Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Von Jdyllen, Eclogen oder Schäfer-Gedichten. So redte Corylas vor Eifer halb empört. Als Amarillis dieß gedultig ausgehört, Vernahm sie freylich wohl des lieben Schäfers Treue, Und gab ihm zu verstehn, daß sie die Furcht bereue, Dadurch sie ihm weitmehr, als er wohl sie verletzt. Darauf ward aller Streit erwünscht bey seit gesetzt. Jhr Auge sah nunmehr mit aufgeklärten Blicken, Demselben ins Gesicht: sie klopft ihm auf den Rücken Und sprach: Ey seht doch nur, wie zornig er sich stellt! Jch liebe dich weit mehr als alles in der Welt, Sprach er; allein du stellst mich stets auf neue Proben, Doch sollst du mit der Zeit noch meine Treue loben, Jtzt zeige mir einmahl dein aufgeräumter Geist Daß du nicht Argwohn hegst, nicht Eifersüchtig seyst, Und wünsche, daß das Paar so sich itzund verbunden, So glücklich leben mag, als klug es sich gefunden. Daß unser Galatin mit seiner Galathee, Jn kurtzer Monden-Frist sein Haus in süsser Eh, Gesegnet spüren mag. Und daß so viel Vergnügen, Als dürre Blätter schon in unserm Walde liegen, Als Tropfen unser Teich in seinen Ufern hegt, Als Härchen unser Vieh in seiner Wolle trägt, Hinfort betreffen soll. Das that sie nun mit Willen, Darauf schied Corylas mit seiner Amarillen. III Ecloge Auf eine Adeliche Hochzeit in Schlesien 1727. Thyrsis und Palämon. AN unsrer Saal begrüntem Strande,Saß Thyrsis neulich gantz vergnügt, Und dachte ruhig nach, wie sich im Schäferstande Das Schicksal offt nach Wunsche fügt. Hier seh ich, sprach sein Hertz, den Musenhügel liegen, Den Preußens Friedrich eingeweyht: Dort konnte neulich mich das Pleiß-Athen vergnügen, Jn welchem Deutschlands Witz und alle Lieblichkeit Sich gantz verschwistert und verbunden. Ach! ich gedencke noch der angenehmen Stunden, Die ich daselbst in mancher schönen Flur, Darinnen sich die Kunst und die Natur Mit lauter Meisterstücken zeigt, empfunden. So schwermten diesesmahl dem Thyrsis die Gedancken, Sein Geist entriß sich fast aus seines Cörpers Schrancken, Der C c 2
Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten. So redte Corylas vor Eifer halb empoͤrt. Als Amarillis dieß gedultig ausgehoͤrt, Vernahm ſie freylich wohl des lieben Schaͤfers Treue, Und gab ihm zu verſtehn, daß ſie die Furcht bereue, Dadurch ſie ihm weitmehr, als er wohl ſie verletzt. Darauf ward aller Streit erwuͤnſcht bey ſeit geſetzt. Jhr Auge ſah nunmehr mit aufgeklaͤrten Blicken, Demſelben ins Geſicht: ſie klopft ihm auf den Ruͤcken Und ſprach: Ey ſeht doch nur, wie zornig er ſich ſtellt! Jch liebe dich weit mehr als alles in der Welt, Sprach er; allein du ſtellſt mich ſtets auf neue Proben, Doch ſollſt du mit der Zeit noch meine Treue loben, Jtzt zeige mir einmahl dein aufgeraͤumter Geiſt Daß du nicht Argwohn hegſt, nicht Eiferſuͤchtig ſeyſt, Und wuͤnſche, daß das Paar ſo ſich itzund verbunden, So gluͤcklich leben mag, als klug es ſich gefunden. Daß unſer Galatin mit ſeiner Galathee, Jn kurtzer Monden-Friſt ſein Haus in ſuͤſſer Eh, Geſegnet ſpuͤren mag. Und daß ſo viel Vergnuͤgen, Als duͤrre Blaͤtter ſchon in unſerm Walde liegen, Als Tropfen unſer Teich in ſeinen Ufern hegt, Als Haͤrchen unſer Vieh in ſeiner Wolle traͤgt, Hinfort betreffen ſoll. Das that ſie nun mit Willen, Darauf ſchied Corylas mit ſeiner Amarillen. III Ecloge Auf eine Adeliche Hochzeit in Schleſien 1727. Thyrſis und Palaͤmon. AN unſrer Saal begruͤntem Strande,Saß Thyrſis neulich gantz vergnuͤgt, Und dachte ruhig nach, wie ſich im Schaͤferſtande Das Schickſal offt nach Wunſche fuͤgt. Hier ſeh ich, ſprach ſein Hertz, den Muſenhuͤgel liegen, Den Preußens Friedrich eingeweyht: Dort konnte neulich mich das Pleiß-Athen vergnuͤgen, Jn welchem Deutſchlands Witz und alle Lieblichkeit Sich gantz verſchwiſtert und verbunden. Ach! ich gedencke noch der angenehmen Stunden, Die ich daſelbſt in mancher ſchoͤnen Flur, Darinnen ſich die Kunſt und die Natur Mit lauter Meiſterſtuͤcken zeigt, empfunden. So ſchwermten dieſesmahl dem Thyrſis die Gedancken, Sein Geiſt entriß ſich faſt aus ſeines Coͤrpers Schrancken, Der C c 2
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Von Jdyllen, Eclogen oder Schaͤfer-Gedichten.
So redte Corylas vor Eifer halb empoͤrt.
Als Amarillis dieß gedultig ausgehoͤrt,
Vernahm ſie freylich wohl des lieben Schaͤfers Treue,
Und gab ihm zu verſtehn, daß ſie die Furcht bereue,
Dadurch ſie ihm weitmehr, als er wohl ſie verletzt.
Darauf ward aller Streit erwuͤnſcht bey ſeit geſetzt.
Jhr Auge ſah nunmehr mit aufgeklaͤrten Blicken,
Demſelben ins Geſicht: ſie klopft ihm auf den Ruͤcken
Und ſprach: Ey ſeht doch nur, wie zornig er ſich ſtellt!
Jch liebe dich weit mehr als alles in der Welt,
Sprach er; allein du ſtellſt mich ſtets auf neue Proben,
Doch ſollſt du mit der Zeit noch meine Treue loben,
Jtzt zeige mir einmahl dein aufgeraͤumter Geiſt
Daß du nicht Argwohn hegſt, nicht Eiferſuͤchtig ſeyſt,
Und wuͤnſche, daß das Paar ſo ſich itzund verbunden,
So gluͤcklich leben mag, als klug es ſich gefunden.
Daß unſer Galatin mit ſeiner Galathee,
Jn kurtzer Monden-Friſt ſein Haus in ſuͤſſer Eh,
Geſegnet ſpuͤren mag. Und daß ſo viel Vergnuͤgen,
Als duͤrre Blaͤtter ſchon in unſerm Walde liegen,
Als Tropfen unſer Teich in ſeinen Ufern hegt,
Als Haͤrchen unſer Vieh in ſeiner Wolle traͤgt,
Hinfort betreffen ſoll. Das that ſie nun mit Willen,
Darauf ſchied Corylas mit ſeiner Amarillen.
III Ecloge
Auf eine Adeliche Hochzeit in Schleſien 1727.
Thyrſis und Palaͤmon.
AN unſrer Saal begruͤntem Strande,
Saß Thyrſis neulich gantz vergnuͤgt,
Und dachte ruhig nach, wie ſich im Schaͤferſtande
Das Schickſal offt nach Wunſche fuͤgt.
Hier ſeh ich, ſprach ſein Hertz, den Muſenhuͤgel liegen,
Den Preußens Friedrich eingeweyht:
Dort konnte neulich mich das Pleiß-Athen vergnuͤgen,
Jn welchem Deutſchlands Witz und alle Lieblichkeit
Sich gantz verſchwiſtert und verbunden.
Ach! ich gedencke noch der angenehmen Stunden,
Die ich daſelbſt in mancher ſchoͤnen Flur,
Darinnen ſich die Kunſt und die Natur
Mit lauter Meiſterſtuͤcken zeigt, empfunden.
So ſchwermten dieſesmahl dem Thyrſis die Gedancken,
Sein Geiſt entriß ſich faſt aus ſeines Coͤrpers Schrancken,
Der
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