Grabbe, Christian Dietrich: Napoleon oder Die hundert Tage. Frankfurt (Main), 1831.Der Bosphorus jauchzt auf mit seinen Wogen, Die große Stambul ahnet ihre Nähe Und bebt vor wonnigem Gefühle, Die Küsten Asias und Europas schmeicheln Zu den Sandalen ihres zarten Fußes, -- Sie blickt zurück, -- sie faßt ihr Herz -- Herzogin von Angouleme. Wie sinkt die Poesie. Auch in ihr Revolution. Was für falsche Verse! Gräfin von Choisy. Wer hat denn den Versen das Gesetz gegeben, daß sie gerade seyn müssen, wie die des Racine oder eines anderen Classikers? Herzogin von Angouleme. Auch du eine Empörerin, Choisy? -- Die Welt ist überreif. -- Lies das Ende des Gedichtes. Gräfin von Choisy. Es ist kurz: (sie lies't:) "Und Sie seufzt!" -- Herzogin von Angouleme. Und Sie seufzt -- -- Ja, das mag wahr seyn, ungeachtet des zu kurzen Verses. Gräfin von Choisy. Jesus Maria, wenn Er gelandet wäre! Der Bosphorus jauchzt auf mit ſeinen Wogen, Die große Stambul ahnet ihre Nähe Und bebt vor wonnigem Gefühle, Die Küſten Aſias und Europas ſchmeicheln Zu den Sandalen ihres zarten Fußes, — Sie blickt zurück, — ſie faßt ihr Herz — Herzogin von Angouleme. Wie ſinkt die Poeſie. Auch in ihr Revolution. Was für falſche Verſe! Graͤfin von Choiſy. Wer hat denn den Verſen das Geſetz gegeben, daß ſie gerade ſeyn müſſen, wie die des Racine oder eines anderen Claſſikers? Herzogin von Angouleme. Auch du eine Empörerin, Choiſy? — Die Welt iſt überreif. — Lies das Ende des Gedichtes. Graͤfin von Choiſy. Es iſt kurz: (ſie lieſ’t:) «Und Sie ſeufzt!» — Herzogin von Angouleme. Und Sie ſeufzt — — Ja, das mag wahr ſeyn, ungeachtet des zu kurzen Verſes. Graͤfin von Choiſy. Jeſus Maria, wenn Er gelandet wäre! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <sp who="#GRACHOI"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0102" n="94"/> <l>Der Bosphorus jauchzt auf mit ſeinen Wogen,</l><lb/> <l>Die große Stambul ahnet ihre Nähe</l><lb/> <l>Und bebt vor wonnigem Gefühle,</l><lb/> <l>Die Küſten Aſias und Europas ſchmeicheln</l><lb/> <l>Zu den Sandalen ihres zarten Fußes, —</l><lb/> <l>Sie blickt zurück, — ſie faßt ihr Herz —</l> </lg> </sp><lb/> <sp who="#ANGOI"> <speaker> <hi rendition="#g">Herzogin von Angouleme.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie ſinkt die Poeſie. Auch in ihr Revolution.<lb/> Was für falſche Verſe!</p> </sp><lb/> <sp who="#GRACHOI"> <speaker> <hi rendition="#g">Graͤfin von Choiſy.</hi> </speaker><lb/> <p>Wer hat denn den Verſen das Geſetz gegeben,<lb/> daß ſie gerade ſeyn müſſen, wie die des Racine<lb/> oder eines anderen Claſſikers?</p> </sp><lb/> <sp who="#ANGOI"> <speaker> <hi rendition="#g">Herzogin von Angouleme.</hi> </speaker><lb/> <p>Auch du eine Empörerin, Choiſy? — Die Welt<lb/> iſt überreif. — Lies das Ende des Gedichtes.</p> </sp><lb/> <sp who="#GRACHOI"> <speaker> <hi rendition="#g">Graͤfin von Choiſy.</hi> </speaker><lb/> <p>Es iſt kurz:</p><lb/> <stage>(ſie lieſ’t:)</stage><lb/> <p><hi rendition="#g">«Und Sie ſeufzt!»</hi> —</p> </sp><lb/> <sp who="#ANGOI"> <speaker> <hi rendition="#g">Herzogin von Angouleme.</hi> </speaker><lb/> <p>Und Sie ſeufzt — — Ja, das mag wahr<lb/> ſeyn, ungeachtet des zu kurzen Verſes.</p> </sp><lb/> <sp who="#GRACHOI"> <speaker> <hi rendition="#g">Graͤfin von Choiſy.</hi> </speaker><lb/> <p>Jeſus Maria, wenn Er gelandet wäre!</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0102]
Der Bosphorus jauchzt auf mit ſeinen Wogen,
Die große Stambul ahnet ihre Nähe
Und bebt vor wonnigem Gefühle,
Die Küſten Aſias und Europas ſchmeicheln
Zu den Sandalen ihres zarten Fußes, —
Sie blickt zurück, — ſie faßt ihr Herz —
Herzogin von Angouleme.
Wie ſinkt die Poeſie. Auch in ihr Revolution.
Was für falſche Verſe!
Graͤfin von Choiſy.
Wer hat denn den Verſen das Geſetz gegeben,
daß ſie gerade ſeyn müſſen, wie die des Racine
oder eines anderen Claſſikers?
Herzogin von Angouleme.
Auch du eine Empörerin, Choiſy? — Die Welt
iſt überreif. — Lies das Ende des Gedichtes.
Graͤfin von Choiſy.
Es iſt kurz:
(ſie lieſ’t:)
«Und Sie ſeufzt!» —
Herzogin von Angouleme.
Und Sie ſeufzt — — Ja, das mag wahr
ſeyn, ungeachtet des zu kurzen Verſes.
Graͤfin von Choiſy.
Jeſus Maria, wenn Er gelandet wäre!
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