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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Des II Theils IV Capitel
Wie sehr bedauret sie, was Geist und Witz verehret,
Was Häuslichkeit und Zucht und Gottesfurcht beliebt,
Die alle sind bestürtzt, die alle sind gestöret,
Jndem die theure Frau der Erden Abschied giebt.
Kurtz: Jedermann beklagt die ungemeine Tugend,
Den trefflichen Verstand, die GOtt geweyhte Brust,
Die seltne Mildigkeit und die beliebte Jugend,
Darinn sie dir erblaßt und aus der Welt gemust.
Man sieht die Kinder an, die du zugleich verlohren,
Darinn ein jeder noch ihr Ebenbild erblickt,
Und die sie dir zur Lust zwar an das Licht gebohren,
Doch dir zur Marter auch mit sich ins Grab gerückt.
Ach dencke, mein Patron, an der Verblichnen Träume,
So ihr den herben Fall zum voraus angezeigt.
Doch, wie verirren sich die ungestümen Reime?
Viel besser, daß man dies verhelet und verschweigt!
Erwege denn vielmehr die Bilder deiner Treuen,
So sie dir hinterläst, indem sie selber stirbt:
Und laß dich manchen Sohn an ihrer statt erfreuen,
Der sich dereinst, wie du, der Fürsten Huld erwirbt.
Sie theilte sich mit dir in die erzielten Erben,
Ein Theil verläst sie dir zum Denckmahl ihrer Eh,
Ein Theil nimmt sie vor sich und läst es mit sich sterben,
So billig handelt hier die theure Salome.
Bestille denn den Schmertz in deiner großen Seele,
Die noch wohl mehr als das gesetzt ertragen kan;
Und weinest du ja noch bey deiner Liebsten Höle,
So thu es anders nicht als wie ein weiser Mann.
Jedoch was darf man dir viel Trost und Lehren schreiben?
Du selbst bist standhafft gnug und giebest Fürsten Rath,
So kan mein schlechtes Blatt wohl gar zurücke bleiben,
Dafern es anders nichts an dich zu melden hat.
Doch ja, es ist noch was von andrer Art verhanden,
Das ist ein treuer Wunsch, vor meines Gönners Glück.
Die Schmertzen, so sich jetzt, so häufig bey dir fanden,
Die nehme GOttes Hand auf lange Zeit zurück.
Es müsse dich hinfort kein harter Fall betrüben,
Es weiche bald der Flor der trüben Trauer-Nacht!
Dies wünschen alle die, so deine Wohlfahrt lieben,
Und die dein Wittwerstand voll Kümmerniß gemacht.
Es wünscht es auch dein Knecht mit redlichem Gemüthe.
Der dich und deine Huld seit vielen Jahren kennt,
Und stets verehren wird, zumahl wenn deine Güte
Auch künftig wie bisher ihm Schutz und Beystand giebt.
II.
Des II Theils IV Capitel
Wie ſehr bedauret ſie, was Geiſt und Witz verehret,
Was Haͤuslichkeit und Zucht und Gottesfurcht beliebt,
Die alle ſind beſtuͤrtzt, die alle ſind geſtoͤret,
Jndem die theure Frau der Erden Abſchied giebt.
Kurtz: Jedermann beklagt die ungemeine Tugend,
Den trefflichen Verſtand, die GOtt geweyhte Bruſt,
Die ſeltne Mildigkeit und die beliebte Jugend,
Darinn ſie dir erblaßt und aus der Welt gemuſt.
Man ſieht die Kinder an, die du zugleich verlohren,
Darinn ein jeder noch ihr Ebenbild erblickt,
Und die ſie dir zur Luſt zwar an das Licht gebohren,
Doch dir zur Marter auch mit ſich ins Grab geruͤckt.
Ach dencke, mein Patron, an der Verblichnen Traͤume,
So ihr den herben Fall zum voraus angezeigt.
Doch, wie verirren ſich die ungeſtuͤmen Reime?
Viel beſſer, daß man dies verhelet und verſchweigt!
Erwege denn vielmehr die Bilder deiner Treuen,
So ſie dir hinterlaͤſt, indem ſie ſelber ſtirbt:
Und laß dich manchen Sohn an ihrer ſtatt erfreuen,
Der ſich dereinſt, wie du, der Fuͤrſten Huld erwirbt.
Sie theilte ſich mit dir in die erzielten Erben,
Ein Theil verlaͤſt ſie dir zum Denckmahl ihrer Eh,
Ein Theil nimmt ſie vor ſich und laͤſt es mit ſich ſterben,
So billig handelt hier die theure Salome.
Beſtille denn den Schmertz in deiner großen Seele,
Die noch wohl mehr als das geſetzt ertragen kan;
Und weineſt du ja noch bey deiner Liebſten Hoͤle,
So thu es anders nicht als wie ein weiſer Mann.
Jedoch was darf man dir viel Troſt und Lehren ſchreiben?
Du ſelbſt biſt ſtandhafft gnug und giebeſt Fuͤrſten Rath,
So kan mein ſchlechtes Blatt wohl gar zuruͤcke bleiben,
Dafern es anders nichts an dich zu melden hat.
Doch ja, es iſt noch was von andrer Art verhanden,
Das iſt ein treuer Wunſch, vor meines Goͤnners Gluͤck.
Die Schmertzen, ſo ſich jetzt, ſo haͤufig bey dir fanden,
Die nehme GOttes Hand auf lange Zeit zuruͤck.
Es muͤſſe dich hinfort kein harter Fall betruͤben,
Es weiche bald der Flor der truͤben Trauer-Nacht!
Dies wuͤnſchen alle die, ſo deine Wohlfahrt lieben,
Und die dein Wittwerſtand voll Kuͤmmerniß gemacht.
Es wuͤnſcht es auch dein Knecht mit redlichem Gemuͤthe.
Der dich und deine Huld ſeit vielen Jahren kennt,
Und ſtets verehren wird, zumahl wenn deine Guͤte
Auch kuͤnftig wie bisher ihm Schutz und Beyſtand giebt.
II.
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[420/0448] Des II Theils IV Capitel Wie ſehr bedauret ſie, was Geiſt und Witz verehret, Was Haͤuslichkeit und Zucht und Gottesfurcht beliebt, Die alle ſind beſtuͤrtzt, die alle ſind geſtoͤret, Jndem die theure Frau der Erden Abſchied giebt. Kurtz: Jedermann beklagt die ungemeine Tugend, Den trefflichen Verſtand, die GOtt geweyhte Bruſt, Die ſeltne Mildigkeit und die beliebte Jugend, Darinn ſie dir erblaßt und aus der Welt gemuſt. Man ſieht die Kinder an, die du zugleich verlohren, Darinn ein jeder noch ihr Ebenbild erblickt, Und die ſie dir zur Luſt zwar an das Licht gebohren, Doch dir zur Marter auch mit ſich ins Grab geruͤckt. Ach dencke, mein Patron, an der Verblichnen Traͤume, So ihr den herben Fall zum voraus angezeigt. Doch, wie verirren ſich die ungeſtuͤmen Reime? Viel beſſer, daß man dies verhelet und verſchweigt! Erwege denn vielmehr die Bilder deiner Treuen, So ſie dir hinterlaͤſt, indem ſie ſelber ſtirbt: Und laß dich manchen Sohn an ihrer ſtatt erfreuen, Der ſich dereinſt, wie du, der Fuͤrſten Huld erwirbt. Sie theilte ſich mit dir in die erzielten Erben, Ein Theil verlaͤſt ſie dir zum Denckmahl ihrer Eh, Ein Theil nimmt ſie vor ſich und laͤſt es mit ſich ſterben, So billig handelt hier die theure Salome. Beſtille denn den Schmertz in deiner großen Seele, Die noch wohl mehr als das geſetzt ertragen kan; Und weineſt du ja noch bey deiner Liebſten Hoͤle, So thu es anders nicht als wie ein weiſer Mann. Jedoch was darf man dir viel Troſt und Lehren ſchreiben? Du ſelbſt biſt ſtandhafft gnug und giebeſt Fuͤrſten Rath, So kan mein ſchlechtes Blatt wohl gar zuruͤcke bleiben, Dafern es anders nichts an dich zu melden hat. Doch ja, es iſt noch was von andrer Art verhanden, Das iſt ein treuer Wunſch, vor meines Goͤnners Gluͤck. Die Schmertzen, ſo ſich jetzt, ſo haͤufig bey dir fanden, Die nehme GOttes Hand auf lange Zeit zuruͤck. Es muͤſſe dich hinfort kein harter Fall betruͤben, Es weiche bald der Flor der truͤben Trauer-Nacht! Dies wuͤnſchen alle die, ſo deine Wohlfahrt lieben, Und die dein Wittwerſtand voll Kuͤmmerniß gemacht. Es wuͤnſcht es auch dein Knecht mit redlichem Gemuͤthe. Der dich und deine Huld ſeit vielen Jahren kennt, Und ſtets verehren wird, zumahl wenn deine Guͤte Auch kuͤnftig wie bisher ihm Schutz und Beyſtand giebt. II.

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/448>, abgerufen am 23.11.2024.