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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

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Des II Theils III Capitel

Der starr und sprachlos saß, und fast zu träumen schien.
Palämon, den er liebt, ein Freund von ächter Treue,
Traf ohngefehr hier ein. Wiewohl, dieweil er ihn
Durch kein erschreckendes Geschreye,
Jn seiner, wie es schien, recht angenehmen Ruh
Gesonnen war zu stören;
So kam er nur von hinten auf ihn zu,
Und ließ den zärtsten Thon von seinem Rohre hören.
Wie sonst ein Schlummernder erwacht,
Wenn ihn ein Ruf früh morgends munter macht:
So fuhr auch Thyrsis auf, so bald er ihn vernommen.
Palämon, war sein Wort, bist du zu mir gekommen?
Freund sage mir, wie fandst du mich?
Mein Thyrsis, sagte der, wie sollt ich dich nicht finden?
Weiß ich denn nicht, daß du in diesen Gründen,
Dich gern ergetzen magst? Drum sucht ich eben dich
Am allerersten hier.
Jch wünschte dich zu sprechen:
Und siehe, so gelingt es mir.
Wie schliefst du aber so? Jch schlief? hub Thyrsis an,
Du irrst, ich war nur in Gedancken.
Und wie man sich dabey gar leicht vertiefen kan,
So wollt ich sie dießmahl mit Fleiß nicht unterbrechen.

Was meynst du, war Palämons Wort,
Dein Pylades zog jüngst aus Sachsen fort,
Um in Elysien, bey seinen eignen Heerden,
Der Oberhirt zu werden.
Jch weiß er war dein unverstellter Freund,
Jch weiß wie hertzlich du es auch mit ihm gemeynt:
Nun rathe, wie es ihm gegangen?
Thyrsis.
Jch warte noch bisher mit sehnlichem Verlangen
Auf einen Brief von seiner werthen Hand:
Drum ist mir nichts von seinem Thun bekannt.
Und weist du mehr als ich, so sag es nur heraus.
Palämon.
Dein Pylades sucht sich was liebes aus,
Und hat es allbereit gefunden.
Thyrsis.
Hat Pylades sich schon verbunden?
Was sagst du mir? Palämon, schertze nicht.
Pa-

Des II Theils III Capitel

Der ſtarr und ſprachlos ſaß, und faſt zu traͤumen ſchien.
Palaͤmon, den er liebt, ein Freund von aͤchter Treue,
Traf ohngefehr hier ein. Wiewohl, dieweil er ihn
Durch kein erſchreckendes Geſchreye,
Jn ſeiner, wie es ſchien, recht angenehmen Ruh
Geſonnen war zu ſtoͤren;
So kam er nur von hinten auf ihn zu,
Und ließ den zaͤrtſten Thon von ſeinem Rohre hoͤren.
Wie ſonſt ein Schlummernder erwacht,
Wenn ihn ein Ruf fruͤh morgends munter macht:
So fuhr auch Thyrſis auf, ſo bald er ihn vernommen.
Palaͤmon, war ſein Wort, biſt du zu mir gekommen?
Freund ſage mir, wie fandſt du mich?
Mein Thyrſis, ſagte der, wie ſollt ich dich nicht finden?
Weiß ich denn nicht, daß du in dieſen Gruͤnden,
Dich gern ergetzen magſt? Drum ſucht ich eben dich
Am allererſten hier.
Jch wuͤnſchte dich zu ſprechen:
Und ſiehe, ſo gelingt es mir.
Wie ſchliefſt du aber ſo? Jch ſchlief? hub Thyrſis an,
Du irrſt, ich war nur in Gedancken.
Und wie man ſich dabey gar leicht vertiefen kan,
So wollt ich ſie dießmahl mit Fleiß nicht unterbrechen.

Was meynſt du, war Palaͤmons Wort,
Dein Pylades zog juͤngſt aus Sachſen fort,
Um in Elyſien, bey ſeinen eignen Heerden,
Der Oberhirt zu werden.
Jch weiß er war dein unverſtellter Freund,
Jch weiß wie hertzlich du es auch mit ihm gemeynt:
Nun rathe, wie es ihm gegangen?
Thyrſis.
Jch warte noch bisher mit ſehnlichem Verlangen
Auf einen Brief von ſeiner werthen Hand:
Drum iſt mir nichts von ſeinem Thun bekannt.
Und weiſt du mehr als ich, ſo ſag es nur heraus.
Palaͤmon.
Dein Pylades ſucht ſich was liebes aus,
Und hat es allbereit gefunden.
Thyrſis.
Hat Pylades ſich ſchon verbunden?
Was ſagſt du mir? Palaͤmon, ſchertze nicht.
Pa-
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[404/0432] Des II Theils III Capitel Der ſtarr und ſprachlos ſaß, und faſt zu traͤumen ſchien. Palaͤmon, den er liebt, ein Freund von aͤchter Treue, Traf ohngefehr hier ein. Wiewohl, dieweil er ihn Durch kein erſchreckendes Geſchreye, Jn ſeiner, wie es ſchien, recht angenehmen Ruh Geſonnen war zu ſtoͤren; So kam er nur von hinten auf ihn zu, Und ließ den zaͤrtſten Thon von ſeinem Rohre hoͤren. Wie ſonſt ein Schlummernder erwacht, Wenn ihn ein Ruf fruͤh morgends munter macht: So fuhr auch Thyrſis auf, ſo bald er ihn vernommen. Palaͤmon, war ſein Wort, biſt du zu mir gekommen? Freund ſage mir, wie fandſt du mich? Mein Thyrſis, ſagte der, wie ſollt ich dich nicht finden? Weiß ich denn nicht, daß du in dieſen Gruͤnden, Dich gern ergetzen magſt? Drum ſucht ich eben dich Am allererſten hier. Jch wuͤnſchte dich zu ſprechen: Und ſiehe, ſo gelingt es mir. Wie ſchliefſt du aber ſo? Jch ſchlief? hub Thyrſis an, Du irrſt, ich war nur in Gedancken. Und wie man ſich dabey gar leicht vertiefen kan, So wollt ich ſie dießmahl mit Fleiß nicht unterbrechen. Was meynſt du, war Palaͤmons Wort, Dein Pylades zog juͤngſt aus Sachſen fort, Um in Elyſien, bey ſeinen eignen Heerden, Der Oberhirt zu werden. Jch weiß er war dein unverſtellter Freund, Jch weiß wie hertzlich du es auch mit ihm gemeynt: Nun rathe, wie es ihm gegangen? Thyrſis. Jch warte noch bisher mit ſehnlichem Verlangen Auf einen Brief von ſeiner werthen Hand: Drum iſt mir nichts von ſeinem Thun bekannt. Und weiſt du mehr als ich, ſo ſag es nur heraus. Palaͤmon. Dein Pylades ſucht ſich was liebes aus, Und hat es allbereit gefunden. Thyrſis. Hat Pylades ſich ſchon verbunden? Was ſagſt du mir? Palaͤmon, ſchertze nicht. Pa-

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Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/432>, abgerufen am 24.11.2024.