O grosser Ferdinand, nechst allem, was dich ehrt, Und deiner Macht Gebot mit treuem Hertzen hört, Kommt auch der Musen-Schaar, die Deutschen Pierinnen, Kniet frölich für dir hin und sagt mit freyen Sinnen, Daß sie, o Lust der Welt, hinfort bestehen kan, Der fremden Sprachen Trutz, das hast du auch gethan. etc.
Nach ihrem Jnhalte kan man diese Briefe in ernsthaffte, lustige und satirische abtheilen. Die erstern finden statt, wenn man an höhere oder doch solche Personen schreibt, denen man einige Ehrerbietung schuldig ist. Jmgleichen lassen sie sich bey Trauerfällen als Leichengedichte an die Leidtragenden richten, denen man gewiß in solchem Falle nichts schertzhafftes sagen würde, wenn sie gleich unsre ver- trautesten Freunde wären. Sie sind also hauptsächlich entweder Lob- oder Trauerschreiben, es wäre denn, daß sie gantz moralisch abgefaßt wären, da sie aber mehrentheils auf die Satire zu verfallen pflegen. Ein solcher lobender Brief ist der obige von Opitzen, nebst vielen andern von diesem Poeten. Einen traurigen will ich aus Flemmings IIIten Buche der poetischen Wälder anführen, der an ei- nen Wittwer, nach dem Ableben seiner Ehgattin abgelas- sen ist, und sich so anhebt:
Wenn, Edler, unser Geist auch mit dem Leibe stürbe, Und wenn er sich verschleißt, die Seele mit verdürbe, So wär es zweymahl recht, daß ihr, und wer euch ehrt, Als den es billig kränckt, was Leid euch wiederfährt, Bey dieser bösen Post euch zweymahl mehr betrübtet. Sie, ach! Sie ist dahin, die ihr so innig liebtet, Das treue fromme Weib! Sie, ach sie ist vorbey, Was ist es, das man hat, das mehr zu klagen sey?
Eben dergleichen wird man in Tschernings Frühling p. 85. antreffen. Jch will aber aus diesem Poeten eins von der dritten moralischen Gattung zur Probe geben: Wiewohl dasjenige, so Flemming an Olearius geschrieben, u. p. 93. s. II. B. steht, gantz fürtrefflich ist. Es steht p. 345. und ist an Röteln, ein Breßlauisches Rathsglied abgelassen:
Jch habe niemahls recht des Phöbus Brunn berühret, Noch einen Traum dabey dem Wunsche nach gespüret,
Wie
Des II Theils V Capitel
O groſſer Ferdinand, nechſt allem, was dich ehrt, Und deiner Macht Gebot mit treuem Hertzen hoͤrt, Kommt auch der Muſen-Schaar, die Deutſchen Pierinnen, Kniet froͤlich fuͤr dir hin und ſagt mit freyen Sinnen, Daß ſie, o Luſt der Welt, hinfort beſtehen kan, Der fremden Sprachen Trutz, das haſt du auch gethan. ꝛc.
Nach ihrem Jnhalte kan man dieſe Briefe in ernſthaffte, luſtige und ſatiriſche abtheilen. Die erſtern finden ſtatt, wenn man an hoͤhere oder doch ſolche Perſonen ſchreibt, denen man einige Ehrerbietung ſchuldig iſt. Jmgleichen laſſen ſie ſich bey Trauerfaͤllen als Leichengedichte an die Leidtragenden richten, denen man gewiß in ſolchem Falle nichts ſchertzhafftes ſagen wuͤrde, wenn ſie gleich unſre ver- trauteſten Freunde waͤren. Sie ſind alſo hauptſaͤchlich entweder Lob- oder Trauerſchreiben, es waͤre denn, daß ſie gantz moraliſch abgefaßt waͤren, da ſie aber mehrentheils auf die Satire zu verfallen pflegen. Ein ſolcher lobender Brief iſt der obige von Opitzen, nebſt vielen andern von dieſem Poeten. Einen traurigen will ich aus Flemmings IIIten Buche der poetiſchen Waͤlder anfuͤhren, der an ei- nen Wittwer, nach dem Ableben ſeiner Ehgattin abgelaſ- ſen iſt, und ſich ſo anhebt:
Wenn, Edler, unſer Geiſt auch mit dem Leibe ſtuͤrbe, Und wenn er ſich verſchleißt, die Seele mit verduͤrbe, So waͤr es zweymahl recht, daß ihr, und wer euch ehrt, Als den es billig kraͤnckt, was Leid euch wiederfaͤhrt, Bey dieſer boͤſen Poſt euch zweymahl mehr betruͤbtet. Sie, ach! Sie iſt dahin, die ihr ſo innig liebtet, Das treue fromme Weib! Sie, ach ſie iſt vorbey, Was iſt es, das man hat, das mehr zu klagen ſey?
Eben dergleichen wird man in Tſchernings Fruͤhling p. 85. antreffen. Jch will aber aus dieſem Poeten eins von der dritten moraliſchen Gattung zur Probe geben: Wiewohl dasjenige, ſo Flemming an Olearius geſchrieben, u. p. 93. ſ. II. B. ſteht, gantz fuͤrtrefflich iſt. Es ſteht p. 345. und iſt an Roͤteln, ein Breßlauiſches Rathsglied abgelaſſen:
Jch habe niemahls recht des Phoͤbus Brunn beruͤhret, Noch einen Traum dabey dem Wunſche nach geſpuͤret,
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Des II Theils V Capitel
O groſſer Ferdinand, nechſt allem, was dich ehrt,
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Kommt auch der Muſen-Schaar, die Deutſchen Pierinnen,
Kniet froͤlich fuͤr dir hin und ſagt mit freyen Sinnen,
Daß ſie, o Luſt der Welt, hinfort beſtehen kan,
Der fremden Sprachen Trutz, das haſt du auch gethan. ꝛc.
Nach ihrem Jnhalte kan man dieſe Briefe in ernſthaffte,
luſtige und ſatiriſche abtheilen. Die erſtern finden ſtatt,
wenn man an hoͤhere oder doch ſolche Perſonen ſchreibt,
denen man einige Ehrerbietung ſchuldig iſt. Jmgleichen
laſſen ſie ſich bey Trauerfaͤllen als Leichengedichte an die
Leidtragenden richten, denen man gewiß in ſolchem Falle
nichts ſchertzhafftes ſagen wuͤrde, wenn ſie gleich unſre ver-
trauteſten Freunde waͤren. Sie ſind alſo hauptſaͤchlich
entweder Lob- oder Trauerſchreiben, es waͤre denn, daß ſie
gantz moraliſch abgefaßt waͤren, da ſie aber mehrentheils
auf die Satire zu verfallen pflegen. Ein ſolcher lobender
Brief iſt der obige von Opitzen, nebſt vielen andern von
dieſem Poeten. Einen traurigen will ich aus Flemmings
IIIten Buche der poetiſchen Waͤlder anfuͤhren, der an ei-
nen Wittwer, nach dem Ableben ſeiner Ehgattin abgelaſ-
ſen iſt, und ſich ſo anhebt:
Wenn, Edler, unſer Geiſt auch mit dem Leibe ſtuͤrbe,
Und wenn er ſich verſchleißt, die Seele mit verduͤrbe,
So waͤr es zweymahl recht, daß ihr, und wer euch ehrt,
Als den es billig kraͤnckt, was Leid euch wiederfaͤhrt,
Bey dieſer boͤſen Poſt euch zweymahl mehr betruͤbtet.
Sie, ach! Sie iſt dahin, die ihr ſo innig liebtet,
Das treue fromme Weib! Sie, ach ſie iſt vorbey,
Was iſt es, das man hat, das mehr zu klagen ſey?
Eben dergleichen wird man in Tſchernings Fruͤhling p. 85.
antreffen. Jch will aber aus dieſem Poeten eins von der
dritten moraliſchen Gattung zur Probe geben: Wiewohl
dasjenige, ſo Flemming an Olearius geſchrieben, u. p. 93.
ſ. II. B. ſteht, gantz fuͤrtrefflich iſt. Es ſteht p. 345. und iſt
an Roͤteln, ein Breßlauiſches Rathsglied abgelaſſen:
Jch habe niemahls recht des Phoͤbus Brunn beruͤhret,
Noch einen Traum dabey dem Wunſche nach geſpuͤret,
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/464>, abgerufen am 25.11.2024.
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