. In dei-
ner Bruſt, die für meine Mutter und mich ſo treu
ſorgte, ſäß’ es doch beſſer als an ſeinem Halſe. —
Aber, wahr iſt wahr, und ſchön iſt ſchön, und gut
iſt gut: wahr, ſchön und gut iſt er.
Der alte Gaͤrtner.
Er ſtört mich hier, und der Oberintendant des
Gartens hat es ſchon übel genommen, daß ich ihn
einlaſſe. Er iſt ein Bonapartiſt oder gar ein
Revolutionär. —
Die Nichte.
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ob er es iſt, denn auf ſein politiſches Geſchwatz
acht’ ich ſo wenig wie der ſchlafende Müller auf
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Zitationshilfe: | Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/88>, abgerufen am 27.07.2024. |