Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. Leipzig, 1730.Von den Figuren in der Poesie. Er kommt auch, doch aus Deutschem Samen.Wie heißt er? Ja, die Schickung winckt, Und raubt mir, weil der Vorhang sinckt, Stand, Vorwitz, Schauplatz, Held und Nahmen. Nun folgt XIII. die Beschreibung (Descriptio), welche Die Schloß-Kirch hält allhier ein schön Gemach erbaut, Recht oben über ihr, von daraus wird geschaut Ein gut Theil Königsbergs, die Fahrt der schmalen Segel, Die hin und wieder gehn, krumm wie der krumme Pregel, Jndem er erst genug das grüne Feld durchschweift, Und in das frische Haf ermüdet endlich läuft, Nicht weit von Haberstroh. Du siehst zur lincken Seiten, Am Hafe Brandenburg, und Balge gar von weiten. Zur Rechten, um die Wieck, eräuget sich die Stadt Fischhausen, welche mich so sehr ergetzet hat, Durch ihren Rosenbusch; der zwar nicht Rosen träget; Der Anmuth aber viel in seinen Sträuchen heget, Die meine Freude sind. Der Sonnen heisser Schein, Dringt sich im Sommer nicht zu seinen Schatten ein. O wild-verwachsner Ort! du Stadt, da meine Reime Zu Haus und Bürger sind, du hegst die schönen Träume, Für uns Poeten-Volck. Wie wohl ist der daran! Der solch ein Eigenthum für sich besitzen kan. - - - - - Du siehest hier zunechst das alte Lochstätt stehn, Wo vor der Zeit das Haf pflag durch ein Tief zu gehn, Bis in die wilde See. Jetzt wird daselbst gepflüget, Und reiches Korn gesät. Der Zeit, die alles füget, Und Sachen den Beginn auch Maaß und Ende giebt, Nichts aber ewig läßt, hat dieses so beliebt. Jch
Von den Figuren in der Poeſie. Er kommt auch, doch aus Deutſchem Samen.Wie heißt er? Ja, die Schickung winckt, Und raubt mir, weil der Vorhang ſinckt, Stand, Vorwitz, Schauplatz, Held und Nahmen. Nun folgt XIII. die Beſchreibung (Deſcriptio), welche Die Schloß-Kirch haͤlt allhier ein ſchoͤn Gemach erbaut, Recht oben uͤber ihr, von daraus wird geſchaut Ein gut Theil Koͤnigsbergs, die Fahrt der ſchmalen Segel, Die hin und wieder gehn, krumm wie der krumme Pregel, Jndem er erſt genug das gruͤne Feld durchſchweift, Und in das friſche Haf ermuͤdet endlich laͤuft, Nicht weit von Haberſtroh. Du ſiehſt zur lincken Seiten, Am Hafe Brandenburg, und Balge gar von weiten. Zur Rechten, um die Wieck, eraͤuget ſich die Stadt Fiſchhauſen, welche mich ſo ſehr ergetzet hat, Durch ihren Roſenbuſch; der zwar nicht Roſen traͤget; Der Anmuth aber viel in ſeinen Straͤuchen heget, Die meine Freude ſind. Der Sonnen heiſſer Schein, Dringt ſich im Sommer nicht zu ſeinen Schatten ein. O wild-verwachſner Ort! du Stadt, da meine Reime Zu Haus und Buͤrger ſind, du hegſt die ſchoͤnen Traͤume, Fuͤr uns Poeten-Volck. Wie wohl iſt der daran! Der ſolch ein Eigenthum fuͤr ſich beſitzen kan. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Du ſieheſt hier zunechſt das alte Lochſtaͤtt ſtehn, Wo vor der Zeit das Haf pflag durch ein Tief zu gehn, Bis in die wilde See. Jetzt wird daſelbſt gepfluͤget, Und reiches Korn geſaͤt. Der Zeit, die alles fuͤget, Und Sachen den Beginn auch Maaß und Ende giebt, Nichts aber ewig laͤßt, hat dieſes ſo beliebt. Jch
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Von den Figuren in der Poeſie.
Er kommt auch, doch aus Deutſchem Samen.
Wie heißt er? Ja, die Schickung winckt,
Und raubt mir, weil der Vorhang ſinckt,
Stand, Vorwitz, Schauplatz, Held und Nahmen.
Nun folgt XIII. die Beſchreibung (Deſcriptio), welche
von der vorigen darin unterſchieden iſt, daß jene in der Ent-
zuͤckung Dinge abmahlet, die nicht zugegen ſind, dieſe her-
gegen wircklich vorhandene Sachen. Zwar lebhafft und
munter, aber nicht ſo hitzig und handgreiflich als jene vor-
ſtellet. Jch wehle mir zum Exempel eine Beſchreibung die
Simon Dach von dem Proſpecte gemacht, der ſich auf
dem Koͤnigsbergiſchen Reſidentz-Schloſſe, von dem groſſen
ſogenannten Moſcovitiſchen Saale weſtwerts zeiget; weil
ich mich dabey einer ſehr angenehmen Gegend meines Va-
terlandes erinnern kan:
Die Schloß-Kirch haͤlt allhier ein ſchoͤn Gemach erbaut,
Recht oben uͤber ihr, von daraus wird geſchaut
Ein gut Theil Koͤnigsbergs, die Fahrt der ſchmalen Segel,
Die hin und wieder gehn, krumm wie der krumme Pregel,
Jndem er erſt genug das gruͤne Feld durchſchweift,
Und in das friſche Haf ermuͤdet endlich laͤuft,
Nicht weit von Haberſtroh. Du ſiehſt zur lincken Seiten,
Am Hafe Brandenburg, und Balge gar von weiten.
Zur Rechten, um die Wieck, eraͤuget ſich die Stadt
Fiſchhauſen, welche mich ſo ſehr ergetzet hat,
Durch ihren Roſenbuſch; der zwar nicht Roſen traͤget;
Der Anmuth aber viel in ſeinen Straͤuchen heget,
Die meine Freude ſind. Der Sonnen heiſſer Schein,
Dringt ſich im Sommer nicht zu ſeinen Schatten ein.
O wild-verwachſner Ort! du Stadt, da meine Reime
Zu Haus und Buͤrger ſind, du hegſt die ſchoͤnen Traͤume,
Fuͤr uns Poeten-Volck. Wie wohl iſt der daran!
Der ſolch ein Eigenthum fuͤr ſich beſitzen kan.
‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Du ſieheſt hier zunechſt das alte Lochſtaͤtt ſtehn,
Wo vor der Zeit das Haf pflag durch ein Tief zu gehn,
Bis in die wilde See. Jetzt wird daſelbſt gepfluͤget,
Und reiches Korn geſaͤt. Der Zeit, die alles fuͤget,
Und Sachen den Beginn auch Maaß und Ende giebt,
Nichts aber ewig laͤßt, hat dieſes ſo beliebt.
Jch
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