Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Oden, oder Liedern.
Dieß alles hat zwar Stadt und Land
Schon längst Verwunderns-voll gesehen,
Doch hat es niemand mehr erkannt
Als es von meiner Brust geschehen.
Die Fürsten-Huld, Durchlauchten Zwey!
Die eures Knechtes Dienst und Treu
Aus Staub und Niedrigkeit gezogen,
Die Gnade so mich itzt noch trägt,
Beschützt, versorgt, erhält, verpflegt,
Hat mich noch mehr dazu bewogen.
Der Himmel segne stets dein Haus,
Du Lust des Landes, Albertine!
Es weiche Leid und Furcht hinaus,
Daß Glücke, Freud und Lust ihm diene.
Es müsse dieses Festes Pracht,
Das selbst das Schicksal herrlich macht,
Gemahl und Volck noch offtmahls feyren:
So wird auch deines Knechtes Brust
Die heut empfundne Jubel-Lust,
So lang ich Odem hab, erneuren.
Auf eine Bürger-Hochzeit in Leipzig 1729.
in fremdem Nahmen.
SChöner Frühling, komm und labe,
Komm und labe Stadt und Land!
Zeuch durch Florens Wunder-Hand,
Gras und Blumen aus dem Grabe.
Unsrer Gärten welcke Pracht
Jst durch späten Schnee verletzet:
Da uns sonst der Lentz ergetzet,
Schreckt uns itzt der Kälte Macht;
Daß die Knospen auf den Bäumen,
Furchtsam sind hervor zu keimen.
Seht! die zärtlichen Narcissen
Strecken kaum ihr Haupt empor;
So erschrecken sie davor
Daß sie Frost empfinden müssen.
Auch die Tulpen sind erstarrt,
Und ersterben in der Wiegen:
Eh sie noch hervor gestiegen,
Wird ihr junges Blatt verscharrt.
Ja man sieht auf Feld und Fluren,
Kaum der Saaten erste Spuren.
Selbst
Y 4
Von Oden, oder Liedern.
Dieß alles hat zwar Stadt und Land
Schon laͤngſt Verwunderns-voll geſehen,
Doch hat es niemand mehr erkannt
Als es von meiner Bruſt geſchehen.
Die Fuͤrſten-Huld, Durchlauchten Zwey!
Die eures Knechtes Dienſt und Treu
Aus Staub und Niedrigkeit gezogen,
Die Gnade ſo mich itzt noch traͤgt,
Beſchuͤtzt, verſorgt, erhaͤlt, verpflegt,
Hat mich noch mehr dazu bewogen.
Der Himmel ſegne ſtets dein Haus,
Du Luſt des Landes, Albertine!
Es weiche Leid und Furcht hinaus,
Daß Gluͤcke, Freud und Luſt ihm diene.
Es muͤſſe dieſes Feſtes Pracht,
Das ſelbſt das Schickſal herrlich macht,
Gemahl und Volck noch offtmahls feyren:
So wird auch deines Knechtes Bruſt
Die heut empfundne Jubel-Luſt,
So lang ich Odem hab, erneuren.
Auf eine Buͤrger-Hochzeit in Leipzig 1729.
in fremdem Nahmen.
SChoͤner Fruͤhling, komm und labe,
Komm und labe Stadt und Land!
Zeuch durch Florens Wunder-Hand,
Gras und Blumen aus dem Grabe.
Unſrer Gaͤrten welcke Pracht
Jſt durch ſpaͤten Schnee verletzet:
Da uns ſonſt der Lentz ergetzet,
Schreckt uns itzt der Kaͤlte Macht;
Daß die Knoſpen auf den Baͤumen,
Furchtſam ſind hervor zu keimen.
Seht! die zaͤrtlichen Narciſſen
Strecken kaum ihr Haupt empor;
So erſchrecken ſie davor
Daß ſie Froſt empfinden muͤſſen.
Auch die Tulpen ſind erſtarrt,
Und erſterben in der Wiegen:
Eh ſie noch hervor geſtiegen,
Wird ihr junges Blatt verſcharrt.
Ja man ſieht auf Feld und Fluren,
Kaum der Saaten erſte Spuren.
Selbſt
Y 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0371" n="343"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von Oden, oder Liedern.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="31">
                <l>Dieß alles hat zwar Stadt und Land</l><lb/>
                <l>Schon la&#x0364;ng&#x017F;t Verwunderns-voll ge&#x017F;ehen,</l><lb/>
                <l>Doch hat es niemand mehr erkannt</l><lb/>
                <l>Als es von meiner Bru&#x017F;t ge&#x017F;chehen.</l><lb/>
                <l>Die Fu&#x0364;r&#x017F;ten-Huld, Durchlauchten Zwey!</l><lb/>
                <l>Die eures Knechtes Dien&#x017F;t und Treu</l><lb/>
                <l>Aus Staub und Niedrigkeit gezogen,</l><lb/>
                <l>Die Gnade &#x017F;o mich itzt noch tra&#x0364;gt,</l><lb/>
                <l>Be&#x017F;chu&#x0364;tzt, ver&#x017F;orgt, erha&#x0364;lt, verpflegt,</l><lb/>
                <l>Hat mich noch mehr dazu bewogen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="32">
                <l>Der Himmel &#x017F;egne &#x017F;tets dein Haus,</l><lb/>
                <l>Du Lu&#x017F;t des Landes, Albertine!</l><lb/>
                <l>Es weiche Leid und Furcht hinaus,</l><lb/>
                <l>Daß Glu&#x0364;cke, Freud und Lu&#x017F;t ihm diene.</l><lb/>
                <l>Es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;es Fe&#x017F;tes Pracht,</l><lb/>
                <l>Das &#x017F;elb&#x017F;t das Schick&#x017F;al herrlich macht,</l><lb/>
                <l>Gemahl und Volck noch offtmahls feyren:</l><lb/>
                <l>So wird auch deines Knechtes Bru&#x017F;t</l><lb/>
                <l>Die heut empfundne Jubel-Lu&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>So lang ich Odem hab, erneuren.</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Auf eine Bu&#x0364;rger-Hochzeit in Leipzig 1729.<lb/>
in fremdem Nahmen.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <lg n="33">
                <l><hi rendition="#in">S</hi>Cho&#x0364;ner Fru&#x0364;hling, komm und labe,</l><lb/>
                <l>Komm und labe Stadt und Land!</l><lb/>
                <l>Zeuch durch Florens Wunder-Hand,</l><lb/>
                <l>Gras und Blumen aus dem Grabe.</l><lb/>
                <l>Un&#x017F;rer Ga&#x0364;rten welcke Pracht</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t durch &#x017F;pa&#x0364;ten Schnee verletzet:</l><lb/>
                <l>Da uns &#x017F;on&#x017F;t der Lentz ergetzet,</l><lb/>
                <l>Schreckt uns itzt der Ka&#x0364;lte Macht;</l><lb/>
                <l>Daß die Kno&#x017F;pen auf den Ba&#x0364;umen,</l><lb/>
                <l>Furcht&#x017F;am &#x017F;ind hervor zu keimen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="34">
                <l>Seht! die za&#x0364;rtlichen Narci&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
                <l>Strecken kaum ihr Haupt empor;</l><lb/>
                <l>So er&#x017F;chrecken &#x017F;ie davor</l><lb/>
                <l>Daß &#x017F;ie Fro&#x017F;t empfinden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
                <l>Auch die Tulpen &#x017F;ind er&#x017F;tarrt,</l><lb/>
                <l>Und er&#x017F;terben in der Wiegen:</l><lb/>
                <l>Eh &#x017F;ie noch hervor ge&#x017F;tiegen,</l><lb/>
                <l>Wird ihr junges Blatt ver&#x017F;charrt.</l><lb/>
                <l>Ja man &#x017F;ieht auf Feld und Fluren,</l><lb/>
                <l>Kaum der Saaten er&#x017F;te Spuren.</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">Y 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Selb&#x017F;t</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0371] Von Oden, oder Liedern. Dieß alles hat zwar Stadt und Land Schon laͤngſt Verwunderns-voll geſehen, Doch hat es niemand mehr erkannt Als es von meiner Bruſt geſchehen. Die Fuͤrſten-Huld, Durchlauchten Zwey! Die eures Knechtes Dienſt und Treu Aus Staub und Niedrigkeit gezogen, Die Gnade ſo mich itzt noch traͤgt, Beſchuͤtzt, verſorgt, erhaͤlt, verpflegt, Hat mich noch mehr dazu bewogen. Der Himmel ſegne ſtets dein Haus, Du Luſt des Landes, Albertine! Es weiche Leid und Furcht hinaus, Daß Gluͤcke, Freud und Luſt ihm diene. Es muͤſſe dieſes Feſtes Pracht, Das ſelbſt das Schickſal herrlich macht, Gemahl und Volck noch offtmahls feyren: So wird auch deines Knechtes Bruſt Die heut empfundne Jubel-Luſt, So lang ich Odem hab, erneuren. Auf eine Buͤrger-Hochzeit in Leipzig 1729. in fremdem Nahmen. SChoͤner Fruͤhling, komm und labe, Komm und labe Stadt und Land! Zeuch durch Florens Wunder-Hand, Gras und Blumen aus dem Grabe. Unſrer Gaͤrten welcke Pracht Jſt durch ſpaͤten Schnee verletzet: Da uns ſonſt der Lentz ergetzet, Schreckt uns itzt der Kaͤlte Macht; Daß die Knoſpen auf den Baͤumen, Furchtſam ſind hervor zu keimen. Seht! die zaͤrtlichen Narciſſen Strecken kaum ihr Haupt empor; So erſchrecken ſie davor Daß ſie Froſt empfinden muͤſſen. Auch die Tulpen ſind erſtarrt, Und erſterben in der Wiegen: Eh ſie noch hervor geſtiegen, Wird ihr junges Blatt verſcharrt. Ja man ſieht auf Feld und Fluren, Kaum der Saaten erſte Spuren. Selbſt Y 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/371
Zitationshilfe: Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gottsched_versuch_1730/371>, abgerufen am 22.11.2024.