Auf welche mancher tobt und schmählt, Ja sie zu blinden Heyden zehlt, Dem es doch selbst am Hirne fehlt. Hier fandst du nun der Weisheit Quell, Den Stax nicht kennt, und doch so schnell, Der armen Pallas zum Verdruß, Der Weisheit Meister heissen muß. Wie macht dich nicht dein Cicero, Durch seine güldne Schrifften froh! Die offt ein kleiner Redner-Held Vor lauter Stroh und Stoppeln hält, Der sein Geschwätz galant und schön, Mit Collectaneen erhöhn, Und als ein recht gelehrter Mann, Mit Müntzen ausstaffiren kan; Der alles mit Citatis füllt, Und öffters vor ein Sinnebild, Ein Anagramm und Wörterspiel, Das Sonnenbrüdern wohlgefiel, Nicht hundert tausend Thaler nähm, Wenn er sie gleich gezahlt bekäm. Dem Cicero ein Schulfuchs dünckt Und selbst aus W - d - ngt-Pfützen trinckt.
Allein wie kommts daß mein Gedicht, Kein Wort von fremden Sprachen spricht, Der Morgenländer wohlgemuth, Darinn man so viel Wunder thut, Wenn mancher hochgelehrte Wurm, Die Zungen, so bey Babels Thurm, So wie man glaubt, entstanden sind, Jn seinem engen Schedel findt, Und doch in Züchten lobesan, Die eigne Muttersprach nicht kan. Mein Freund, du sahst es klüglich ein, Was das vor Grillenfänger seyn, Die sich um lauter Puncte zanck'n, Und endlich noch dem Himmel danck'n, Der ihnen Gnad und Krafft verliehn, Nach unabläßigem Bemühn, Zu zeigen, daß bald hie bald da, Ein falsches Wort? Nein, nur ein Schwa, Ein kurtzes vor ein langes A, Ein langes vor ein kurtzes E, Jns Rabbi Kimchi Codex steh.
Weit
Des II Theils VII Capitel
Auf welche mancher tobt und ſchmaͤhlt, Ja ſie zu blinden Heyden zehlt, Dem es doch ſelbſt am Hirne fehlt. Hier fandſt du nun der Weisheit Quell, Den Stax nicht kennt, und doch ſo ſchnell, Der armen Pallas zum Verdruß, Der Weisheit Meiſter heiſſen muß. Wie macht dich nicht dein Cicero, Durch ſeine guͤldne Schrifften froh! Die offt ein kleiner Redner-Held Vor lauter Stroh und Stoppeln haͤlt, Der ſein Geſchwaͤtz galant und ſchoͤn, Mit Collectaneen erhoͤhn, Und als ein recht gelehrter Mann, Mit Muͤntzen ausſtaffiren kan; Der alles mit Citatis fuͤllt, Und oͤffters vor ein Sinnebild, Ein Anagramm und Woͤrterſpiel, Das Sonnenbruͤdern wohlgefiel, Nicht hundert tauſend Thaler naͤhm, Wenn er ſie gleich gezahlt bekaͤm. Dem Cicero ein Schulfuchs duͤnckt Und ſelbſt aus W ‒ d ‒ ngt-Pfuͤtzen trinckt.
Allein wie kommts daß mein Gedicht, Kein Wort von fremden Sprachen ſpricht, Der Morgenlaͤnder wohlgemuth, Darinn man ſo viel Wunder thut, Wenn mancher hochgelehrte Wurm, Die Zungen, ſo bey Babels Thurm, So wie man glaubt, entſtanden ſind, Jn ſeinem engen Schedel findt, Und doch in Zuͤchten lobeſan, Die eigne Mutterſprach nicht kan. Mein Freund, du ſahſt es kluͤglich ein, Was das vor Grillenfaͤnger ſeyn, Die ſich um lauter Puncte zanck’n, Und endlich noch dem Himmel danck’n, Der ihnen Gnad und Krafft verliehn, Nach unablaͤßigem Bemuͤhn, Zu zeigen, daß bald hie bald da, Ein falſches Wort? Nein, nur ein Schwa, Ein kurtzes vor ein langes A, Ein langes vor ein kurtzes E, Jns Rabbi Kimchi Codex ſteh.
Weit
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Des II Theils VII Capitel
Auf welche mancher tobt und ſchmaͤhlt,
Ja ſie zu blinden Heyden zehlt,
Dem es doch ſelbſt am Hirne fehlt.
Hier fandſt du nun der Weisheit Quell,
Den Stax nicht kennt, und doch ſo ſchnell,
Der armen Pallas zum Verdruß,
Der Weisheit Meiſter heiſſen muß.
Wie macht dich nicht dein Cicero,
Durch ſeine guͤldne Schrifften froh!
Die offt ein kleiner Redner-Held
Vor lauter Stroh und Stoppeln haͤlt,
Der ſein Geſchwaͤtz galant und ſchoͤn,
Mit Collectaneen erhoͤhn,
Und als ein recht gelehrter Mann,
Mit Muͤntzen ausſtaffiren kan;
Der alles mit Citatis fuͤllt,
Und oͤffters vor ein Sinnebild,
Ein Anagramm und Woͤrterſpiel,
Das Sonnenbruͤdern wohlgefiel,
Nicht hundert tauſend Thaler naͤhm,
Wenn er ſie gleich gezahlt bekaͤm.
Dem Cicero ein Schulfuchs duͤnckt
Und ſelbſt aus W ‒ d ‒ ngt-Pfuͤtzen trinckt.
Allein wie kommts daß mein Gedicht,
Kein Wort von fremden Sprachen ſpricht,
Der Morgenlaͤnder wohlgemuth,
Darinn man ſo viel Wunder thut,
Wenn mancher hochgelehrte Wurm,
Die Zungen, ſo bey Babels Thurm,
So wie man glaubt, entſtanden ſind,
Jn ſeinem engen Schedel findt,
Und doch in Zuͤchten lobeſan,
Die eigne Mutterſprach nicht kan.
Mein Freund, du ſahſt es kluͤglich ein,
Was das vor Grillenfaͤnger ſeyn,
Die ſich um lauter Puncte zanck’n,
Und endlich noch dem Himmel danck’n,
Der ihnen Gnad und Krafft verliehn,
Nach unablaͤßigem Bemuͤhn,
Zu zeigen, daß bald hie bald da,
Ein falſches Wort? Nein, nur ein Schwa,
Ein kurtzes vor ein langes A,
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Jns Rabbi Kimchi Codex ſteh.
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/528>, abgerufen am 22.11.2024.
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