Und dann ein niedrig Zeug dein Lied nicht besser ziert, Als wenn sich Günthers Hans die rauhe Kehle schmiert, Und statt des Donaustroms den Strich vom Biere machet, Wobey ein grober Fluch aus seinem Munde krachet. Dies und dergleichen mehr verwirft ein Criticus, Dies ists, was ein Poet dabey erdulden muß, Und dann ists auch gethan. Der Richter wird bald müde, Er legt die Blätter weg, und läst dem Dichter Friede. Mops, wickle Fett und Schmaltz, Anis und Pfeffer drein! Jch frage nichts darnach, und will zufrieden seyn, Wenn sich der Pöbel nur nicht wieder mich empöret, So wie ein Wespen-Schwarm, dem man das Nest gestöret. Was Tugend? schreyt Gargil: Was Keuschheit? ruft Sybill: Was gehts den Dichter an, daß ich mich brüsten will? Und wer hat ihn gesetzt, das Richter-Amt zu tragen? Fürwar, Sylvander wird sein Hecheln noch beklagen! Thalia, siehstu nicht, wie Bavius sich kränckt? Der durch ein schläfrig Lied mich anzustechen denckt, Jndem ich neulich schrieb: Sophia sey wie Käthchen, Ein eigennütziges und Geldbegierig Mädchen, Die reichen Buhlern selbst erhitzt entgegen läuft, Und mit geschwinder Hand nach harten Thalern greift. Noch mehr, von Ratzeburg, dem Nas und Buckel jucken, Läst auch ein Lästerblatt auf meine Dichtkunst drucken. Du siehst ja, wie ers selbst zum Bilderhändler trägt, Und in den Trödelkram zum Eulenspiegel legt. Da kützelt sich das Volck bey diesen schönen Sachen, Da sieht man Herr und Frau, und Magd und Jungfer lachen.
Silvander, kränckt dich das? versetzt Thalia hier, Der Kummer ist umsonst, was schadt das alles dir? Die Wahrheit ist verhaßt. Das ängstende Gewissen Hat auch den tummen Bav bey deinem Reim gebissen. Warum verschonst du ihn? Beschäme sein Gesicht, Und leide seinen Trotz und seine Schmähsucht nicht. Der Hudler möchte gar bey seinem Fürwitz dencken, Du wolltest ihm aus Furcht die gantze Strafe schencken. Schreib: Bavius ist selbst der Weisheit unbekannt, Wer gut Hebräisch liest, hat darum nicht Verstand: Und könte Bav nicht noch die alten Weiber trösten; So wäre ja bey ihm der Unverstand am grösten. Was gilts, daß solch ein Reim dem Bav so lieblich klingt, Als jenes Sterbe-Lied, das Ratzeburg noch singt; Darinn er selbst beklagt, daß seine Lästerungen Womit er dich verletzt, so jämmerlich gelungen
So
Von Satiren.
Und dann ein niedrig Zeug dein Lied nicht beſſer ziert, Als wenn ſich Guͤnthers Hans die rauhe Kehle ſchmiert, Und ſtatt des Donauſtroms den Strich vom Biere machet, Wobey ein grober Fluch aus ſeinem Munde krachet. Dies und dergleichen mehr verwirft ein Criticus, Dies iſts, was ein Poet dabey erdulden muß, Und dann iſts auch gethan. Der Richter wird bald muͤde, Er legt die Blaͤtter weg, und laͤſt dem Dichter Friede. Mops, wickle Fett und Schmaltz, Anis und Pfeffer drein! Jch frage nichts darnach, und will zufrieden ſeyn, Wenn ſich der Poͤbel nur nicht wieder mich empoͤret, So wie ein Weſpen-Schwarm, dem man das Neſt geſtoͤret. Was Tugend? ſchreyt Gargil: Was Keuſchheit? ruft Sybill: Was gehts den Dichter an, daß ich mich bruͤſten will? Und wer hat ihn geſetzt, das Richter-Amt zu tragen? Fuͤrwar, Sylvander wird ſein Hecheln noch beklagen! Thalia, ſiehſtu nicht, wie Bavius ſich kraͤnckt? Der durch ein ſchlaͤfrig Lied mich anzuſtechen denckt, Jndem ich neulich ſchrieb: Sophia ſey wie Kaͤthchen, Ein eigennuͤtziges und Geldbegierig Maͤdchen, Die reichen Buhlern ſelbſt erhitzt entgegen laͤuft, Und mit geſchwinder Hand nach harten Thalern greift. Noch mehr, von Ratzeburg, dem Nas und Buckel jucken, Laͤſt auch ein Laͤſterblatt auf meine Dichtkunſt drucken. Du ſiehſt ja, wie ers ſelbſt zum Bilderhaͤndler traͤgt, Und in den Troͤdelkram zum Eulenſpiegel legt. Da kuͤtzelt ſich das Volck bey dieſen ſchoͤnen Sachen, Da ſieht man Herr und Frau, und Magd und Jungfer lachen.
Silvander, kraͤnckt dich das? verſetzt Thalia hier, Der Kummer iſt umſonſt, was ſchadt das alles dir? Die Wahrheit iſt verhaßt. Das aͤngſtende Gewiſſen Hat auch den tummen Bav bey deinem Reim gebiſſen. Warum verſchonſt du ihn? Beſchaͤme ſein Geſicht, Und leide ſeinen Trotz und ſeine Schmaͤhſucht nicht. Der Hudler moͤchte gar bey ſeinem Fuͤrwitz dencken, Du wollteſt ihm aus Furcht die gantze Strafe ſchencken. Schreib: Bavius iſt ſelbſt der Weisheit unbekannt, Wer gut Hebraͤiſch lieſt, hat darum nicht Verſtand: Und koͤnte Bav nicht noch die alten Weiber troͤſten; So waͤre ja bey ihm der Unverſtand am groͤſten. Was gilts, daß ſolch ein Reim dem Bav ſo lieblich klingt, Als jenes Sterbe-Lied, das Ratzeburg noch ſingt; Darinn er ſelbſt beklagt, daß ſeine Laͤſterungen Womit er dich verletzt, ſo jaͤmmerlich gelungen
So
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Von Satiren.
Und dann ein niedrig Zeug dein Lied nicht beſſer ziert,
Als wenn ſich Guͤnthers Hans die rauhe Kehle ſchmiert,
Und ſtatt des Donauſtroms den Strich vom Biere machet,
Wobey ein grober Fluch aus ſeinem Munde krachet.
Dies und dergleichen mehr verwirft ein Criticus,
Dies iſts, was ein Poet dabey erdulden muß,
Und dann iſts auch gethan. Der Richter wird bald muͤde,
Er legt die Blaͤtter weg, und laͤſt dem Dichter Friede.
Mops, wickle Fett und Schmaltz, Anis und Pfeffer drein!
Jch frage nichts darnach, und will zufrieden ſeyn,
Wenn ſich der Poͤbel nur nicht wieder mich empoͤret,
So wie ein Weſpen-Schwarm, dem man das Neſt geſtoͤret.
Was Tugend? ſchreyt Gargil: Was Keuſchheit? ruft Sybill:
Was gehts den Dichter an, daß ich mich bruͤſten will?
Und wer hat ihn geſetzt, das Richter-Amt zu tragen?
Fuͤrwar, Sylvander wird ſein Hecheln noch beklagen!
Thalia, ſiehſtu nicht, wie Bavius ſich kraͤnckt?
Der durch ein ſchlaͤfrig Lied mich anzuſtechen denckt,
Jndem ich neulich ſchrieb: Sophia ſey wie Kaͤthchen,
Ein eigennuͤtziges und Geldbegierig Maͤdchen,
Die reichen Buhlern ſelbſt erhitzt entgegen laͤuft,
Und mit geſchwinder Hand nach harten Thalern greift.
Noch mehr, von Ratzeburg, dem Nas und Buckel jucken,
Laͤſt auch ein Laͤſterblatt auf meine Dichtkunſt drucken.
Du ſiehſt ja, wie ers ſelbſt zum Bilderhaͤndler traͤgt,
Und in den Troͤdelkram zum Eulenſpiegel legt.
Da kuͤtzelt ſich das Volck bey dieſen ſchoͤnen Sachen,
Da ſieht man Herr und Frau, und Magd und Jungfer lachen.
Silvander, kraͤnckt dich das? verſetzt Thalia hier,
Der Kummer iſt umſonſt, was ſchadt das alles dir?
Die Wahrheit iſt verhaßt. Das aͤngſtende Gewiſſen
Hat auch den tummen Bav bey deinem Reim gebiſſen.
Warum verſchonſt du ihn? Beſchaͤme ſein Geſicht,
Und leide ſeinen Trotz und ſeine Schmaͤhſucht nicht.
Der Hudler moͤchte gar bey ſeinem Fuͤrwitz dencken,
Du wollteſt ihm aus Furcht die gantze Strafe ſchencken.
Schreib: Bavius iſt ſelbſt der Weisheit unbekannt,
Wer gut Hebraͤiſch lieſt, hat darum nicht Verſtand:
Und koͤnte Bav nicht noch die alten Weiber troͤſten;
So waͤre ja bey ihm der Unverſtand am groͤſten.
Was gilts, daß ſolch ein Reim dem Bav ſo lieblich klingt,
Als jenes Sterbe-Lied, das Ratzeburg noch ſingt;
Darinn er ſelbſt beklagt, daß ſeine Laͤſterungen
Womit er dich verletzt, ſo jaͤmmerlich gelungen
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/507>, abgerufen am 31.07.2024.
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