andern anzubringen. Davon schreibt Rachelius in seiner offtangezogenen Satire, der Poet genannt:
Wahr ist, daß Phöbus Volck fast lustig ist von Hertzen, Und meistentheils gescheut, doch höslich auch im Scherzen. Bevorab, so sie nur in etwas sind getränckt Mit dem berühmten Safft, den uns Lyäus schenckt. Da wissen sie bald eins und andres vorzubringen, Zur angenehmen Lust: jedoch von solchen Dingen, Die nicht verdrüßlich sind. Jst da der rechte Mann, Sie hengen ihm wohl eins, jedoch gar höflich an. Jhr Stich, der blutet nicht. So, hab ich wohl gelesen, Soll aller Francken Ruhm, der Taubmann seyn gewesen, So war auch Buchanan, Minerven liebstes Kind, Dem weder Römer, Griech noch Deutscher abgewinnt; So war der Venusin, den selbst Augustus ehrte, Der nach des Pindars Kunst, die Römer spielen lehrte, Jm Lachen wie gebohrn, im Schertzen ausgeübt, Wie sein berühmtes Buch noch heute Zeugniß giebt. etc.
Die dritte Gattung war endlich die Satirische. Diese recht abzuhandeln und zu erklären, das gehört eigentlich ins folgende Capitel, wo davon ausführlich gehandelt werden soll. Jn der That sind viele Satiren der alten und neu- ern Poeten nichts als Briefe; und viele Briefe derselben nichts als Satiren. Wir wollen hier zum voraus setzen, daß man schon von der satirischen Schreibart einen klaren Begriff habe, wie er denn leicht von den obigen Gattun- gen zu unterscheiden ist. Sie spottet entweder über die Thorheiten der Welt, und alsdann kommt sie der lustigen Schreibart nahe: oder sie eifert und zürnet auf die einreis- senden Laster, und alsdann wird sie der ernsthafften morali- schen ähnlich, nur daß sie mehr Galle und Lebhafftigkeit bey sich führet. Horatii Briefe sind fast alle von der Art, und Boileau ist ihm, wie allenthalben, also auch darinn gefolget. Opitz, Canitz und Günther sind ebenfalls in ih- ren Briefen sehr beißend und scharf; wie ein jeder selbst leicht wird wahrnehmen können.
Jch bemercke nur, daß diese satirische Schreibart sich so gar an die Grossen der Welt brauchen läst. Horatz hat an Augustum, Boileau an Ludewig den Grossen, Neu-
kirch
Des II Theils V Capitel
andern anzubringen. Davon ſchreibt Rachelius in ſeiner offtangezogenen Satire, der Poet genannt:
Wahr iſt, daß Phoͤbus Volck faſt luſtig iſt von Hertzen, Und meiſtentheils geſcheut, doch hoͤſlich auch im Scherzen. Bevorab, ſo ſie nur in etwas ſind getraͤnckt Mit dem beruͤhmten Safft, den uns Lyaͤus ſchenckt. Da wiſſen ſie bald eins und andres vorzubringen, Zur angenehmen Luſt: jedoch von ſolchen Dingen, Die nicht verdruͤßlich ſind. Jſt da der rechte Mann, Sie hengen ihm wohl eins, jedoch gar hoͤflich an. Jhr Stich, der blutet nicht. So, hab ich wohl geleſen, Soll aller Francken Ruhm, der Taubmann ſeyn geweſen, So war auch Buchanan, Minerven liebſtes Kind, Dem weder Roͤmer, Griech noch Deutſcher abgewinnt; So war der Venuſin, den ſelbſt Auguſtus ehrte, Der nach des Pindars Kunſt, die Roͤmer ſpielen lehrte, Jm Lachen wie gebohrn, im Schertzen ausgeuͤbt, Wie ſein beruͤhmtes Buch noch heute Zeugniß giebt. ꝛc.
Die dritte Gattung war endlich die Satiriſche. Dieſe recht abzuhandeln und zu erklaͤren, das gehoͤrt eigentlich ins folgende Capitel, wo davon ausfuͤhrlich gehandelt werden ſoll. Jn der That ſind viele Satiren der alten und neu- ern Poeten nichts als Briefe; und viele Briefe derſelben nichts als Satiren. Wir wollen hier zum voraus ſetzen, daß man ſchon von der ſatiriſchen Schreibart einen klaren Begriff habe, wie er denn leicht von den obigen Gattun- gen zu unterſcheiden iſt. Sie ſpottet entweder uͤber die Thorheiten der Welt, und alsdann kommt ſie der luſtigen Schreibart nahe: oder ſie eifert und zuͤrnet auf die einreiſ- ſenden Laſter, und alsdann wird ſie der ernſthafften morali- ſchen aͤhnlich, nur daß ſie mehr Galle und Lebhafftigkeit bey ſich fuͤhret. Horatii Briefe ſind faſt alle von der Art, und Boileau iſt ihm, wie allenthalben, alſo auch darinn gefolget. Opitz, Canitz und Guͤnther ſind ebenfalls in ih- ren Briefen ſehr beißend und ſcharf; wie ein jeder ſelbſt leicht wird wahrnehmen koͤnnen.
Jch bemercke nur, daß dieſe ſatiriſche Schreibart ſich ſo gar an die Groſſen der Welt brauchen laͤſt. Horatz hat an Auguſtum, Boileau an Ludewig den Groſſen, Neu-
kirch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0466"n="438"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Des <hirendition="#aq">II</hi> Theils <hirendition="#aq">V</hi> Capitel</hi></fw><lb/>
andern anzubringen. Davon ſchreibt Rachelius in ſeiner<lb/>
offtangezogenen Satire, der Poet genannt:</p><lb/><cit><quote>Wahr iſt, daß Phoͤbus Volck faſt luſtig iſt von Hertzen,<lb/>
Und meiſtentheils geſcheut, doch hoͤſlich auch im Scherzen.<lb/>
Bevorab, ſo ſie nur in etwas ſind getraͤnckt<lb/>
Mit dem beruͤhmten Safft, den uns Lyaͤus ſchenckt.<lb/>
Da wiſſen ſie bald eins und andres vorzubringen,<lb/>
Zur angenehmen Luſt: jedoch von ſolchen Dingen,<lb/>
Die nicht verdruͤßlich ſind. Jſt da der rechte Mann,<lb/>
Sie hengen ihm wohl eins, jedoch gar hoͤflich an.<lb/>
Jhr Stich, der blutet nicht. So, hab ich wohl geleſen,<lb/>
Soll aller Francken Ruhm, der Taubmann ſeyn geweſen,<lb/>
So war auch Buchanan, Minerven liebſtes Kind,<lb/>
Dem weder Roͤmer, Griech noch Deutſcher abgewinnt;<lb/>
So war der Venuſin, den ſelbſt Auguſtus ehrte,<lb/>
Der nach des Pindars Kunſt, die Roͤmer ſpielen lehrte,<lb/>
Jm Lachen wie gebohrn, im Schertzen ausgeuͤbt,<lb/>
Wie ſein beruͤhmtes Buch noch heute Zeugniß giebt. ꝛc.</quote></cit><lb/><p>Die dritte Gattung war endlich die Satiriſche. Dieſe<lb/>
recht abzuhandeln und zu erklaͤren, das gehoͤrt eigentlich ins<lb/>
folgende Capitel, wo davon ausfuͤhrlich gehandelt werden<lb/>ſoll. Jn der That ſind viele Satiren der alten und neu-<lb/>
ern Poeten nichts als Briefe; und viele Briefe derſelben<lb/>
nichts als Satiren. Wir wollen hier zum voraus ſetzen,<lb/>
daß man ſchon von der ſatiriſchen Schreibart einen klaren<lb/>
Begriff habe, wie er denn leicht von den obigen Gattun-<lb/>
gen zu unterſcheiden iſt. Sie ſpottet entweder uͤber die<lb/>
Thorheiten der Welt, und alsdann kommt ſie der luſtigen<lb/>
Schreibart nahe: oder ſie eifert und zuͤrnet auf die einreiſ-<lb/>ſenden Laſter, und alsdann wird ſie der ernſthafften morali-<lb/>ſchen aͤhnlich, nur daß ſie mehr Galle und Lebhafftigkeit<lb/>
bey ſich fuͤhret. Horatii Briefe ſind faſt alle von der Art,<lb/>
und Boileau iſt ihm, wie allenthalben, alſo auch darinn<lb/>
gefolget. Opitz, Canitz und Guͤnther ſind ebenfalls in ih-<lb/>
ren Briefen ſehr beißend und ſcharf; wie ein jeder ſelbſt<lb/>
leicht wird wahrnehmen koͤnnen.</p><lb/><p>Jch bemercke nur, daß dieſe ſatiriſche Schreibart ſich<lb/>ſo gar an die Groſſen der Welt brauchen laͤſt. Horatz<lb/>
hat an Auguſtum, Boileau an Ludewig den Groſſen, Neu-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kirch</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[438/0466]
Des II Theils V Capitel
andern anzubringen. Davon ſchreibt Rachelius in ſeiner
offtangezogenen Satire, der Poet genannt:
Wahr iſt, daß Phoͤbus Volck faſt luſtig iſt von Hertzen,
Und meiſtentheils geſcheut, doch hoͤſlich auch im Scherzen.
Bevorab, ſo ſie nur in etwas ſind getraͤnckt
Mit dem beruͤhmten Safft, den uns Lyaͤus ſchenckt.
Da wiſſen ſie bald eins und andres vorzubringen,
Zur angenehmen Luſt: jedoch von ſolchen Dingen,
Die nicht verdruͤßlich ſind. Jſt da der rechte Mann,
Sie hengen ihm wohl eins, jedoch gar hoͤflich an.
Jhr Stich, der blutet nicht. So, hab ich wohl geleſen,
Soll aller Francken Ruhm, der Taubmann ſeyn geweſen,
So war auch Buchanan, Minerven liebſtes Kind,
Dem weder Roͤmer, Griech noch Deutſcher abgewinnt;
So war der Venuſin, den ſelbſt Auguſtus ehrte,
Der nach des Pindars Kunſt, die Roͤmer ſpielen lehrte,
Jm Lachen wie gebohrn, im Schertzen ausgeuͤbt,
Wie ſein beruͤhmtes Buch noch heute Zeugniß giebt. ꝛc.
Die dritte Gattung war endlich die Satiriſche. Dieſe
recht abzuhandeln und zu erklaͤren, das gehoͤrt eigentlich ins
folgende Capitel, wo davon ausfuͤhrlich gehandelt werden
ſoll. Jn der That ſind viele Satiren der alten und neu-
ern Poeten nichts als Briefe; und viele Briefe derſelben
nichts als Satiren. Wir wollen hier zum voraus ſetzen,
daß man ſchon von der ſatiriſchen Schreibart einen klaren
Begriff habe, wie er denn leicht von den obigen Gattun-
gen zu unterſcheiden iſt. Sie ſpottet entweder uͤber die
Thorheiten der Welt, und alsdann kommt ſie der luſtigen
Schreibart nahe: oder ſie eifert und zuͤrnet auf die einreiſ-
ſenden Laſter, und alsdann wird ſie der ernſthafften morali-
ſchen aͤhnlich, nur daß ſie mehr Galle und Lebhafftigkeit
bey ſich fuͤhret. Horatii Briefe ſind faſt alle von der Art,
und Boileau iſt ihm, wie allenthalben, alſo auch darinn
gefolget. Opitz, Canitz und Guͤnther ſind ebenfalls in ih-
ren Briefen ſehr beißend und ſcharf; wie ein jeder ſelbſt
leicht wird wahrnehmen koͤnnen.
Jch bemercke nur, daß dieſe ſatiriſche Schreibart ſich
ſo gar an die Groſſen der Welt brauchen laͤſt. Horatz
hat an Auguſtum, Boileau an Ludewig den Groſſen, Neu-
kirch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/466>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.