Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831.
die Woge des Geschicks. Das Herz nur frisch, es ist die Fischblase, und hebt uns, wenn wir wollen, bis wir crepiren, sey es so oder so. (zu einer vorübergehenden Dirne:) Einen Kuß, mein Kind! Der alte Officier. Was verwahrst du an der Brust? Ist es et- was zu essen, Chassecoeur? Gib mir davon. Chassecoeur. Hauptmann, ich ess' es nicht und doch macht es mich bisweilen satt und dich vielleicht auch. Vitry. Nun geht es los mit seinen verwünschten Phra- sen, und sie rühren mich doch. Chassecoeur. Es ist ein Adler der Garde, von mir gerettet, als er unter tausend Leichen hinsinken wollte bei Leipzigs Elsterbrücke. Und -- sonst hole mich der Satan! (wenn es einen gibt) die Sonne kommt zurück, zu der er wieder auffliegt. Der alte Officier. Ich glaub' es auch: jetzt ist es zwar Nacht, und die Thoren wähnen, das Licht bliebe aus. Aber so wenig wie die Sonne dort oben, kann eine
die Woge des Geſchicks. Das Herz nur friſch, es iſt die Fiſchblaſe, und hebt uns, wenn wir wollen, bis wir crepiren, ſey es ſo oder ſo. (zu einer voruͤbergehenden Dirne:) Einen Kuß, mein Kind! Der alte Officier. Was verwahrſt du an der Bruſt? Iſt es et- was zu eſſen, Chaſſecoeur? Gib mir davon. Chaſſecoeur. Hauptmann, ich eſſ’ es nicht und doch macht es mich bisweilen ſatt und dich vielleicht auch. Vitry. Nun geht es los mit ſeinen verwünſchten Phra- ſen, und ſie rühren mich doch. Chaſſecoeur. Es iſt ein Adler der Garde, von mir gerettet, als er unter tauſend Leichen hinſinken wollte bei Leipzigs Elſterbrücke. Und — ſonſt hole mich der Satan! (wenn es einen gibt) die Sonne kommt zurück, zu der er wieder auffliegt. Der alte Officier. Ich glaub’ es auch: jetzt iſt es zwar Nacht, und die Thoren wähnen, das Licht bliebe aus. Aber ſo wenig wie die Sonne dort oben, kann eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#VIT"> <p><pb facs="#f0023" n="15"/> die Woge des Geſchicks. Das Herz nur friſch, es<lb/> iſt die Fiſchblaſe, und hebt uns, wenn wir wollen,<lb/> bis wir crepiren, ſey es ſo oder ſo.</p><lb/> <stage>(zu einer voruͤbergehenden Dirne:)</stage><lb/> <p>Einen Kuß, mein Kind!</p> </sp><lb/> <sp who="#AOFF"> <speaker><hi rendition="#g">Der alte Officier</hi>.</speaker><lb/> <p>Was verwahrſt du an der Bruſt? Iſt es et-<lb/> was zu eſſen, Chaſſecoeur? Gib mir davon.</p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker><hi rendition="#g">Chaſſecoeur</hi>.</speaker><lb/> <p>Hauptmann, ich eſſ’ es nicht und doch macht es<lb/> mich bisweilen ſatt und dich vielleicht auch.</p> </sp><lb/> <sp who="#VIT"> <speaker><hi rendition="#g">Vitry</hi>.</speaker><lb/> <p>Nun geht es los mit ſeinen verwünſchten Phra-<lb/> ſen, und ſie rühren mich doch.</p> </sp><lb/> <sp who="#CHA"> <speaker><hi rendition="#g">Chaſſecoeur</hi>.</speaker><lb/> <p>Es iſt ein Adler der Garde, von mir gerettet,<lb/> als er unter tauſend Leichen hinſinken wollte bei<lb/> Leipzigs Elſterbrücke. Und — ſonſt hole mich der<lb/> Satan! (wenn es einen gibt) die Sonne kommt<lb/> zurück, zu der er wieder auffliegt.</p> </sp><lb/> <sp who="#AOFF"> <speaker><hi rendition="#g">Der alte Officier</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich glaub’ es auch: jetzt iſt es zwar Nacht,<lb/> und die Thoren wähnen, das Licht bliebe aus. Aber<lb/> ſo wenig wie die Sonne dort oben, kann eine<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0023]
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iſt die Fiſchblaſe, und hebt uns, wenn wir wollen,
bis wir crepiren, ſey es ſo oder ſo.
(zu einer voruͤbergehenden Dirne:)
Einen Kuß, mein Kind!
Der alte Officier.
Was verwahrſt du an der Bruſt? Iſt es et-
was zu eſſen, Chaſſecoeur? Gib mir davon.
Chaſſecoeur.
Hauptmann, ich eſſ’ es nicht und doch macht es
mich bisweilen ſatt und dich vielleicht auch.
Vitry.
Nun geht es los mit ſeinen verwünſchten Phra-
ſen, und ſie rühren mich doch.
Chaſſecoeur.
Es iſt ein Adler der Garde, von mir gerettet,
als er unter tauſend Leichen hinſinken wollte bei
Leipzigs Elſterbrücke. Und — ſonſt hole mich der
Satan! (wenn es einen gibt) die Sonne kommt
zurück, zu der er wieder auffliegt.
Der alte Officier.
Ich glaub’ es auch: jetzt iſt es zwar Nacht,
und die Thoren wähnen, das Licht bliebe aus. Aber
ſo wenig wie die Sonne dort oben, kann eine
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Zitationshilfe: | Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grabbe_napoleon_1831/23>, abgerufen am 08.07.2024. |