Der doch soviel davon als jener Bock versteht, Der vorne vor der Heerd aus Stoltz und Hoffarth geht. Es ist in dieser Flur nun leider dahin kommen, Wenn man nicht ihren Sinn in Obacht hat genommen, Und Marmor, Purpur, Gold und Sonn hinein gebracht. So wirds aus Unverstand! von ihnen ausgelacht.
Jnnerlich kan man die Eclogen in epische und dramatische eintheilen. Jn jenen redet der Poet selbst durchgehends, ob er gleich zuweilen auch andre redend einführen kan. Jn Dramatischen redet der Poet gar nichts, sondern stellet nur das Gespräch und die Handlungen andrer Schäfer und Hir- ten vor. Beyde Arten können grösser und kleiner gemacht werden. Ein großes episches Schäfer-Gedichte ist z. E. des Longus Historie von Daphnis und Chloe, davon ich im I Th. des Biedermanns einen kurtzen Auszug gegeben habe, imglei- chen des Hrn. von Urfe Astrea, Philips Arcadia, die schöne Schäferin Juliana, etc. wiewohl das letzte nichts taugt. Von großen Dramatischen Schäfer-Gedichten die man auch Pa- storale nennt, ist des Tasso Amyntas, des Guarini treuer Schäfer, und des Hrn. Fontenelle Endimion bekannt, wel- ches letztere ich bey den Gesprächen von mehr als einer Welt übersetzt habe. Die Regeln von beyden Arten kommen in den Capiteln von Romanen und Theatralischen Poesien vor. Hier handeln wir nur von den kleinen Schäfer-Gedichten die wir Jdyllen und Eclogen zu nennen pflegen; und da finden wir im Virgil sowohl epische als dramatische Muster, die wir nachahmen können.
Wir haben oben gesagt, daß die Schäfer nichts von Kö- nigen und Fürsten wissen sollen. Dieses ist aber nur von ihnen selbst zu verstehen; nicht von benachbarten Ländern. Denn man kan sich einbilden, daß ein Uberrest der alten Unschuld in einer gewissen glückseeligen Landschafft geblieben, nachdem man sonst schon allenthalben Städte gebauet, Obrigkeiten geordnet, Gesetze gegeben, und dadurch der einreißenden Bosheit zu steuren gesucht. Da müssen aber die Schäfer von einem solchen Republicanischen oder monarchischen Zu- stande eines Landes, allezeit mit einiger Verabscheuung reden,
und
Des II Theils III Capitel
Der doch ſoviel davon als jener Bock verſteht, Der vorne vor der Heerd aus Stoltz und Hoffarth geht. Es iſt in dieſer Flur nun leider dahin kommen, Wenn man nicht ihren Sinn in Obacht hat genommen, Und Marmor, Purpur, Gold und Sonn hinein gebracht. So wirds aus Unverſtand! von ihnen ausgelacht.
Jnnerlich kan man die Eclogen in epiſche und dramatiſche eintheilen. Jn jenen redet der Poet ſelbſt durchgehends, ob er gleich zuweilen auch andre redend einfuͤhren kan. Jn Dramatiſchen redet der Poet gar nichts, ſondern ſtellet nur das Geſpraͤch und die Handlungen andrer Schaͤfer und Hir- ten vor. Beyde Arten koͤnnen groͤſſer und kleiner gemacht werden. Ein großes epiſches Schaͤfer-Gedichte iſt z. E. des Longus Hiſtorie von Daphnis und Chloe, davon ich im I Th. des Biedermanns einen kurtzen Auszug gegeben habe, imglei- chen des Hrn. von Urfe Aſtrea, Philips Arcadia, die ſchoͤne Schaͤferin Juliana, ꝛc. wiewohl das letzte nichts taugt. Von großen Dramatiſchen Schaͤfer-Gedichten die man auch Pa- ſtorale nennt, iſt des Taſſo Amyntas, des Guarini treuer Schaͤfer, und des Hrn. Fontenelle Endimion bekannt, wel- ches letztere ich bey den Geſpraͤchen von mehr als einer Welt uͤberſetzt habe. Die Regeln von beyden Arten kommen in den Capiteln von Romanen und Theatraliſchen Poeſien vor. Hier handeln wir nur von den kleinen Schaͤfer-Gedichten die wir Jdyllen und Eclogen zu nennen pflegen; und da finden wir im Virgil ſowohl epiſche als dramatiſche Muſter, die wir nachahmen koͤnnen.
Wir haben oben geſagt, daß die Schaͤfer nichts von Koͤ- nigen und Fuͤrſten wiſſen ſollen. Dieſes iſt aber nur von ihnen ſelbſt zu verſtehen; nicht von benachbarten Laͤndern. Denn man kan ſich einbilden, daß ein Uberreſt der alten Unſchuld in einer gewiſſen gluͤckſeeligen Landſchafft geblieben, nachdem man ſonſt ſchon allenthalben Staͤdte gebauet, Obrigkeiten geordnet, Geſetze gegeben, und dadurch der einreißenden Bosheit zu ſteuren geſucht. Da muͤſſen aber die Schaͤfer von einem ſolchen Republicaniſchen oder monarchiſchen Zu- ſtande eines Landes, allezeit mit einiger Verabſcheuung reden,
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Des II Theils III Capitel
Der doch ſoviel davon als jener Bock verſteht,
Der vorne vor der Heerd aus Stoltz und Hoffarth geht.
Es iſt in dieſer Flur nun leider dahin kommen,
Wenn man nicht ihren Sinn in Obacht hat genommen,
Und Marmor, Purpur, Gold und Sonn hinein gebracht.
So wirds aus Unverſtand! von ihnen ausgelacht.
Jnnerlich kan man die Eclogen in epiſche und dramatiſche
eintheilen. Jn jenen redet der Poet ſelbſt durchgehends, ob
er gleich zuweilen auch andre redend einfuͤhren kan. Jn
Dramatiſchen redet der Poet gar nichts, ſondern ſtellet nur
das Geſpraͤch und die Handlungen andrer Schaͤfer und Hir-
ten vor. Beyde Arten koͤnnen groͤſſer und kleiner gemacht
werden. Ein großes epiſches Schaͤfer-Gedichte iſt z. E. des
Longus Hiſtorie von Daphnis und Chloe, davon ich im I Th.
des Biedermanns einen kurtzen Auszug gegeben habe, imglei-
chen des Hrn. von Urfe Aſtrea, Philips Arcadia, die ſchoͤne
Schaͤferin Juliana, ꝛc. wiewohl das letzte nichts taugt. Von
großen Dramatiſchen Schaͤfer-Gedichten die man auch Pa-
ſtorale nennt, iſt des Taſſo Amyntas, des Guarini treuer
Schaͤfer, und des Hrn. Fontenelle Endimion bekannt, wel-
ches letztere ich bey den Geſpraͤchen von mehr als einer Welt
uͤberſetzt habe. Die Regeln von beyden Arten kommen in
den Capiteln von Romanen und Theatraliſchen Poeſien vor.
Hier handeln wir nur von den kleinen Schaͤfer-Gedichten die
wir Jdyllen und Eclogen zu nennen pflegen; und da finden
wir im Virgil ſowohl epiſche als dramatiſche Muſter, die
wir nachahmen koͤnnen.
Wir haben oben geſagt, daß die Schaͤfer nichts von Koͤ-
nigen und Fuͤrſten wiſſen ſollen. Dieſes iſt aber nur von ihnen
ſelbſt zu verſtehen; nicht von benachbarten Laͤndern. Denn
man kan ſich einbilden, daß ein Uberreſt der alten Unſchuld
in einer gewiſſen gluͤckſeeligen Landſchafft geblieben, nachdem
man ſonſt ſchon allenthalben Staͤdte gebauet, Obrigkeiten
geordnet, Geſetze gegeben, und dadurch der einreißenden
Bosheit zu ſteuren geſucht. Da muͤſſen aber die Schaͤfer
von einem ſolchen Republicaniſchen oder monarchiſchen Zu-
ſtande eines Landes, allezeit mit einiger Verabſcheuung reden,
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Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/420>, abgerufen am 24.11.2024.
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